PTBS und Mamasein

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Larifari
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PTBS und Mamasein

Beitrag Sa., 24.09.2022, 21:37

Liebe Community,

ich möchte gerne über einen Problembereich schreiben, der mich zum Teil stark belastet. Vielleicht gibt es jemanden, der ähnliche Erfahrungen gemacht hat und mir einen Tipp geben kann, wie ich damit umgehen kann.

Ich habe eine PTBS nach einer sexuellen Gewalterfahrung im Jugendalter. Aktuell mache ich eine Traumatherapie (PE nach Foa). Ich habe eine tolle Therapeutin, zu der ich großes Vertrauen habe.

Mein Problem betrifft die Interaktion mit meinem 3,5 jährigen Sohn. Wir haben eine positive Beziehung, ich bin gerne Mama und unser Familienleben ist liebevoll und es läuft im allgemeinen alles sehr gut. Mein Sohn ist ein lebhafter kleiner Racker und er hat ein sehr liebenswertes Wesen. Im Spiel ist er oft wild, was total in Ordnung ist, jedoch kommt es immer mal wieder zu folgender Situation: Er tobt um mich herum. Wenn es um mich herum zu eng oder wild wild wird, gerate ich oft innerlich in Panik. Oft schaffe ich es, rechtzeitig für mich zu sorgen d.h. ich verlasse kurz die Situation um wieder auf ein normales Level zu kommen. Manchmal ist er jedoch besonders aufgedreht, springt auf mich rauf oder hängt sich (von ihm ist das liebevoll gemeint) von hinten an meinem Hals oder fasst mir ins Gesicht. Neulich hat er mir im Spiel aus Spaß den Mund zugehalten - das war für mich kaum zu ertragen. Ich fahre dann innerhalb kürzester Zeit so hoch, bekomme (ich würde fast sagen Todes-)Angst und will einfach nur weg. Dann werde ich in der Regel schnell laut. Kein schreien aber eben nachdrücklich, sage ihm, dass er bitte sofort aufhören soll, es weh tut, ich das nicht will etc. In so einem aufgedrehten Zustand kommt es bei ihm dann meistens nicht an. Er versteht selbstverständlich auch noch nicht, warum ich auf sein Verhalten so reagiere. Leider enden diese Situationen dann oft unschön. Ich befreie mich dann schnell, schimpfe manchmal auch und gehe erstmal auf Abstand.

Ich habe Angst, dass mein Verhalten bei ihm als Ablehnung ankommt, ich damit unserer Beziehung schade, ihm damit schade. Versteht mich bitte nicht falsch, ich finde durchaus, dass jeder seine Grenzen kommunizieren sollte und auch mein Sohn muss lernen, dass bestimmte Verhaltensweisen zu grob und nicht in Ordnung sind. Aber meine Reaktion ist ja nun mal leider überzogen (zumindest von außen betrachtet). Ich tue bereits alles mögliche, damit er mein Verhalten nicht auf sich bezieht. Nach so einem Vorfall rede ich mit ihm, erkläre ihm, dass ich so etwas einfach nicht mag und da empfindlich bin, dass ich ihn natürlich trotzdem lieb habe und ich auch gerne bereit bin zu kuscheln, nur eben nicht so wild. Aber dennoch. Ich habe ein sehr sehr schlechtes Gewissen und Schuldgefühle.

Mit meiner Therapeutin habe ich über dieses Thema bereits gesprochen. Ich habe aber das Gefühl, sie kann mir für dieses spezielle Problem nicht so richtig Hilfestellung geben.

Hat jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht und vielleicht sogar einen Lösungsansatz? Ich weiß einfach nicht, wie ich in Bezug auf dieses Problem an mir arbeiten soll. Könnte es sein, dass sich das Problem von alleine legt, wenn die Trauma Therapie weiter fortgeschritten ist? Ich stehe da gerade noch ganz am Anfang. Ich hätte aber so gerne konkrete Ansatzpunkte, an dieser Sache zu arbeiten, es besser zu machen.

Ich danke euch im Voraus für das lesen meines Textes.

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Sinarellas
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Beitrag So., 25.09.2022, 08:07

Ja kenne ich.
Mein Lösungsansatz war und ist: In einer ruhigen Minute erklären, dass du nicht den Mund zugehalten bekommen möchtest und er sich nicht an deinen Hals hängen soll etc. Dass du das nicht möchtest und dir das nicht gefällt.
Erkläre das bei jedem Mal "Erinnerst du dich daran, dass ich dir sagte, ich möchte das nicht? Bitte hör auf - danke mein Spatz".
Er versteht dich, es dauert nur für ihn sich umzugewöhnen und deine Grenze im Kopf zu behalten.
Das ist nichts schlimmes, keine katastrophe, sondern ein ganz normales "Ich bin ein Mensch und habe hier eine Grenze, schau mal, das mag ich nicht". Dazu braucht es nicht mal eine PTBS um das zu verbalisieren.

Ich denke du machst dir viel zu viel Kopf (verständlich ging mir auch so).

Vertrau auf deinen Spatz, er wird das verstehen!
..:..

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peponi
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Beitrag So., 25.09.2022, 10:17

Sinarellas hat im Grunde schon alles geschrieben, nur in Ergänzung dazu: ich kenne das auch und wir haben den Grundsatz "mein Körper, meine Regeln" eingeführt, da war mein Sohn ungefähr so alt wie deiner jetzt ist. Das ging natürlich nicht von heute auf morgen, aber es hat gut geholfen und er versteht und respektiert meine Grenzen so viel besser und hat zugleich ein Instrument in die Hand bekommen, um seine eigenen Grenzen abstecken zu können (was er auch fleißig macht). Kleinen Kindern fehlt nun mal noch die Empathie, sich in einen anderen Menschen hineinversetzen zu können, und sie müssen erst lernen, Grenzen zu respektieren. Begleite diesen Lernprozess sanft und mach dich nicht verrückt deswegen. Das wird schon.
silence like a cancer grows.

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Larifari
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Beitrag So., 25.09.2022, 12:57

Hallo ihr beiden,

vielen Dank für eure Antworten, die mir echt Mut machen. Das mit dem „mein Körper meine Regeln“ finde ich sehr gut. Im Grunde handhabe ich es auch schon so. Die Rückmeldung, dass ich mich da vielleicht auch zu sehr verrückt mache, hilft auch sehr. Ein bisschen mehr zurücklehnen und darauf vertrauen, dass ich es als Mama intuitiv schon gut mache, wäre schön. Da komme ich vielleicht noch hin.

Wenn ihr schreibt, ihr kennt solche Situationen auch, wie geht ihr in dem Moment damit um? Situation verlassen oder aushalten? Atemtechniken? Andere Skills?

Viele Grüße

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Candykills
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Beitrag So., 25.09.2022, 13:16

Kann Sinas nur zustimmen.
Jeder Mensch hat Grenzen, auch Eltern und die darf man auch dem (kleinen) Kind aufzeigen.
Es macht aber auf jeden Fall auch Sinn im Nachhinein in Ruhe nochmal zu erklären, dass du dieses oder jenes nicht magst, denn bei aufgedrehten Kindern kommt das einfach nicht an.
Ich denke nicht, dass er dadurch einen Schaden nimmt.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Zephyr
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Beitrag So., 25.09.2022, 13:28

Ich kenne das auch sehr gut. Bei mir hilft eigentlich nur aus der Situation zu gehen und dann erst Skills zu benutzen (dabei hilft mir alles, was mich ins hier und jetzt holt und “same but different”, wenn dir das was sagt). Versuche ich in der Situation zu bleiben, bekommen die Kinder eh mit, dass was nicht stimmt und ich schaffe es gar nicht mich zu regulieren - auch weil “aushalten” zusätzlich noch mehr triggert bei mir.
Probiere einfach aus was dir hilft.
Es ist auch nicht schlimm für deinen Sohn, wen du da dann eine Pause brauchst solange du das erklärst und begleitest. Im Gegenteil, ich denke, es ist sehr wertvoll, wenn Kinder lernen dürfen, dass es eben keine Zurückweisung der eigenen Person ist, wenn sich ein anderer Mensch um die eigenen Bedürfnisse kümmert.
Und sollte er das als Zurückweisung erleben, wirst du das bestimmt mitbekommen und kannst darauf reagieren.

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peponi
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Beitrag So., 25.09.2022, 13:31

Larifari hat geschrieben: So., 25.09.2022, 12:57 Wenn ihr schreibt, ihr kennt solche Situationen auch, wie geht ihr in dem Moment damit um? Situation verlassen oder aushalten? Atemtechniken? Andere Skills?
Würde ich davon abhängig machen, wie du in diesem Moment darauf reagierst - wenn du völlig aufgelöst und panisch reagierst und einen scharfen Tonfall gegenüber deinem Kleinen anschlägst, würde ich die Situation an deiner Stelle erst einmal verlassen und mit ihm später in Ruhe noch einmal darüber reden, wenn du dich beruhigt hast.
silence like a cancer grows.

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sebi
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Beitrag So., 25.09.2022, 16:11

Als Betroffene von PTBS, Mutter von zwei Kindern, Oma von drei Enkeln ... ich finds total berührend, wie ihr Mütter euch Gedanken macht. Zu meiner Zeit war PTBS absolut kein Thema. Erst als ich selber eine Therapie (7 Jahre) in Anspruch nahm, wurde mir einiges bewusst. Ich mag euch junge Mütter entlasten. Indem ihr euch eurer "Baustellen" bewusst seid, steigt ihr aus einem alten Muster aus. Und d a s verändert.
Ich will damit sagen, meine Kinder sind trotz meiner PTBS zu kraftvollen, liebevollen, empathischen, selbstverantwortlichen Menschen geworden, die in liebevollen Beziehungen leben und ihren Kindern all das geben, was ich meinen Kindern geben konnte.

Mir war irgendwann mal klar: I c h will nicht weitergeben, nicht die alten Muster, nicht die erlernten Glaubenssätze, nicht meine Erfahrungen, nicht den Schmerz ... nicht die Erfahrungen der Generationen vor mir.
"Jeder Mensch sucht nach Halt. Dabei liegt der einzige Halt im Loslassen." Hape Kerkeling

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Sinarellas
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Beitrag So., 25.09.2022, 16:44

sebi danke, ich habe mich direkt angesprochen gefühlt und das tut gerade von dir wirklich gut zu lesen.
Wie du es sagst, wir traumatisierten Eltern geben es nicht weiter, was uns widerfahren ist, was uns beigebracht wurde, bereits die Reflexion des eigenen Handelns, das Hinterfragen und die ggf. Therapie.

Ich will nicht weitergeben, was ich erleben musste.

Deine Worte beruhigen auch ein wenig, gerne lese ich von dir.
..:..

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sebi
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Beitrag So., 25.09.2022, 16:45

Meine Tochter verwendet übrigens diese Aussage, wenn die Kids in ihrem Überschwang 'übergriffig' werden: D a s ist privat! 'Privat', auch als Grenzziehung für ihre Kinder.
"Jeder Mensch sucht nach Halt. Dabei liegt der einzige Halt im Loslassen." Hape Kerkeling

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sebi
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Beitrag So., 25.09.2022, 16:47

Sinarellas hat geschrieben: So., 25.09.2022, 16:44 sebi danke, ich habe mich direkt angesprochen gefühlt und das tut gerade von dir wirklich gut zu lesen.
Wie du es sagst, wir traumatisierten Eltern geben es nicht weiter, was uns widerfahren ist, was uns beigebracht wurde, bereits die Reflexion des eigenen Handelns, das Hinterfragen und die ggf. Therapie.

Ich will nicht weitergeben, was ich erleben musste.

Deine Worte beruhigen auch ein wenig, gerne lese ich von dir.
Bin eben auch sehr berührt!
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Larifari
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Beitrag So., 25.09.2022, 19:37

@ Zephyr

Danke dir. Das mit dem „Aushalten“ geht mir auch so. Es wird dadurch nur schlimmer. „Same but different“ sagt mir nichts. Jetzt bin ich neugierig.
Dabke, dass du nochmal diesen Unterschied aufmachst zwischen sich um die eigenen Bedürfnisse kümmern und Zurückweisung. Mir ist der Unterschied kognitiv klar, aber emotional scheint es bei mir irgendwie miteinander verbunden. Das werde ich nochmal in der Therapie thematisieren.

Es tut mir gerade unglaublich gut, Erfahrungen aus erster Hand zu lesen. Ist einfach was ganz anderes als dir fachliche Perspektive. 🥰
Zuletzt geändert von Tristezza am Mo., 26.09.2022, 08:47, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Fullquote gelöscht. Bitte keine Komplettzitate verwenden, siehe Netiquette.

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Larifari
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Beitrag So., 25.09.2022, 19:40

@ sebi
Danke danke danke, das tut sehr gut! ❤️
Zuletzt geändert von Tristezza am Mo., 26.09.2022, 08:48, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Fullquote gelöscht. Bitte keine Komplettzitate verwenden, siehe Netiquette.

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