Mit Familienmitgliedern am Tatort

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Charlie Foxtrott
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Mit Familienmitgliedern am Tatort

Beitrag Mi., 15.03.2023, 15:03

Liebe Leute,
vorweg: Ich habe während meiner Therapie und auch allein Expositionsübungen am Tatort durchgeführt und diese auch gut bewältigt, haben mir sehr geholfen. Nun wollte ich eigentlich als krönenden Abschluss an einer Kulturveranstaltung dort teilnehmen.
Problem: Mein Cousin will mit. Er ist sehr solidarisch und ich hätte kein Problem damit, ihm zu erzählen, was passiert ist, möchte es sogar. Aber, er will meiner (gehbehinderten, schon recht alten) Mutter etwas Gutes tun und sie mitnehmen.
Das geht gar nicht: Meine Mutter hat mir damals Redeverbot erteilt, wurde extrem aggressiv (körperliche Gewalt) als ich, wie ich heute weiß, typische PTBS-Symptome zeigte und meinte wohl, die mir mit Prügel austreiben zu können. Ich möchte sie nicht dabeihaben, da ich a) mich nicht mehr an ihr Redeverbot halten möchte und b) Ich mich wohl ganz gut halten werde, aber sicher dünnhäutig sein werde, evtl. Flashbacks haben werde, schlechte Laune, bissel heulen und sie dann noch immer verbal aggressiv wird („reiß dich mal zusammen“).
Ein Gespräch unter vier Augen mit meinem Cousin geht nicht, bisher landete alles, was ich innerhalb der Familie äußerte, auch bei meiner Mutter. Was ich möchte: am liebsten gemeinsam mit meinem Cousin hin, aber ohne Mutter. Trennung von Tätern ist essentiell und meine Mutter ist ja zumindest täterloyal. Und wenn das eine ohne das andere nicht geht, werde ich wohl lügen müssen und allein hin, oder?

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Tobe
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Beitrag Mi., 15.03.2023, 15:11

Sehr schwierig. Ich könnte dies nicht.
Aber eigentlich wäre es meiner Meinung nach richtig und auch wichtig, einfach hinzugehen und Deine Mutter links liegen lassen, wie Luft behandeln.
Denn Deine Mutter hat nicht über Dein Leben zu bestimmen und sei es nur dadurch das Du nicht hingehen willst, weil sie auch dort sein wird.
Ich finde es schwer da etwas zu raten, weil ich selber dazu nicht in der Lage wäre.

L.G. Tobe
Haltet die Welt an, ich will aussteigen.
Wenn du den Tag wie die Nacht empfindest,
Einsamkeit mit Schicksal verbindest,
Traurigkeit dein Leben hüllt,
weisst du, wie sich meiner einer fühlt.

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candle.
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Beitrag Mi., 15.03.2023, 15:25

Hallo,

ich würde den Cousin nicht mitnehmen.
An dem Punkt verstehe ich dich wieder nicht warum er das überhaupt erfahren hat, wenn du Traumakonfrontation machen willst.

Grüsse!
candle
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Charlie Foxtrott
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Beitrag Mi., 15.03.2023, 15:43

Okay, Du meinst also, ich hätte mich bedeckter halten sollen?
Zur Erklärung: Mein alter Heimatort ist weit weg und mir ist rausgerutscht, dass ich anlässlich dieser Veranstaltung wiederkomme. Nun ja, da habe ich eine Lawine losgetreten. Fast wie im Film "Das Fest". Klar, wenn ich mich zwar stabil genug fühle, dort mit solidarischen Menschen hinzugehen, aber nicht mit (der ganzen) Familie, hätte ich wirklich nebulöser vorgehen sollen.
Ach Mensch, immer Schere im Kopf, in Therapie auf Offenheit getrimmt (aber auch auf Selbstschutz), dann wieder Mauer hochziehen müssen. Muss ich mir noch notfalls noch ne Ausrede einfallen lassen. Mich piept das so an, dass mit der Familie kein Reden ist, so lange meine Mutter lebt, auch nicht mit den solidarischen Leuten. Aber das geht ja vielen so.

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candle.
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Beitrag Mi., 15.03.2023, 15:51

Charlie Foxtrott hat geschrieben: Mi., 15.03.2023, 15:43 Okay, Du meinst also, ich hätte mich bedeckter halten sollen?
Auf jeden Fall!
Oder du kannst darüber nachdenken warum dir das rausgerutscht ist. Vielleicht war ganz unbewußt da eine Hoffnung oder ein Drang sich als Opfer sichtbar zu machen oder oder oder...
Mich piept das so an, dass mit der Familie kein Reden ist, so lange meine Mutter lebt, auch nicht mit den solidarischen Leuten.
Das ist eben das Schicksal, wenn man auseinander geht und keiner etwas erfahren soll. Das war bei mir ja auch ein gutes Jahrzehnt so, dass ich gar keinen Kontakt mehr gesucht habe zu mir lieben Leuten, einfach weil sie Kontakt zu den Eltern haben und darüber reden.

candle
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Charlie Foxtrott
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Beitrag Mi., 15.03.2023, 16:01

candle. hat geschrieben: Mi., 15.03.2023, 15:51 Vielleicht war ganz unbewußt da eine Hoffnung oder ein Drang sich als Opfer sichtbar zu machen oder oder oder...
Warum unbewusst? Ich habe gerade im Opferhilfeforum vom Weißen Ring über die in den Bistümern Betroffenen gelesen und mit welchem Mut, mit welcher Ausdauer die an die Öffentlichkeit gegangen sind. Davon war ich inspiriert. Brauchts nat. viel Gesundheit und gutes Abwägen, ob man das durchstehen will.

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chrysokoll
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Beitrag Mi., 15.03.2023, 16:07

du könntest auch bewusst die Schweigemauer durchbrechen und deiner Mutter klipp und klar sagen dass du das nicht mehr mitmachst und deswegen erstens eine Therapie machst und zweitens mit Cousin xy sprichst und dahin gehst und sie nicht dabei haben willst.
Und dem Cousin das ebenso kommunizieren.
Das erfordert Mut und Härte, nur du kannst entscheiden ob das für dich passt, aber es ist eine Möglichkeit.
Ansonsten überleg ob du da allein hingehst

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candle.
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Beitrag Mi., 15.03.2023, 16:08

Charlie Foxtrott hat geschrieben: Mi., 15.03.2023, 16:01 Warum unbewusst? Ich habe gerade im Opferhilfeforum vom Weißen Ring über die in den Bistümern Betroffenen gelesen und mit welchem Mut, mit welcher Ausdauer die an die Öffentlichkeit gegangen sind. Davon war ich inspiriert. Brauchts nat. viel Gesundheit und gutes Abwägen, ob man das durchstehen will.
Bist du so eine Betroffene?

Naja, ich sehe das schon unterschiedlich, ob du in der Masse gegen eine Institution vorgehst oder gehst alleine gegen deine Eltern vor. Und letztlich bekommst du noch weniger oder besser gesagt gar keine Hilfe, wenn du Opfer in deiner Herkunftsfamilie wirst. Das mußt du alles alleine aushalten und durch... ich habe da mal mit dem Weißen Ring gesprochen, das werde ich mir sicher nicht wieder antun! :kopfschuettel:

candle
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Charlie Foxtrott
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Beitrag Mi., 15.03.2023, 16:24

chrysokoll hat geschrieben: Mi., 15.03.2023, 16:07 du könntest auch bewusst die Schweigemauer durchbrechen ...
Das erfordert Mut und Härte, nur du kannst entscheiden ob das für dich passt
Tja, ob dieses Selbtsicherheitstraining meinen Kräften angemessen ist, kann wirklich nur ich entscheiden. Aber (mit Euch) drüber reden hilft mir dabei.
Bist du so eine Betroffene?
Tat = in Institution, unsolidarisch = meine Mutter, Rest der Familie zum Glück neutral
ich habe da mal mit dem Weißen Ring gesprochen, das werde ich mir sicher nicht wieder antun! :kopfschuettel:
Warum? Wegen des Weißen Rings oder weil die Dir die Konsequenzen darlegten? Mein Thera hatte mich mal hingeschickt, aber ich habe ne blöde Antwort bekommen und bekam, trotz Zusage, nie einen Termin.

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candle.
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Beitrag Mi., 15.03.2023, 16:32

Es ist eben eine andere Sache, ob du deine Mutter alleine verklagst oder eine Institution wo es viele Opfer und Menschen mit den gleichen Erfahrungen gibt als Stütze.

So ist deine Situation doch völlig anders als meine. Und die Mauer des Schweigens ist ja schon gebrochen als diese Taten an die Öffentlichkeit kamen, von daher wird deine Mutter das ja auch mitbekommen haben. Und mit ihr darüber reden wird wohl nichts bringen.
Heißt für mich in deiner Situation: Nehme sie alle mit oder mache es alleine.

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Sydney-b
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Beitrag Mi., 15.03.2023, 19:17

Für mich wäre das mit deinem Hintergrund zur Zeit noch alles viel zu stressig.
Deshalb würde ich auf diese Kulturveranstaltung verzichten.
Dem Cousin also mitteilen, dass du es dir anders überlegt hast/ doch keine Zeit oder Lust auf diese Veranstaltung hast.

(Mit dem Hintergrund, dass du deinen Cousin zur Zeit noch nicht einweihen möchtest und gleichzeitig keinen Kontakt zu deiner Mutter möchtest)

Es wird dort sicherlich in naher Zukunft noch andere interessante Veranstaltungen stattfinden, zu denen du dann gehen kannst.
Ohne davor jemanden von deiner Familie davon zu erzählen.
Dann hast du deine Ruhe und kannst die Veranstaltung viel mehr genießen.

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Gespensterkind
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Beitrag Do., 16.03.2023, 06:39

Ich schließe mich dem an. Ich würde in diesem Fall - so wie Du es beschreibst - die Veranstaltung absagen und nicht hingehen, sondern ein anderes Mal. Konfrontationsübungen am Tatort sind ja okay, wenn man das möchte, aber man sollte sich "drum herum" ein sicheres Umfeld schaffen, sprich, nicht den Stress, dem man sich dort aussetzt zusätzlich erhöhen durch die "falschen anwesenden Personen". Die Konfrontation mit Deiner Mutter, das wäre ein ganz anderes Thema. Ich würde es daher schrittweise machen, das ist ja auch der Sinn einer Konfrontation: scheibchenweise die Belastung erhöhen. Erst Veranstaltung am ehemaligen Tatort besuchen mit Personen, die Dir gut tun.
Was Du dann überhaupt oder später mit Deiner Mutter zusammen machen möchtest, kannst Du dann immer noch überlegen.

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Hasenmaus123
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Beitrag Do., 16.03.2023, 11:24

Du bezeichnest deinen Cousin als solidarisch, obwohl er alles an deine Mutter weiterquatscht? Solidarität ist was anderes.

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Do., 16.03.2023, 11:57

Seht Ihr, darüber reden hilft: Entweder ich trumpfe gegenüber meiner Mutter auf: "Halt die Klappe, meine Vergangenheit definiere ich und ich rede, über was ich will." :evil: Oder, wenn ich dazu nicht stark genug bin, wird es eine Reinszenierung des Redeverbots von damals und damit Retraumatisierung.
Bin ich stark genug, wirds ein weiterer Sieg. :-P
Aber ich gehe dahin, seit Jahren schiebe ich das auf und ich WILL das, war ja auch schon mehrmals erfolgreich am Tatort, s.o. Ohne family traue ich mir das ohne weiteres zu. Notfalls gehe ich eben heimlich. Stimmt, schließlich rede ich ja in der Familie auch nicht über meinen Beziehungsstatus oder mein Christsein, weil dann abwertende Bemerkungen kommen.
Schade nur, dass alle, die prinzipiell solidarisch sind, aber eben nur via Mutter mit mir kommunizieren, herausfallen.
Bin ich eben, dank Euch, um eine Illusion ärmer. :!!:

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Fr., 17.03.2023, 14:41

Liebe Leute,
Ihr habt mich erst darauf gebracht, dass meine Herkunftsfamilie, obwohl die Tat außerhalb stattfand, viele Merkmale einer MB-Familie aufweist: Redeverbot, Bollwerksmentalität, Heimlichtuerei, Tochter wird durch Mutter nicht geschützt, ist aber für deren Wohlergehen verantwortlich. Das eine ist eine Expositionsübung, das andere eine Abgrenzungsübung. Sollte nicht vermischt werden und potenziert dazu noch das Stresslevel.
Eure Beiträge in dem Thread hier viewtopic.php?t=46311&start=15 haben mir sehr geholfen.
peponi:
Und ich möchte auch nicht beispielsweise einer Nachbarin beim Therapeuten über den Weg laufen, vielleicht nach einer heftigen Stunde, nach der ich körperlich und psychisch aufgelöst und durch den Wind bin.
Stimmt, ich gehe ja auch nicht nach einer heftigen Konfrontationsübung zur Mutti zum Kaffeetrinken und tue, als ob die Welt in Ordnung ist. Gern würde ich mich von einem solidarischen Menschen abholen lassen, aber wenn der die Mama im Schlepptau hat, gehts nun mal nicht.
shukria
Ich hab immer noch das Gefühl was „verbotenes“ zu tun indem ich zur Therapie gehe, einfach weil sich Unterstützung holen früher für mich von Seiten meiner Eltern wirklich verboten war, wird mir gerade klar.
Du sagst es!

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