Selbstwertschätzung statt Selbstabwertung

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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Fabulus6812
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Selbstwertschätzung statt Selbstabwertung

Beitrag Do., 09.05.2024, 09:11

Hallo liebe Leser,

um mich auf diesem Forum vorzustellen, habe ich eine soziale Angststörung und bin in Therapie. Ich habe bereits viel in den letzten Monaten dazu gelernt und gehe viel mehr auf meine Bedürfnisse ein, was davor nicht der Fall war. Doch es gab vor kurzem einen Punkt, wo ich mir selbst eingestehen musste, dass ich zu viel tat.

Ich habe bemerkt, dass ich meine Bedürfnisse aus einem Mangelzustand erfülle, weil ich denke, dass ich sie erfüllen muss, um nach außen gut genug zu sein. Anfangs tat ich das für mich, um für mich zu sorgen, doch ich habe den unbewussten Drang, dass mich andere akzeptieren und anerkennen müssen, damit ich mich gut genug fühle.

Wie wenn ich beispielsweise "endlich selbstverantwortlich" werde, indem ich mir Kleidung kaufe, obwohl ich in allen anderen Bedürfnissen viel für mich mache und für mich sorge. Meine Psychotherapeutin und ich haben hierbei herausgefunden, dass ich durch bestimmte "Denkfehler" kleine Fehler an mir so ablehne, dass ich nicht mehr sehe, was ich bereits geschafft habe.

Dann habe erkannt, dass ich meinen Selbstwert stark durch meine Leistung, wie andere mich behandeln und meine Außenwirkung definiere. Denn sonst fühle ich mich nicht gut genug. Ich habe über die Gefahren von Selbstoptimierung gelesen, und war erstmal sehr erschrocken darüber, dass ich dazu tendiere, in ein extremes Verhalten reinzurutschen, was mich sogar zum Burnout führen kann.
Ich habe auch erkannt, dass Mittelmäßigkeit auch okay ist, als ich nach den Artikel gelesen habe, und möchte mich mehr wertschätzen und die Beziehung zu mir selbst neu angehen. Es hängt auch eng verbunden mit dem Selbstwert zusammen.

Deswegen wollte ich fragen, ob jemand weiß, wie ich mit mir besser umgehen kann und mich von der Bewertung anderer Menschen distanzieren kann. Ich habe mir bereits Gedanken meines inneren Kritikers aufgeschrieben, und ein paar Sätze hinterfragt und umgeformt und bin mir bewusst, dass dies ein längerer Weg wird, bis ich mich wirklich annehmen kann.

Vllt hat jemand eine Idee, wie ich mich grundlegend gegenüber mir verhalten kann, um für mich selbst da zu sein und nicht für die Meinung der anderen, sowie mehr und wahrhaftig meine kleinen Erfolge im Leben zu feiern.

Ich danke Euch vom ganzen Herzen.
Viele Grüße
Fabulus

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caduta
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Beitrag Do., 09.05.2024, 09:56

Hallo Faulus,
du könntest vielleicht anfangen jeden Abend für dich aufzuschreiben, was du heute gut gemacht hast und gleichzeitig, was du dir für den nächsten Tag positives vornehmen möchtest.
Ich finde schreiben sehr hilfreich, weil dann die Erfolge sichtbar werden und nicht einfach unbemerkt verschwinden.
caduta

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Louna
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Beitrag Do., 09.05.2024, 11:11

Ich finde auch Schreiben, also Aufschreiben sehr sehr gut.
Wenn Du für Dich sehen kannst was Du geschafft hast, sei es noch so mini. So steht es auf Papier und Du kannst es immer und immer wieder lesen.
Ich drücke vieles in Bastelsachen aus. Da sehe ich was ich geschafft habe und wenn es gut aussieht (für mich) dann gebe ich dem einen Namen und schreibe dazu mein Innerstes auf. Das hilft mir sehr sehr gut.
Mit Naturmaterialien kann sowas ganz nett aussehen, aber das ist ja nicht jedermanns Sache.

Manchmal schreibe ich auch Texte und lese diese in der Therapie vor und wir sprechen darüber, das fällt mir leichter, als so zu erzählen, weil ich mir vorher Gedanken gemacht habe.

Du selbst musst und sollst auch mit Dir zurecht kommen, da haben Außenstehende nichts zu suchen, denn es ist Dein Leben. Egal ob Du bunt herum läufst oder in schwarz, ob Du Hula Hoop machst oder durch die gegen springst, Dir muss es gefallen und mir ist schon lange egal was die Anderen denken könnten. Und wenn ich eben den ganzen Tag mit meinem Plüschtier draußen rum laufe, Roller fahre oder durch das Laub tanze, ich finds schön.

Ich wünsche Dir dass Du da auch hin kommst.
Alles Liebe.

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 09.05.2024, 12:35

Ich denke der Schlüssel dazu daran was zu verändern ist sich selbst weniger ernst und mit mehr Humor zu nehmen.

Weil der sogenannte "Selbstwert" aufgrund von Dingen die du kannst ist ja auch nur wieder ein künstliches Konstrukt, genau wie die Selbstabwertung aufgrund dessen was du (angeblich) nicht kannst.

Nach dem Schema, Selbstwert auf Basis von Leistung dürfte ja zB ein Mensch der eine geistige Behinderung oder sonstige schwere Behinderung hat überaupt keinen Selbstwert haben.

Es gibt da den Spruch, "Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich völlig ungeniert". Da ist was dran.

Der Schlüssel zu einem zufriedenen Leben ist nicht endlich die Leistung erfüllen zu können von der man sich vorstellt dass man sie leisten muss, sondern der Schlüssel dazu ist, mit den endlosen Beurteilungen aufzuhören weil nur dann kann man in Frieden und Zufriedenheit leben. Und Humor, es nicht so ernst zu nehmen, über das ganze im Grunde lächerliche Treiben lachen können ist da der Schlüssel dazu. Und die beste Waffe im Kampf gegen die Verbissenheit und Gnadenlosigkeit der ganzen Leistungsansprüche. Also schick die mentale GESTAPO in Rente damit du endlich in Frieden leben kannst.

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Fabulus6812
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Beitrag Do., 09.05.2024, 13:22

Hey Ihr Lieben.
Vielen Dank für Eure ausführlichen und hilfreichen Antworten. :) hat mich echt positiv überrascht. Ich glaube auch, da ich viel schreibe, dass es mich noch länger begleiten wird. Danke caduta und Louna für die Motivation, da weiterzumachen. Ich führe tatsächlich bereits eine Art Erfolgsbuch und es hilft, die kleinen Erfolge überhaupt zu sehen. Und münchnerkindl, ich danke dir ebenfalls, dass du mir gezeigt hast, dass es nicht alles im Leben ist, etwas zu tun. Es fällt mir etwas schwer, das in mir aufzunehmen, doch ich nehme mir deine Worte sehr zu Herzen. Das bedeutet mir viel, dass ihr mich darauf hingewiesen habt.

Irgendwie habe ich das Gefühl, Lob nicht annehmen zu können, weder von anderen noch von mir. Als mir mein Freund ein Kompliment gemacht hat, und gesagt hat, dass er es nicht nur sagt, weil ich seine Freundin bin, musste ich echt weinen, weil mich das so berührt hat. Ich denke sonst, dass all die Worte einfach nur "Gelaber" sind, was ich nicht ernst nehmen kann. Irgendwie glaube ich, dass ich zu hart zu mir bin. Was macht ihr eigentlich, wenn ihr Erfolge feiert? Kann ich mich von Euch inspirieren lassen?

Ich denke, etwas zu machen, was einem Spaß macht, könnte eine Art Feiern sein. Oder dass man sich etwas gönnt und sich selbst etwas mit Liebe macht. Ein Erlebnis zu schaffen vllt auch unabhängig von Erfolg, um sich einfach etwas Gutes zu tun.

Was meint ihr? :)

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Fabulus6812
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Beitrag Do., 09.05.2024, 13:32

"Es gibt da den Spruch, "Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich völlig ungeniert". Da ist was dran."

Hey, ich habe gerade darüber nachgedacht, aber bin mir nicht sicher, ob sich das auf das eigene Ideal bezieht oder doch auf etwas anderes. Also wenn ich in diesem Fall mein Ideal nicht mehr verfolge bezogen auf meine Leistung, weil es nicht mehr mein Ideal ist, kann ich mich davon befreien?

Ich denke, den Selbstwert neu zu definieren ist ein weiterer Schritt. Den mache ich dann mit meiner Psychotherapeutin. Irgendwie hindert mich auch mein Perfektionismus bezogen auf die innere Arbeit und treibt mich an, etwas schnell und gut zu machen, obwohl alles ein tiefgehender Prozess ist, der nicht von heut auf morgen geht. Ich nehme es mal so an wie es ist.

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 09.05.2024, 13:44

Fabulus6812 hat geschrieben: Do., 09.05.2024, 13:32 Hey, ich habe gerade darüber nachgedacht, aber bin mir nicht sicher, ob sich das auf das eigene Ideal bezieht oder doch auf etwas anderes. Also wenn ich in diesem Fall mein Ideal nicht mehr verfolge bezogen auf meine Leistung, weil es nicht mehr mein Ideal ist, kann ich mich davon befreien?
Ich denke du musst den Wunsch nach Leistung bzw einem Erfolg in einem Bereich von deiner Selbstwertgenerierung abtrennen. Klar ist es sinnvoll, wenn du eine Ausbildung machst, ein Projekt in deiner Arbeit bearbeitest oder auch nur wenn du einen Pulli strickst das Streben zu haben das gut zu machen.
Was nicht sinnvoll ist, ist deinen Wert als Mensch und dein inneres Wohlbefinden von dem Erfolg oder Misserfolg dabei abhängig zu machen.
Fabulus6812 hat geschrieben: Do., 09.05.2024, 13:32 Irgendwie hindert mich auch mein Perfektionismus bezogen auf die innere Arbeit und treibt mich an, etwas schnell und gut zu machen, obwohl alles ein tiefgehender Prozess ist, der nicht von heut auf morgen geht. Ich nehme es mal so an wie es ist.
Wie gesagt, es ist ja nicht das Problem eine gute Note haben zu wollen, in der Arbeit ein Projekt besonders gut zu machen oder einen besonders perfekt gelungenen Pulli stricken zu wollen. Wir würden heute noch nackt auf Bäumen sitzen wenn nicht irgendwann irgendein Vorfahr von uns den Ehrgeiz gehabt hätte besonders gute, effektive Steinwerkzeuge herzustellen. Oder meinst du es gäbe Beethoven Symphonien, Bilder von Rembrandt, das SR71 Flugzeug wenn da nicht jemand ernsthaft Antrieb und Ehrgeiz gehabt und massiv dafür gearbeitet hätte. Nach den eigenen persönlichen Möglichkeiten eine gute Arbeit abliefern wollen ist nicht das Problem.

Das Problem ist, den Wert als Mensch an dieser Leistung oder Nichtleistung zu definieren.

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Fabulus6812
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Beitrag Do., 09.05.2024, 14:18

Hallo münchnerkindl,

jetzt verstehe ich, was du meinst. Danke für deine Erklärung.

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Beitrag Do., 09.05.2024, 18:30

Fabulus6812 hat geschrieben: Do., 09.05.2024, 09:11 Vllt hat jemand eine Idee, wie ich mich grundlegend gegenüber mir verhalten kann, um für mich selbst da zu sein und nicht für die Meinung der anderen, sowie mehr und wahrhaftig meine kleinen Erfolge im Leben zu feiern.
Ich finde, wenn man seine Therapieziel ganz klar definieren kann, so wie du dort geschrieben hast, ist das das wichtigste. So wie du schreibst, bist du ein intelligenter Mensch denke ich. Und du wirst deinen ganz persönlichen Weg gehen und deine Lösungen dafür finden. Ich denke, wenn einem das Ziel ganz klar ist, stößt man fast automatisch eine Entwicklung in diese Richtung an. Manchmal in so kleinen Schritten, dass es einem manchmal gar nicht bewusst ist.

Also mir hat zum Beispiel so für den Übergang geholfen mich selbst zu betrachten wie einen sehr guten Freund und mich dann innerlich so zu behandeln.

Generell zu anderen Menschen, vllt etwas offtopic, vllt auch nicht:
Ich kann mich mittlerweile ganz gut von anderen Menschen abgrenzen. Es gibt ja viele Menschen, die sehr judgy sind, also andere ständig ungefragt negativ bewerten müssen. Letztendlich sagt das eigentlich immer nur etwas über den Menschen aus, der das macht. Diese Menschen fühlen sich innerlich klein, minderwertig, schwach etc. und werten dann andere ab, um sich selbst aufzuwerten. Solche Kommentare sagen also etwas über die Person aus, die sie äußern. Ich finde die Anwesenheit von diesen judgy Menschen auch sehr unangenehm und distanziere mich nicht nur innerlich, sondern auch räumlich. Verbanne sie aus meinem Leben. Ich finde es echt gestört, wie judgy die Leute geworden sind. Das so viel denken, sie hätten irgendein Recht sich in das Leben anderer einzumischen, andere respektlos zu behandeln, beleidigen, aberwerten.... und dann sagen: "Man wird doch wohl seine Meinung sagen dürfen." Ich beobachte zumindest das so. Vielleicht auch weil viele online unterwegs sind und man ja überall anonym Kommentare hinterlassen kann und sie das ins real life übertragen.
Außerdem mag ich es nicht, wenn Menschen ungefragt ihre Meinung zu mir äußern. Da hat niemand das Recht zu. Wenn ich eine Meinung, Ansichten, Bewertungen hören möchte, frage ich wirkliche Freunde, Familie, die das mit Respekt rüberbringen. Die Meinung, Ansichten von Menschen, die ich nicht kenne, sind uninteressant und ich mag solche Menschen auch nicht, die einem sowas unempathisch ins Gesicht knallen. Also ich erwarte von meinen Mitmenschen ein gewisses Empathielevel und emotionale Intelligenz. Und wer das nicht so hat, der ist einfach nicht gut für mich.
Was ich wirklich schwierig finde, ist, dass man ja auch nicht alles negative auf sich beziehen sollte. Wenn mal einer einen schlechten Tag hat, hat das ja oft nichts mit einem selbst zu tun. Ich neige dazu, sowas auf mich zu beziehen. Manchmal wenn möglich hilft darüber reden oder sich bewusst machen, dass man nicht der Mittelpunkt des Universum ist und man den meisten Menschen ist mal relativ egal.

Und Lob und Anerkennung möchte jeder.
Ich habe mir angewöhnt smzu arbeiten, so zu sein, so zu leben, dass ich einfach mit mir zufrieden bin. Und mir auch bewusst zu machen, wenn ich was gemacht, geschafft habe. Also auch so Kleinigkeitem, sich selbst zu belohnen, loben ... macht irgendwann automatisch unabhängig von anderen. Und schafft so eine innere Ruhe irgendwie.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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Fabulus6812
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Beitrag Do., 09.05.2024, 19:52

Hey ~~~,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort.

Ich kann echt viel aus deiner Nachricht mitnehmen. Vor allem sich selbst zu sehen und zu loben, wenn man etwas geschafft hat, ist etwas, was ich lernen darf. Auch der erste Punkt, sich wie einen Freund zu behandeln, ist sehr interessant. Ich denke, man könnte diesen Punkt in viele kleine Unterpunkte unterteilen, in denen man zu sich selbst freundlich sein kann. Wie in Situationen, in denen man nicht weiterweiß; Situationen, in denen man abgelehnt wird; Situationen, in denen man sich schlecht fühlt; Situationen, in denen man sich selbst helfen kann also - Unterstützung und Motivation braucht. Ich finde es faszinierend, dass man selbst das Leben erlebt und gleichzeitig der eigene Begleiter ist. Nur der Unterschied ist, dass man auch ein freundlicher Begleiter seines Lebens sein kann, der einen wie einen besten Freund begleitet - einen an der Hand nimmt. Darüber habe ich nur gelegentlich nachgedacht, aber noch nie so umfassend, wie jetzt. Ich denke, ich werde mir mehr Gedanken darüber machen.

Ich danke dir, wer immer du bist, der mir diese hilfreiche Nachricht geschrieben hat, und wünsche dir noch einen schönen Abend :)

Liebe Grüße
Fabulus

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