Psycho-Deutsch für Anfänger

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.
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Anfänger
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Psycho-Deutsch für Anfänger

Beitrag Do., 02.04.2009, 19:16

Was heisst...

... "bei sich" sein?

... ein Gefühl "zulassen"?

... sich "erden"?

... sich "fallen lassen"?

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Laura13
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Beitrag Do., 02.04.2009, 19:21

bei sich sein: in dich reinspüren/ fühlen was in dir vorgeht

ein Gefühl zulassen: das primäre Gefühl, das du hast, nicht verdrängen oder durch ein anderes ersetzen, sondern es eben mal so richtig hochkommen lassen

sich erden: runter kommen, zu dir selbst finden, entspannen...

sich fallen lassen: alles völlig loslassen, was du denkst...dich nur deinen momentanen Gefühlen hingeben...ähnlich wie beim Sex eben.
Die Nacht holt heimlich durch des Vorhangs Falten
aus deinem Haar vergeßnen Sonnenschein.
Schau, ich will nichts, als deine Hände halten
und still und gut und voller Frieden sein.

Rainer Maria Rilke

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rainyday
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Beitrag Do., 02.04.2009, 19:42

"Bei sich sein" würde ich eher definieren als "mit sich selbst im Einklang sein".
Would he walk upon the water
If he couldn't walk away?
And would you carry the torch for me?

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Laura13
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Beitrag Do., 02.04.2009, 19:49

hallo rainyday(süßer nick)

Mein Thera fragt das halt immer dann, wenn er in einer betsimmten Situation meine aktuellen Gefühle wissen will oder eben möchte, dass ich sie mir bewusst mache. Also z.b. "Bleiben Sie mal bei sich. Was fühlen die? Welches Gefühl steht jetzt im Moment im Vordergrund."

Ich dachte halt, die Frage bezieht sich eher auf Therapiegespräch.(?)
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Sunday
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Beitrag Mo., 06.04.2009, 12:08

hallo anfänger?
wer hat diese formulierungen dir gegenüber denn verwendet?
klingt, wie laura13 es interpretiert, auch für mich nach therapeuten-deutsch

ich wurde in therapie auch immer wieder mit solchen fragen gepiesakt... zB "bleiben sie bei diesem gedanken, wie geht es ihnen dabei?" usw usw

ich glaub, es geht darum sich seiner eigenen gedanken bewusst zu werden. bei mir war es jedenfalls so, daß ich schon verlernt hatte, zu erspüren, wie es mir eigentlich gerade geht und was ich fühle.

auch wenn man anfangs mit solch mysteriösen fragen nicht viel anfangen kann - man kommt rein, desto öfter man gefragt wird und darüber nachdenkt.

manchmal denk ich mir auch heute noch, daß ich gerade nicht weiß, was ich auf eine solche frage antworten soll, wie ich sie verstehen soll... ich sag dann einfach irgendwas - und erstaunlicherweise passt das dann oft.

hoff, du kannst mit meinen etwas wirren überlegungen etwas anfangen.
lg, sunday

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Beitrag Mo., 06.04.2009, 18:52

Das sind Formulierungen die mir auf Psychoseiten im Internet und teilweise bei Bekannten, die Therapie gemacht haben, untergekommen sind. Mein Thera hat davon bis jetzt eigentlich nur "sich fallen lassen" verwendet (und ja, es ging um Sex). Aber keine Angst, inzwischen hab ich schon eingesehen, dass er mich bei dem Thema wohl kaum coachen kann... Er hat es mir übrigens mit "geschehen lassen" definiert.

Ich wollte mit dem Thread testen, ob im Forum über den Sinngehalt dieser Formulierungen Einigkeit herrscht, oder ob (wie von mir vermutet) jeder was anderes darunter versteht. Bin halt ein alter Skeptiker.

Beim "Gefühle zulassen" verstehe ich den Sinn am wenigsten: Verdrängen ist ja ein unbewusster Vorgang, also wenn ich das Gefühl verdränge dann komm ich ja gar nicht in die Verlegenheit, es "zulassen" zu können. Umgekehrt, wenn ich es nicht verdränge und als Gefühl wahrnehme, dann habe ich es ja bereits "zugelassen", oder nicht? Für mich wird mit der Formulierung irgendwie eine bewusste Wahlmöglichkeit suggeriert, die es in Wirklichkeit nicht gibt. (Zumindest meiner Erfahrung nach nicht.)

"Bei sich sein" stellt wohl für manche ein Therapieziel dar. Wahrscheinlich im Sinn von "zu der eigenen Wahrnehmung/den eigenen Gefühlen stehen, sich keine fremde Sichtweise aufzwingen lassen". Aber ich kann mich auch irren. "Sich verlieren" habe ich auch schon gehört, wäre das das Gegenteil von "bei sich sein"?

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Laura13
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Beitrag Mo., 06.04.2009, 19:07

Hallo Anfänger,

sich verlieren...ist meiner Meinung nach, sich selbst aus den Augen zu verlieren, also Bedürfnisse von anderen höher als meine eigenen anzustellen und mich darüber zu vergessen.

andere Bedeutung wäre: Angst haben, sich fallen zu lassen, WEIL man sich glaubt zu verlieren, sich sozusagen aufzulösen, vom anderen erdrückt zu werden.....ist aber nur meine persönliche Ansicht!

Gefühle verdrängen ist ein schwieriges Thema.
Du kannst Gefühle aus dem Unterbewusstsein holen, sie zulassen und dann mit ihnen arbeiten. Aber, ich glaube mit dem Gefühle verdrängen und zulassen im therapeutischen Sinn ist eher gemeint, dass du ein gerade hochkommendes Gefühl nicht gleich wieder wegschiebst, also nicht wieder versuchst es zu verdrängen, sondern es versuchst auszuhalten und eben da zu lassen, also zulassen eben.
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Rainer Maria Rilke

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iontop
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Beitrag Mo., 06.04.2009, 19:12

hi,

finde diesen thread ganz interessant... dachte, ich schreib auch mal was dazu.

also, ich mach seit 3 monaten therapie. mein thera benutzte bisher "sich fallen lassen" (in bezug auf die therapie und ihn) und "gefühle zulassen" (ist bei mir ein zentrales thema... gefühle zu schlimmen dingen überhaupt erst mal zu haben und sie dann zuzulassen).
Verdrängen ist ja ein unbewusster Vorgang, also wenn ich das Gefühl verdränge dann komm ich ja gar nicht in die Verlegenheit, es "zulassen" zu können.

das seh ich nicht ganz so.... zumindest bei mir ist Verdrängen nicht immer unbewusst. allgemein gesprochen sicher (dass man im laufe seines lebens dinge verdrängt oder so), aber wenn ich in einer konkreten situation ein gefühl hochkommen spüre, das ich in dem moment nicht aushalten würde (ist mir in der therapiestunde schon passiert), dann verdränge ich es anstatt es zuzulassen und mich dem voll hinzugeben.... weil ich nicht weiß, was mit mir passieren würde. das ist bei mir ziemlich wichtig, weil ich die intensität meiner einegrabenen gefühle (noch) nicht aushalten würde, das muss langsam passieren... so gesehen steuere ich das schon ein bisschen.
Für mich wird mit der Formulierung irgendwie eine bewusste Wahlmöglichkeit suggeriert, die es in Wirklichkeit nicht gibt. (Zumindest meiner Erfahrung nach nicht.)
ich find eben schon, dass es diese wahlmöglichkeit gibt (nicht immer und nicht bei jedem gefühl... aber es gibt sie durchaus.)
Sich verlieren" habe ich auch schon gehört, wäre das das Gegenteil von "bei sich sein"?
mmmh... gute frage.
"bei sich sein" ist irgendwie ein ziemlich individueller begriff, finde ich. das kann vieles heißen. für mich heißt es "mit sich selbst und mit seinen gefühlen im reinen zu sein". wenn ich ganz bei mir bin, bin ich ruhig und gelassen, nicht angespannt oder aufgeregt, nervös usw.... einfach ruhig.

lg
Omnia vincit amor.
-Vergil-

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MariaH
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Beitrag Mo., 27.07.2009, 05:48

Anfänger hat geschrieben: Beim "Gefühle zulassen" verstehe ich den Sinn am wenigsten: Verdrängen ist ja ein unbewusster Vorgang, also wenn ich das Gefühl verdränge dann komm ich ja gar nicht in die Verlegenheit, es "zulassen" zu können. Umgekehrt, wenn ich es nicht verdränge und als Gefühl wahrnehme, dann habe ich es ja bereits "zugelassen", oder nicht? Für mich wird mit der Formulierung irgendwie eine bewusste Wahlmöglichkeit suggeriert, die es in Wirklichkeit nicht gibt. (Zumindest meiner Erfahrung nach nicht.)
ist zwar schon was älter aber wollte doch mal was dazu sagen. ich glaube zunächst muss man sich ja die verdrängung bewusst machen und das geht schon. also oft hat man dann einfach einen dringenden impuls - zumindest bei mir so wie zum beispiel: ich muss hier weg"
aber dann muss ich rausfinden welches gefühl mir da zu schaffen macht - und oft fehlt es an worten und eindeutigkeiten, es lässt sich nicht zuordnen.
das ist richtig harte arbeit und kann man so gar nicht mal eben machen. also gefühle zulassen wäre meiner meinung nach ein weiteres therapieziel.
aber das ist bei mir so.
kannst du denn gefühle benennen und wahrnehmen?

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Carla1
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Beitrag Mo., 27.07.2009, 12:07

Nee, also mit diesem Psycho-Deutsch kann ich auch absolut nichts anfangen.

Fehlt noch mein Lieblingsspruch: Man kann "sich fallen lassen", weil der Thera einen dann ja "auffängt". Bitte???

Da weiss ich echt nicht, ob ich mich totlachen oder lieber ganz schnell das Weite suchen soll

Frag mich, warum die nicht ganz normal Deutsch sprechen können.

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MariaH
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Beitrag Mo., 27.07.2009, 23:06

bedrohlich ist auch so ein wort...

naja vielleicht müssen sie so verschraubt reden um distanz zu wahren?

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Pitt
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Beitrag Mo., 27.07.2009, 23:36

Wo es von Langenscheidt nur schon fast ein Dutzend Übersetzungbücher gibt, von Deutsch-Arzt/Arzt-Deusch bis Deutsch-Hund/Hund-Deutsch wäre es an der Zeit für das Büchlein Deutsch-Psychologe/Psychologe-Deutsch.
Lg
Pitt

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Carla1
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Beitrag Di., 28.07.2009, 00:09

MariaH hat geschrieben: naja vielleicht müssen sie so verschraubt reden um distanz zu wahren?
Distanz???

Meiner Meinung nach sollten sie lieber so reden, dass Klient auch versteht, was sie von ihm wollen.

"Lass dich fallen! Ich fang dich auf!" passt in einen Kletterkurs, aber nicht in eine PT-Sitzung

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Nurse_with_wound
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Beitrag Sa., 30.01.2010, 02:40

mich wuerden eher die hunderte Fremdwoerter interessieren.

Ich habe mal bei Wikipedia einen Artikel ueber einen psychologischen Begriff A gelesen, es kamen haufen Fremdausdruecke B C und D vor, die ich selbstverstaendlich angeklickt habe, und in den Artikeln ueber die Begrifflichkeiten (die zur Erklaerung des Begriffes A beitragen sollten) kamen wieder 50 Ausdruecke vor, bei denen ich mir gar nichts vorstellen konnte.
Finde das schrecklich, dass das Wissen in dieser "Volksenzyklopedie" und kollektive Intelligenz so unzugaenglich gemacht werden, vermutlich von irgendwelchen Doktoren die diese Artikel verfasst haben und zu doof sind komplizierte Dinge einfach auszudruecken.
Ich glaube ich werde hier mal ordentlich spammen wenn ich wieder was bei Wikipedia lese

Zum Beispiel:
schon allein der Artikel ist fuer einen Anfaenger herrlich unverstaendlich http://de.wikipedia.org/wiki/Verhaltenstherapie
Kognitive Ansätze der VT basieren auf kognitiven Theorien des Verhaltens. Ein Individuum interpretiert und transformiert aktiv Informationen (Umgebungsreize) und strukturiert die Erfahrungen (Ordnen und Bewerten der Realität). Kognitionen beeinflussen als transformierte Reize das Verhalten

was sind bitte "kognitiven Theorien des Verhaltens"? und was bedeutet in dem Zusammenhang "das Individuum transformiert" ?

Ich weiss was einzelne Woerter bedeuten, kann mir aber schwer vorstellen was sie in Zusammenhaengen bedeuten.
Practice what you preach

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schmetterling.1983
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Beitrag Sa., 30.01.2010, 11:48

das Individuum transformiert
Individuum kommt von individuell, anders als andere, sich abgrenzend, einzeln, zB.: ein Mensch (irgendeiner, denn jeder ist ja einzigartig).
transformiert bedeutet so viel wie umwandeln.
...also würde ich sagen, der Mensch wandelt etwas um....
kognitiven Theorien des Verhaltens
unter kognitiv verstehe ich nach meiner Recherche das denkend betreffend bzw. erkennend(egal wie, durch riechen, ...Wahrnehmung bewusst oder unbewusst).

zusammenfassend würde ich also folgendes verstehen:

Die das Denken betreffenden Herangehensweisen der VT sind den erkenntnismäßigen/geistigen Theorien des Verhaltens zu Grunde liegend.
Ein Mensch deutet und wandelt Informationen (zB. Umgebungsreize) wirksam um, ordnet die Erfahrungen. Gedanken (/Überzeugungen / Vorstellungen) beeinflussen als umgewandelte Reize das Verhalten.

heißt für mich soviel wie:
Verhaltenstherapie beruht auf der Annahme der im Kopf ablaufenden Handlungsweise.--> also das man Dinge therapeutisch behandeln kann, indem man etwas erlernt?
Man erkennt und versteht Dinge und ordnet die für sich selbst so zu, dass man was damit anfangen kann. Diese Sachen beeinflussen einen dann im Verhalten...

anders gesagt?....
Satz 1 (Themaidee:), da steht Dr. Arzt, der denkt sich wenn ich jetzt Situation x mache wird meine Versuchsperson etwas erleben und das nä. mal etwas daraus gelernt haben, dass ihr hilft schneller und besser darauf angemessen zu reagieren. (Ich gehe davon aus, dass der Arzt dann während des Experiments diverse Techniken anwendet um die erlernte Sache positiv zu gestalten und nicht negativ)
Satz 2 (Erklärung am Beispiel:), Die Person kann die Situation erfahren und wird so denken und darauf handeln, wie Dr. Arzt es vorrausgesagt hat.
Satz 3 (Schlussfolgerung), Erkenntnisse/Feststellungen die die Versuchsperson gemacht hat während des Experiments beeinflussen jetzt ihr Verhalten, die Versuchsperson würde auf den gleichen Reiz nun anders reagieren, wie bei der ersten Konfrontation.

noch mal anders?
Jmd sagt, dass eine Person anders handeln kann, wenn sie etwas das 2. mal ausgesetzt ist, weil Sie mehr Erfahrungen hat.

Wär halt nicht 100% passend aber so ca. oder?

das wäre mein Verständniss dazu.
Aber ich finde auch, dass eine Formulierung ohne fachliche Ausdrücke manchmal besser wär. Nur leider stehen ja für manche Wörter wie kognitiv so viele Dinge in Vereinigung, dass es schwehr wäre einen Satz mit so vielen Eigenschaften in einem noch deutlich zu formulieren.
Es wäre so, als ob man jmd alle Verhaltensweisen in einem Satz aufzählen müsste um das Wort Verhalten zu erklären.
Schön ist eigentlich alles, wenn man es mit Liebe betrachtet.
Christian Morgenstern

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