Schuldzuweisung an den Therapeuten?

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Frances2
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Schuldzuweisung an den Therapeuten?

Beitrag Di., 23.01.2024, 11:44

Ich hätte gerne einen Rat zu dem, was gestern in der Therapie passiert ist und was ich nur zum Teil verstehe oder einordnen kann.
Thema ist zurzeit mein anstehender Umzug, der für mich aus div. Gründen eine ziemliche Herausforderung ist, was der Therapeut weiß.
Vor 3 Jahren wollte ich schon mal umziehen und hatte damals das Gefühl, ich muss mich entscheiden zwischen der Therapie oder Umzug und ich habe mich für die Therapie entschieden, es aber immer bereut, die Wohnung nicht genommen zu haben.
Es ist klar, dass es meine Entscheidung war, unklar ist aber, inwieweit mich die sehr emotionale Reaktion des Therapeuten beeinflusst hat, die ich zwar einerseits verstanden habe, trotzdem hätte ich mir etwas anderes gewünscht, das aber in der weiteren Therapie nie mehr thematisiert.
Gestern bin ich dann den Therapeuten ziemlich heftig angegangen, das ich mich damals nicht verstanden gefühlt habe, aber die therapeutische Beziehung nicht gefährden wollte und mich deshalb gegen den Umzug entschieden habe.
Irgendwann sagte er, das klingt für ihn wie eine Abrechnung und das war es wohl auch.
Allerdings ist mir nicht klar, warum jetzt diese Abrechnung, was verspreche ich mir davon oder was erwarte ich von ihm?

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Sydney-b
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Beitrag Di., 23.01.2024, 12:12

Frances2 hat geschrieben: Di., 23.01.2024, 11:44 Thema ist zurzeit mein anstehender Umzug, der für mich aus div. Gründen eine ziemliche Herausforderung ist, was der Therapeut weiß.
Vor 3 Jahren wollte ich schon mal umziehen und hatte damals das Gefühl, ich muss mich entscheiden zwischen der Therapie oder Umzug und ich habe mich für die Therapie entschieden, es aber immer bereut, die Wohnung nicht genommen zu haben.
Warum hattest du damals das Gefühl, du müsstest dich zwischen Umzug oder Therapie entscheiden?
Hättest du wegen der Entfernung die Therapie abbrechen müssen?

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Shukria
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Beitrag Di., 23.01.2024, 12:35

Ich denke es ist eher ein tief verwurzeltes Muster, dich in engen Beziehungen nicht zu trauen Dir wichtiges oder gegensätzliches auszusprechen.

Und jetzt bist du wahrscheinlich einfach etwas weiter in deiner Entwicklung und kannst es zur Zeit aber nur durch „rausplatzen“ weil du innerlich so unter Angst stehst was fealsch zu machen/die Beziehung durch eine eigene/gegensätzliche Meinung zu gefährden.

Jetzt kennst du ihn besser und diese Anhst ist etwas kleiner, also traust du dich mehr.

Das ist im Grunde eine sehr positive Entwicklung. Nur der Ton passt noch nicht so ganz, kommt aber auch irgendwann. 👍

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candle.
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Beitrag Di., 23.01.2024, 12:55

Frances2, es ist normal, dass man mal "falsche" Entscheidungen trifft im Leben, aber das ist dann meistens auch nicht mehr umkehrbar und man muß es loslassen.

Warum du dem Therapeuten das jetzt gesagt hast, weiß ich nicht, vielleicht hat dich etwas angetriggert und letztlich hast du dich vermutlich über dich selbst geärgert in Therapie und es an den Therapeuten weitergeleitet.

Viele Grüsse
candle
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Frances2
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Beitrag Di., 23.01.2024, 15:59

@ Sydney-B

Ja, der Umzug hätte wegen der Entfernung wohl den Abbruch der Therapie bedeutet, obwohl ich überlegt hatte, wie ich beides unter einen Hut bekomme, also z.B. die Wohnung untervermieten und die Therapie hier erst beenden, aber darauf ist der Therapeut überhaupt nicht eingegangen. Es ging ihm wohl um das innerliche Verabschieden aus der Therapie (oder Flucht?), das damit verbunden gewesen wäre. Das kann ich auch verstehen.
Ich hätte mir aber gewünscht, dass er versteht, welche Bedeutung dieser Umzug für mich hatte und wie zerrissen ich mich gefühlt habe mit dieser Entscheidung, weil ich beides wollte.
Allerdings habe ich ihn auch ziemlich überrumpelt mit dieser Nachricht und wir hatte gerade die Langzeittherapie beantragt.

@ Shukria

Ich könnte dich echt umarmen für das, was du geschrieben hast. Das bringt es auf den Punkt und ist gleichzeitig so zuversichtlich. Und ich kann es annehmen.
An dem Ton arbeite ich noch :)

@ candle

Vielleicht kann ich jetzt anfangen das loszulassen.

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Erdbeere02
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Beitrag Sa., 03.02.2024, 21:35

Ich kenne dieses Problem auch, und zwar geht es um die ausbleibende Bewertung des Therapeuten deines Verhaltens. Du wolltest wahrscheinlich, daß der Therapeut dir vorher sagt: Entweder ziehen Sie um oder bleiben Sie hier und machen die Therapie weiter. Das hat er nicht und später möchtest du eine Bestätigung von ihm, daß deine Entscheidung richtig gewesen sei. Die hat er aber auch nicht gemacht und so bist du verständlicherweise sauer auf ihn.
Ich mußte in der Therapie auch lernen, daß ein Therapeut selten, bzw. keine Entscheidungen für oder gegen den Klienten trifft, sondern der Klient immer selbst entscheiden soll, was er möchte und was nicht. Das führt bei mir (evtl. auch bei dir) dann zu einer gewissen Unsicherheit: Habe ich mich jetzt richtig entschieden oder nicht ? Mit dieser Unsicherheit soll man dann weiterleben ohne Hilfe des Therapeuten.

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Frances2
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Beitrag So., 04.02.2024, 12:05

Ich denke, ich wollte von ihm, dass er mir einen Teil der Verantwortung für die damalige Entscheidung abnimmt, aber das macht er nicht, wobei mir (rational) völlig klar ist, dass es meine Entscheidung war, völlig unabhängig davon, ob und inwiefern seine Haltung zu dem Umzug meine Entscheidung beeinflusst hat.
Nur dass ich mich eben auch nicht wirklich entscheiden konnte und wollte zwischen meinem großen Wunsch und der Therapie bzw. der therapeutischen Beziehung.
Das rührt zu sehr an alte Trennungserfahrungen und da fühlte ich mich in dem Moment nicht verstanden.
Dahinter steckt natürlich vor allem meine eigene Unsicherheit.

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candle.
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Beitrag So., 04.02.2024, 12:35

Frances2 hat geschrieben: So., 04.02.2024, 12:05 Ich denke, ich wollte von ihm, dass er mir einen Teil der Verantwortung für die damalige Entscheidung abnimmt,
Wenn du das jetzt für dich SO "imaginieren" würdest, würde sich dein Gefühl dazu JETZT ändern? Probieren kannst du es ja. :)

candle
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Frances2
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Beitrag So., 04.02.2024, 13:41

Das ist eine wirklich gute Frage...
Einerseits weiß ich genau, dass er die Verantwortung bei mir belässt und finde das auch gut, andererseits fällt es mir schwer, die Verantwortung alleine zu tragen.... ziemlich schräg, oder?
Der Punkt ist wohl, dass es nicht wirklich eine Entscheidung (im rationalen Sinn) war, sondern dass ich zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage war, das Risiko einer Trennung einzugehen, also die therapeutische Beziehung zu verlieren.
Das ist mir aber erst jetzt bewusst und vielleicht denke ich, das hätte er sehen müssen.

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lisbeth
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Beitrag So., 04.02.2024, 13:47

Aber wenn er dir 'vorgeschrieben' hätte was das 'Richtige' ist, hättest du dich ziemlich sicher dann auch dagegen aufgelehnt, oder?
Gleichzeitig: vielleicht ist auch der Gedanke verkehrt, dass es immer nur DIE EINE 'richtige' Entscheidung geben kann.
Vielleicht gibt es ja öfters als wir denken mehr als eine 'richtige' Entscheidung. Vielleicht ist es am wichtigsten, DASS wir uns entscheiden und in Bewegung setzen und nicht ewig im 'dazwischen' verharren?
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Beitrag So., 04.02.2024, 13:52

Frances2 hat geschrieben: So., 04.02.2024, 13:41 und vielleicht denke ich, das hätte er sehen müssen.
Da sind die Erwartungen an den Therapeuten zu hoch und zu unrealistisch. Sie spüren und sehen sicher nicht alles und das wäre wohl auch nicht der Sinn einer Therapie dem Klienten von den Augen abzulesen, sondern dass der Klient selber lernt sich mit seinen Bedürfnissen zu äußern.
Aber ich kann es nachvollziehen, wer will nicht mal etwas abgenommen bekommen? Nur passiert das eher in einer Partnerschaft und Freundschaft, weniger in Therapie.

Ich durchdenke solche Fragen für mich immer ausreichend bis ich sicher bin in meiner Entscheidung.

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Sydney-b
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Beitrag So., 04.02.2024, 13:56

Frances2 hat geschrieben: Di., 23.01.2024, 11:44 Gestern bin ich dann den Therapeuten ziemlich heftig angegangen, das ich mich damals nicht verstanden gefühlt habe, aber die therapeutische Beziehung nicht gefährden wollte und mich deshalb gegen den Umzug entschieden habe.
Irgendwann sagte er, das klingt für ihn wie eine Abrechnung und das war es wohl auch.
Allerdings ist mir nicht klar, warum jetzt diese Abrechnung, was verspreche ich mir davon oder was erwarte ich von ihm?
Du schreibst, dass der anstehende Umzug eine große Herausforderung für dich wäre.
Vielleicht ist das (auch) ein Grund, warum du ihn so angegangen bist?
Möglicherweise denkst du (unbewusst): Wäre ich bereits vor drei Jahren umgezogen, dann müsste ich dies jetzt nicht erledigen, weil die Herausforderung mich zur Zeit überfordert?

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Frances2
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Beitrag So., 04.02.2024, 15:14

@ sydney-b

Ja, das ist was dran und es geht sogar noch weiter: Wäre ich vor 3 Jahren schon umgezogen, würde ich jetzt vielleicht ganz zufrieden mein Leben leben und nicht immer noch beim selben Therapeuten sitzen und das Ganze noch mal durchgehen...
Ein bisschen fühlt sich der Umzug jetzt als 2. Wahl an.
Andererseits weiß ich, wie entscheidend diese Therapie für mich war bzw. ist.

@ lisbeth

Manchmal gibt es wohl wirklich nicht die eine "richtige" "Entscheidung. Es war ja beides für mich wichtig, der Umzug und die Therapie bzw. vor allem die therapeutische Beziehung, aber beides zusammen ging eben nicht.
Beides hat mit Veränderung, mit Trennung und Verlust zu tun und damit konnte ich nicht umgehen, das hat mich überfordert.

@ candle

Ja, meine Erwartungen an den Therapeuten sind da vielleicht zu hoch, aber ich habe auch erst in dieser Therapie gelernt,
dass ich meine Bedürfnisse klar äußern muss. Ich bin lange davon ausgegangen, dass er schon sehen bzw. spüren kann, was in mir vorgeht.

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