Mein Therapeut und ich reden aneinander vorbei

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
Antworten
Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
IntoDust
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 80
Beiträge: 73

Mein Therapeut und ich reden aneinander vorbei

Beitrag Di., 27.08.2019, 13:40

Hallo,

ich bin durcheinander, irritiert und frustriert und traurig. Und ich frage mich, ob diese Therapie, die ich gerade mache, einfach nicht richtig für mich ist.

Ich war vorher 2 Jahre bei einem Therapeuten (VT) - hat mich sehr weitergebracht. Wir kamen meistens auch gut miteinander klar, es gab hin und wieder Reibereien und einige Male haben wir uns auch richtig gezofft, aber es ließ sich immer klären, woran es lag. Irgendwie stimmte die Ebene, sowohl gefühlsmäßig als auch intellektuell. Er ist zusätzlich auch in Traumatherapie ausgebildet und das hat mir unglaublich geholfen. Wir haben sehr viel auf emotionaler Ebene gearbeitet, er ist also kein VTler "alter Schule".

Nachdem die Stunden aufgebraucht waren, mir aber klar war, dass ich noch weitere Hilfe benötige, landete ich dann über einen Verfahrenswechsel bei einem Therapeuten, der tiefenpsychologisch fundiert arbeitet. Er ist sehr sympathisch, und ich hatte den Eindruck, wir können gut miteinander arbeiten - sonst hätte ich nach der Probatorik weitergesucht.

Mein Problem ist jetzt, dass ich den Eindruck habe, wir verstehen uns nicht. Wirklich im wortwörtlichen Sinne. Wir reden aneinander vorbei, ich weiß nicht was er von mir will und er weiß nicht was ich von ihm will. Und so ringen wir Stunde um Stunde damit, irgendwie Zugang zueinander zu bekommen und es wird einfach immer nur noch verworrener.

Ich merke, dass er manchmal unruhig wird, dass er auf irgendwas von mir zu warten scheint, aber egal was ich sage, es scheint immer irgendwie "verkehrt". Und dann sagt er was, und dann sage ich was, aber er scheint chinesisch zu sprechen und ich dänisch und letztendlich schauen wir uns ratlos an und dann ist die Stunde mal wieder rum.

Ich bin inzwischen so gefrustet und entmutigt, dass ich tatsächlich darüber nachdenke, ob wir es nicht einfach lassen sollen. Ich verstehe nicht, was es mir bringen soll. Es macht mich müde und traurig. Ich habe jetzt beschlossen, dass ich genau das nächstes Mal ansprechen möchte - dass ich langsam nicht mehr weiß, was ich sagen soll, dass ich resigniere, dass mich die ganze Therapiesituation eher in die Depression zurück als weiter dort rausführt, und dass ich ehrlich keine Ahnung habe, was er eigentlich von mir erwartet.

Wer von euch war oder ist in einer tiefenpsychologisch fundierten Therapie und kann mir sagen, wie es abläuft? Ich habe einfach den Eindruck, ich blicke es nicht und komme mir inzwischen schon wie ein Vollidiot vor. :-((

Mir ist klar, dass ein Teil von mir meinen früheren Therapeuten vermisst, aber trotzdem war ich offen für die TfP, weil es mir ja auch darum ging, noch mehr in die Tiefe zu gehen bei all dem, was während der VT aufgeploppt war. Und jetzt stehe ich da und habe das Gefühl, ich war nie oberflächlicher an etwas dran! Total kurios... Und es trägt gerade dazu bei, dass ich meinen früheren Therapeuten wirklich vermisse. Was nicht förderlich ist und was ich so auch nicht möchte. Ich habe mich ja bewusst für diesen neuen Therapeuten entschieden. Aber ich merke, dass ich den Sinn dieser Therapie mehr und mehr anzweifle, und das macht mich traurig. Denn eigentlich ist es ja eine Chance.

Viele Grüße
Dust

Werbung

Benutzeravatar

Malia
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 70
Beiträge: 6734

Beitrag Di., 27.08.2019, 13:52

Hallo,

mir ging es ähnlich, als ich vor zirka 3 Jahren in eine TFP ging, nachdem ich vorher fast nur VT gemacht hatte.
Dann hab ich mich noch einmal damit beschäftigt, was TFP eigentlich ist und es lief langsam besser.

In der TFP geht es hauptsächlich um deine Übertragung auf die Therapeutin, darum, dass du dich besser erkennen kannst anhand der Reaktionen auf die Therapeutin, die sich eher zurück hält, sich nicht einbringt.
Die "Nähe", die man in der VT erleben kann, gibt es auf andere Weise, später.
Wenn es gut läuft.
„Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es andere juckt.“
Samuel Beckett

Benutzeravatar

Shukria
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 44
Beiträge: 1484

Beitrag Di., 27.08.2019, 13:58

Hat der Neue auch einen traumatherapeutischen Ansatz?

Mhm, ich versteh mich auch oft wortwörtlich nicht mit meiner und finde das Ringen um Worte um sich erst mal verständlich zu machen anstrengend. Andererseits auch gut weil so nie Situationen entstehen das sie glaubt schon zu wissen was ich meine, sondern immer noch mal nachfragt ob sie das so jetzt richtig verstanden hat.

Aber im Großen und Ganzen fühle ich mich gesehen/verstanden und ihre Haltung passend.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
IntoDust
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 80
Beiträge: 73

Beitrag Di., 27.08.2019, 14:05

Danke euch!

Dieses Ringen um Worte finde ich auch extrem anstrengend, ja. Und ansonsten habe ich den Eindruck, ich übertrage auf ihn gerade nur Themen, die sonst in meinem Alltag kaum problematisch auftauchen. Er langweilt mich. Ich bin der Therapie überdrüssig. Ich will mich ihm nicht mehr anvertrauen und ich will meine Ruhe haben. Mit all dem hab ich sonst in meinem Leben nicht zu tun. Kurios.

Er hat übrigens keinen traumatherapeutischen Ansatz. Ich könnte mir vorstellen, dass mir genau das auch fehlt.

Werbung

Benutzeravatar

Anti Lope
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 49
Beiträge: 148

Beitrag Di., 27.08.2019, 14:08

IntoDust hat geschrieben: Di., 27.08.2019, 13:40 Ich habe jetzt beschlossen, dass ich genau das nächstes Mal ansprechen möchte - dass ich langsam nicht mehr weiß, was ich sagen soll, dass ich resigniere, dass mich die ganze Therapiesituation eher in die Depression zurück als weiter dort rausführt, und dass ich ehrlich keine Ahnung habe, was er eigentlich von mir erwartet.
Das ist eine sehr gute Idee. Ich würde das unbedingt ansprechen! Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich für dich sehr verwirrend anfühlt wenn du aus einer VT kommst. Ich selbst bin in analytischer PT und kenne die VT nur aus Berichten von Bekannten bzw. aus Erklärungen im Internet. Es sind einfach andere Verfahren.
Und was die Erwartungen angeht solltest du vielleicht eher schauen was deine Erwartungen an die Therapie und den Therapeuten sind, als dich nach seinen zu richten ;)
"Wenn ich einen grünen Zweig im Herzen trage, wird sich der Singvogel darauf niederlassen."
chinesisches Sprichwort

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
IntoDust
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 80
Beiträge: 73

Beitrag Di., 27.08.2019, 14:18

Danke - mit "was er von mir erwartet" meinte ich nicht, dass ich tun möchte, was er will, sondern dass ich tatsächlich den Eindruck habe, ich blicke die einfachsten Prinzipien dieses Verfahrens nicht. :)

Beispiel: ich sage, dass ich gerne lernen würde, mit xyz besser umzugehen. Er antwortet, dass es seiner Meinung nach um was anderes geht und er lieber an abc arbeiten würde.

Tja. Dann sitze ich da. Und frage mich, ob es wirklich meine Therapie ist, oder etwas, was er mir da gerade aufdrücken will? Ich bin ratlos, denn was soll ich denn anderes sagen, als Themen anbringen, die mich belasten? Im Zuge einer solchen Situation habe ich nachgehakt, was er von mir erwartet, und habe dazu gesagt, dass ich gerade überfordert bin und nicht weiß, was ich sagen soll.
Er daraufhin: Ich erwarte gar nichts von Ihnen.

Okay, schön. Hilft mir nur leider nicht wirklich weiter. Denn wenn er ein Problem aufmacht, das ich aktuell nicht als Problem sehe, mir dafür aber nicht weiterhilft bei einem Problem, das mich gerade sehr belastet, dann ist das irgendwie nicht zielführend. Oder bin ich da jetzt irgendwie auf dem falschen Dampfer?

Und klar kann es sein, dass er den Überblick hat und Dinge sieht, die ich (noch) nicht sehen kann. Trotzdem hilft es mir nicht, wenn er mich damit im Regen stehen lässt und ich rumrätseln muss, was jetzt wohl gemeint sein könnte.

Ich werde das ansprechen.

Benutzeravatar

lisbeth
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 80
Beiträge: 3860

Beitrag Di., 27.08.2019, 17:20

Hallo,

mir ging es am Anfang meiner Analyse sehr ähnlich (manchmal auch immer noch). Das Gefühl, wir reden aneinander vorbei. Das hat sich dann absurderweise auch in ganz realen Missverständnissen niedergeschlagen. Und auch dieses "Ich weiß nicht, was die Gute von mir will..." und das Empfinden, sie könnte genauso gut chinesisch reden, weil ich wirklich nur Bahnhof verstehe...

Mein Rat wäre auch, sprich mit ihm darüber. Darüber, wie du dich fühlst. Dass du ratlos bist. Dass du das Gefühl hast, du läufst da ins Leere. Es wäre ja auch interessant,die Sicht des Therapeuten dazu zu erfahren. Hast du ihn mal gefragt, ob er das ähnlich sieht/empfindet?
IntoDust hat geschrieben: Di., 27.08.2019, 14:18 Beispiel: ich sage, dass ich gerne lernen würde, mit xyz besser umzugehen. Er antwortet, dass es seiner Meinung nach um was anderes geht und er lieber an abc arbeiten würde.
Das ist "klassisch" für die Unterschiede zwischen VT und den psychodynamischen Verfahren. Wenn dir seine Argumentation nicht einleuchet (manchmal fällt ja auch der Groschen, wenn der Therapeut sagt, da steckt dieses oder jenes dahinter, und man denkt: Ach ja, genau...), dann frag nach: Warum er das so sieht? Wie das für ihn zusammenhängt. Sag ihm, er soll dir auch erklären, wie er darauf kommt...

Ich hatte bei der Analytikerin (vor allem zu Anfang) das Gefühl, die setzt da ganz viel voraus, weil ich im Gespräch auch ziemlich reflektiert und artikuliert rüber komme. Aber im Grunde war ich von dem was sie sagte, komplett überfordert. Und es war für sie aber so gar nicht sichtbar. Weil ich die ganze Zeit versuchte, mitzuhalten. Anstatt mal zu sagen: Wir müssen das anders machen, so funktioniert das für mich nicht.

Ich hatte Glück, dass die Analytikerin da ziemlich flexibel ist und auch keine, die total orthodox an der "reinen Lehre" hängt. So dass sie bereit und in der Lage ist, da auf die Bedürfnisse der Patienten auch flexibel einzugehen. Ich wünsche dir, dass dein Therapeut da ähnlich fähig ist, und ihr es schafft, euch mehr anzunähern. Der erste Schritt ist aber, dass du ihm mitteilen solltest, dass das völlig an dir vorbeiläuft, was ihr da macht....

Viel Erfolg und alles Gute, l.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

Benutzeravatar

Shukria
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 44
Beiträge: 1484

Beitrag Mi., 28.08.2019, 07:04

Ich kenn das von meiner auch das ich ein konkretes Problem anspreche sie zuhört und dann oft erwidert sie würde da jetzt lieber anders weiter arbeiten.

Der Unterschied, ich frage nach bzw. Sie erklärt meist von alleine wie sie von meinem angesprochenen Ab zu Ihrem Yz kommt. Warum sie glaubt mit Ab nicht wirklich weiter zu kommen und wasYz bewirken. Und! Sie betont immer das die Entscheidung aber bei mir liegt wie es jetzt weiter geht.

Meist hat sie recht, und trotzdem liegt sie mit ihrer Einschätzung nicht immer so, das ich mit dieser gerade Mitgehen kann. Das Wesentliche für mich, sie gibt mir offen alles Wissen um eine gute Entscheidung für mich selbst treffen zu können. Sie macht nur Vorschläge mit fundierten Erklärungen. Alles andere liegt immer in meiner Hand.

Benutzeravatar

Prinzessin27
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 30
Beiträge: 424

Beitrag Mi., 28.08.2019, 07:20

Hi dust, ich kann nachvollziehen was du meinst. Rede am besten mit ihm darüber. Vielleicht kann er seine Aussagen ja "übersetzten"? Ich bin in Analyse und manchmal steh ich da auch auf dem Schlauch und denke seine Frage hat so gar nichts mit dem eigentlichen Problem zu tun. Komm mir dann manchmal doof vor. Aber ich sagte dann, dass ich es gerade nicht verstehe, dann erklärt er auch.
Meist (90%) verstehen wir uns aber. Ich habe gelernt, dass man so ein bisschen um die Ecke denkt. Also auf dein Beispiel bezogen, wenn du sagst du hast Probleme mit xyz und "erwartest" vielleicht, dass er das Problem/Verhalten erörtert(weiss nicht, ob das so bei dir ist?) , meiner fragt dann oft gleich "für was das stehen kann"/ welche Funktion das Verhalten hat. Ich seh da erst mal nichts....aber durch das auseinandersetzen wird es mir dann doch klar ZB ständiges selbst fertig machen, ev vom Problem ablenkt oder sich selbst die Schuld geben mit Kontrolle zu tun haben kann, oder, oder.

Langfristig muss ich sagen, dass es mir mehr hilft sowas zu verstehen. Das dauert aber und passiert nicht in ein oder zwei Stunden, als einfach eine neue Verhaltensweise auszuprobieren.

Benutzeravatar

Krümmelmonster
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
weiblich/female, 47
Beiträge: 569

Beitrag Mi., 28.08.2019, 08:59

Hallo Into Dust,
ich mache auch Tfp, ja es ist schwierig am Anfang, dachte ich mir, was will denn die von mir. Ich musste schnaufen, wollte die Therapie abrechen. Ich bin froh das ich die Therapie nicht abgebrochen habe. Trotzdem lerne ich langsam dazu. Wenn er dir sympatisch ist, dann gib in doch eine Chance, sei nicht ungeduldig mit dir und sprich es an, die Idee finde ich gut von dir, dass du es ansprechen willst. Viel Glück!

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
IntoDust
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 80
Beiträge: 73

Beitrag Mi., 28.08.2019, 09:25

Vielen lieben Dank euch allen - ich bin erleichtert, dass auch andere dieses Gefühl von Überforderung und "einfach nicht wissen, was der Therapeut will" kennen. Ich werde sehen, was sich beim nächsten Termin durch das Gespräch ergibt. Vielleicht braucht es wirklich noch Geduld. Wir hatten jetzt ungefähr 15 Stunden miteinander, da muss sich alles noch finden, das weiß ich. Heute, mit ein wenig Abstand zum Termin gestern, gehts mir auch schon wieder besser. Ich werde einfach sehen, wie es sich entwickelt. :)

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag