Wie lange sollte eine Psychotherapie dauern?

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Jenny Doe
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Wie lange sollte eine Psychotherapie dauern?

Beitrag Mi., 12.06.2019, 18:27

Wie lange sollte eine Psychotherapie dauern?
https://www.spektrum.de/news/wie-lange- ... rn/1626860
(...)
Es gebe aber insgesamt nur »geringe Evidenz« dafür, dass Langzeittherapien von über 30 Sitzungen sinnvoll seien, so Robinson und ihre Kollegen. Das gelte jedoch ausdrücklich nicht für besonders schwere oder chronisch bestehende seelische Probleme wie beispielsweise Persönlichkeitsstörungen.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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shesmovedon
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 19:14

Also meine längste und letzte hat 4 1/2 Jahre gedauert und so gern wir unsere Thera haben,..da war auch die Luft raus. Wir haben wahnsinnig viel an uns gearbeitet in der Zeit und keiner von uns hat jetzt wirklich gerade noch Bock auf Therapie.

Ich denke auf jeden Fall, dass jede Therapie nach 3-4 Jahren mal mindestens pausieren muss.
Meistens - bei zu langen Therapien - passiert das wegen der immensen Abhängigkeit des Patienten nicht. Für mich ganz klar ein Kunstfehler eine Therapie endlos laufen zu lassen. egal bei welcher Störung.

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ENA
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 19:21

Hier war doch mal jemand, der seine vierte Analyse machte, oder? Zwei bezahlt von der KK, zwei selbst bezahlt. Meine ich jedenfalls.

Ich finde schon, dass Therapie länger dauern können sollte. Eine Begrenzung auf 50 Sitzungen o.Ä. fände ich nicht gut. Da wäre dann für mich nochmal ne Definition nötig, was Therapie ist bzw. was die Ziele sind. Also wenn man nach, z.B. 30 Sitzungen klar kommen sollte, müsste die Therapieform ja super bzw. die Fälle nicht so schwer sein.
Also ich finde schon, dass man auch 100-300 Stunden Therapie machen können sollte.

Ob es gut ist, soviele langjährige Therapien zu machen, finde ich dagegen fraglich. Ich denke, da gewöhnt man sich dann irgendwie schon daran...und erlebt Therapie als etwas Anderes, als wie die meisten wohl.


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Jenny Doe
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 20:01

Mich hat der Text angesprochen, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass nach 40-50 Stunden die Luft raus ist. Irgendwie fühlte es sich für mich an wie ein eingespieltes Team. Ich wusste, was meine Therapeutin antworten würden, sie wusste, was ich erzählen würde. Da war nicht mehr viel Bewegung drin. Das lag aber, meiner Erfahrung nach, weniger an der Therapielänge als vielmehr an Therapie beim selben Therapeuten. Ein neuer Therapeut betrachtete meine Probleme aus eine ganz anderen Perspektive, wandte ganz andere Methoden an, ... dadurch kam wieder Bewegung rein.
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Philosophia
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 20:25

Ich weiß es nicht - ich finde es schwierig auf ein Ende zu verzichten, darauf sollte es meines Erachtens hinauslaufen und auch immer wieder in den Fokus gerückt werden, ob das nun nach 50 oder nach 300 Sitzungen ist - egal, Hauptsache es kommt zu einem. Alles anderes halte ich für, ja, größtenwahnsinnig, in dem Sinne, dass die Grenzenlosigkeit suggeriert wird, obwohl eben gerade Grenzen zum Leben dazu gehören.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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stern
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 20:44

Immerhin ist folgende Einschränkung getroffen, wenn man schon verschiedene Verfahren in eine Topf wirft und sich auf Behandlungen in folgenden Einrichtungen bezieht, also (teil-)stationär und Hausarztpraxen:
Die Behandlungen fanden in Einrichtungen wie Ambulanzen, Tageskliniken und Hausarztpraxen
Das gelte jedoch ausdrücklich nicht für besonders schwere oder chronisch bestehende seelische Probleme wie beispielsweise Persönlichkeitsstörungen.
Logischerweise muss man z.B in einer Tagesklinik komprimierter arbeiten als in einer PA, die ganz anders konzipiert ist, um zu wirken (falls diese überhaupt berücksichtigt wurde). Und wesentlich ist auch: Ist dem Patienten mit einer 4h-Therapie (sic!) definitiv geholfen oder braucht es dann doch noch eine Nachfolgebehandlung.
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Purpurlimonade
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 20:53

Spannende Frage. Bin wohl Therapieveteran, mit eigentlich immer Langzeittherapien. Dabei hatte ich immer lange Pausen zwischen den Therapien und hab Therapeuten und Verfahren gewechselt.
Die Länge der Therapien war gut, um wirklich Vertrauen zu fassen. Das ist schwierig für mich und auch nicht immer gelungen, trotz der langen Zeit. Aber nur dadurch konnte ich daran überhaupt arbeiten. Denn zu Beginn einer Therapie, wenn noch keine Beziehung besteht die gefährdet sein könnte, ist es kein großes Problem für mich, mich zu öffnen. Dadurch war aber natürlich jeder neue Therapiebeginn sehr wichtig für mich: ich konnte immer etwas mehr über meinen Schatten springen, als zuvor. Und jeder Therapeut, jedes Verfahren gibt natürlich ganz neue, andere Impulse. Also Therapiewechsel/Therapeutenwechsel UND lange Therapiedauer hatte für mich jeweils sein eigenes Gutes. "Totgelaufen" darf es natürlich nicht ewig weiter gehen.

Was aber diese Studien von Krankenkassen angeht: ein vergleichsweise "einfach gestörter" Patient wird nicht nur weniger Therapie "brauchen", er wird doch wahrscheinlich auch mehr von 50 Stunden profitieren als ein "schwerer Fall" von 100 Stunden - genauso wie man 10 Tage Antibiotiker bei Grippe nicht mit 3 Monaten Krebstherapie vergleichen kann. Das sind doch unseriöse Studien, letztlich darauf ausgelegt Therspiezeiten zu sparen, also Geld zu sparen. Und viele Patienten kriegen dann noch ein schlechtes Gewissen, ob sie noch mehr Therapie verdienen.

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stern
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 21:07

Ich denke auch nicht, dass man Verhältnisse aus dem Amiland auf D umlegen kann... Psychotherapien in Hausarztpraxen sind hierzulande jedenfalls nicht so üblich (wobei Hausärzte auch Psychotherapeuten werden können, aber dann laufen sie unter "Psychotherapeut" und nicht unter Hausarztpraxis.

Und die Kasse setzt in D bei kassenfinanzierten Therapien Obergrenzen. Die Wirkung von Langzeittherapien ist ausreichend belegt... sonst würde auch die Kasse nicht zahlen.
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mio
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 21:49

(...) gelte jedoch ausdrücklich nicht für besonders schwere oder chronisch bestehende seelische Probleme wie beispielsweise Persönlichkeitsstörungen.

Hier wird doch ganz klar darauf hingewiesen dass sich das nicht verallgemeinern lässt?

Ich wollte am Anfang am liebsten nur 25h machen und gut sollte sein...tja, hat soooo nicht funktioniert. :lol: Und irgendwann war ich froh dass ich noch "mehr Zeit" hatte.

Ich finde es allerdings auch wichtig, dass es auch mal "Pausen" gibt oder "Verfahrens-/Therapeutenwechsel", schon um so "es dreht sich eh nur im Kreis"-Situationen vorzubeugen. Ich persönlich hab so Situationen aber auch einfach aus mir heraus immer als sehr unbefriedigend wahrgenommen, würde da also schon aus mir raus irgendwann ne Grenze ziehen.

Dass nach einer gewissen Anzahl von Stunden jedoch gar nichts mehr passiert wäre oder alles berechenbar geworden wäre kann ich so nicht bestätigen. Aber vom Gefühl her würde ich sagen dass nicht mehr ganz so viel oder so schnell passiert ist wie am Anfang, wohl auch weil die Themen immer "schwieriger" wurden im Inneren und da dann entsprechend mehr "Abwehr" da war/ist. :dunno:


shesmovedon
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 21:53

Bei uns hat sich sehr viel auch erst nach dem Ende der Therapie getan. Natürlich kommt da auch hinzu, dass sich die Lebensumstände durch das kommende Kind komplett geändert haben. Aber wir sind jetzt ohne Therapie zum Beispiel viel stabiler, als während der laufenden Therapie. So dass meine Therapeutin schon "verunsichert" ist, dass es uns ja ohne so viel besser geht.
Ich glaube aber, dass es uns heute nicht so ginge, wäre nicht vorher diese Therapie gewesen. Sie war das Sprungbrett um dahin zu kommen, wo wir jetzt ohne Therapie sind.

Also das nochmal zum Thema "warum Endlichkeit wichtig ist".


mio
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 22:10

Schlendrian hat geschrieben: Mi., 12.06.2019, 21:53 Aber wir sind jetzt ohne Therapie zum Beispiel viel stabiler, als während der laufenden Therapie.
Das finde ich im Prinzip nur logisch, weil dann ja nicht dauernd "rumgewühlt" wird in den schwierigen Themen. Ich bin ja leider so dass ich gerne "selbst wühle", aber ich merke auch wenn ich nicht so viel wühle (zB. weil die Zeit dazu gar nicht da ist) dann bin ich deutlich stabiler als wenn ich wühle.

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stern
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 22:20

Ich empfinde es als Verallgemeinerung, weil hier nur in 2-3 Gruppen differenziert werden: besonders (sic!) schwer bzw. chronifiziert und nicht besonders schwer/chronifiziert... wohingegen in D die Dauer INDIVIDUELL für jeden Patienten zu planen ist (wobei je nach Verfahren auch verschiedene Bewilligungsschritte und Obergrenzen bestehen). Es bestehen ambulant auch keine diagnosis related groups o.ä., was auch Sinn macht, weil z.B. manche Patienten mit Depressionen individuell mehr Zeit brauchen können als Patienten mit PS (auf höherem Strukturniveau). Ich halte es jedenfalls nicht für sinnvoll, alle möglichen Patienten in unterschiedlichen Settings (Hausarztpraxen, teilstationär - was auch ganz anders konzipiert ist) zusammenzumixen und dann Durchschnitte für eine angeblich optimale Therapiedauer zu bilden

Die Wirksamkeit von Langzeittherapien ist zudem längst belegt.
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mio
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 22:26

Da steht beispielsweise...da wird nix klar definiert. ;-)


mio
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 22:34

stern hat geschrieben: Mi., 12.06.2019, 22:20 Die Wirksamkeit von Langzeittherapien ist zudem längst belegt.
Ja, bei Störungen/Problemlagen die mehr Zeit erfordern. Sei es weil es tiefgreifender ist (zB. Persönlichkeitsstörungen) oder weil es chronifiziert ist (zB. nicht früh genug behandelt wurde bei PTBS) oder sei es weil die traumatischen Erfahrungen derart umfangreich und komplex sind dass es einfach mehr Zeit braucht.

Bei der Betrachtung geht es denke ich eher darum ob es sinnvoll ist jemanden "unnötig krank" zu machen indem man ihn unnötig lange therapiert. Wenn jemand zB. nur eine Anpassungsstörung hat dann muss ich nicht jahrelang in dessen Kindheit rumwühlen, tut nicht Not. Wenn er die Anpassungsprobelme aber GENERELL hat weil diesen Problemen zB. eine Persönlichkeitsstörung zu Grunde liegt die sich aber erst in einem Belastungsmoment gezeigt hat und äußerte dann brauche ich mehr Zeit.

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stern
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Beitrag Mi., 12.06.2019, 23:02

Verkürzen kann man doch immer oder (lange) Pausen machen, wenn man das für für sich als sinnvoll ansieht. Für meine Teil bin mich froh, dass ich auch selbst zahlen konnte... und so Freiheiten hatte.

Ich sehe Ökonomisierung. Sieht man in Kliniken, wie sich Fallpauschalen praktisch auswirken. Wenn ein Patient, der noch nicht ausreichend therapiert ist, zu früh die Therapie beenden muss, ist auch nicht unbedingt etwas gewonnen... sondern am Ende kann es teurerer werden als wenn man gleich eine vernünftige Dauer zugrunde gelegt hätte. Oder der möglichst ökonomisch arbeitende VTler bekommt wahrscheinlich nicht mehr mit, wenn sein Patient, der erhebliche Schwierigkeiten hat, Vertrauen aufzubauen, nach den angeblich so optimalen 4-24h bei einem TFPler oder PAler in der Praxis landet. Der feststellt, dass der Patient zwar alle möglichen Tools erlernte aber trotzdem keine signifikante Verbesserung erreichte... und nun zunächst daran arbeiten muss, Vertrauen aufzubauen. Wo bleiben hierzu die Studien? Dazu hatte ich neulich einen Artikel gelesen.

Die angegebenen 4h reichen noch nicht einmal um eine Anpassungsstörung zu therapieren... das entspricht noch nicht mal dem, was an Kennenlernzeit angesetzt ist. Und das macht auch Sinn, vorher eine genauer Anamnese durchzuführen, um den Bedarf zu erfassen. Auch eine Anpassungsstörung kann mehr Zeit in Anspruch nehmen als eine PTBS... kommt auf den Einzelfall an. Auch ob biographisch gearbeitet wird (mangelnde Anpassung an Belastung kommt u.U. auch nicht von ungefähr).
Zuletzt geändert von stern am Mi., 12.06.2019, 23:10, insgesamt 1-mal geändert.
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