Wie 'macht' man Selbstwert/Urvertrauen als Erwachsener?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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Satine
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Wie 'macht' man Selbstwert/Urvertrauen als Erwachsener?

Beitrag Mo., 30.11.2009, 22:37

hallo an euch

mich würde intressieren, ob es hier leute gibt, die es geschafft haben, sich im erwachsenen alter das fehlende grund bzw urvertrauen anzueignen, welches sie als kinder nicht bekommen haben und woraus dann diese extremen selbstwertprobleme entstehen ?

ich persönlich finde es extrem schwierig echten, von innen kommenden selbstwert zu entwickeln. auch sich selbst wirklich zu lieben und sich angenommen zu fühlen. wie "macht " man das?
man liest immer so schwammige tips wie, liebe dich einfach, schau gut zu dir, suche passende leute, trete selbstbewusster auf ect. aber WIE so etwas geht, wie man da genau vorgeht, das wird nirgends erklärt.
ich kann eben NICHT selbstbewusster sein, wenn das nicht tief in mir drin ist...ich muss es mir irgendwie aneignen, blos, wie?
wie lernt man, sich selbst zu lieben, wenn man keine ahnung hat, wie sich das anfühlt? für menschen welche sich als kind willkommen und angenommen gefühlt haben, ist das selbstverständlich, die sind in diesem grundgefühl drin.
aber wie macht man das, wenn es einem nicht so ergangen ist?

ich selber habe eine sozialphobie, die sich aus diesem mangel an selbstwert und falscher warnehmung entwickelt hat.

als kind durfte ich keine eigene meinung haben. ich durfte auch nichts infrage stellen. wünsche wurden mir nur mit ganz viel glück gewährt, meist wurde über sie hinweggegangen oder sich darüber mokiert, lustiggemacht, runtergemacht. ich hatte einfach zu gehrochen, egal ob ich den sinn verstand oder nicht. es wurde nicht darüber gesprochen bzw diskutiert. konnte ich etwas gar nicht verstehen und traute mich nachzufragen, wurde ich als dummkopf hingestellt oder ich bekam eine ohrfeige, weil ich so "frech" war.

es fielen noch viel mehr dinge vor, aber das sprengt den rahmen und ich möchte ja hauptsächlich erfahren, wie man verkehrte muster loswird bzw umdreht.

es tut mir so weh, wenn ich menschen erlebe, die so eine gesunde gelassenheit haben, die richtig ausstrahlen, das sie sich wohl, angenommen und getragen fühlen. diese sind ganz anders drauf, als menschen wie ich, die mangel an all dem haben.
was mich auch belastet ist, das ich leider aufgrund des nicht vorhandenen selbstwert, mich nicht an diese angenhemeren menschen rantraue und eigetnlich meist solche anziehe, die selber mangel haben.
das ist ja eine logische sache, das dies so abläuft.
aber ich möchte dies ändern, weil ich so nicht weiterleben mag. es beeinträchtig so vieles in meinem leben, ich traue mich dadurch vieles nicht und traue mich auch nicht an die sorte mann ran, die mir gefällt. für diese käme ich aufgrund meiner mankos auch nicht infrage, weil gesunde menschen dafür eine antenne haben und es nicht als reizvoll bzw intressant empfinden. selbst mich stossen ja menschen ab, als partner, welche grosse selbstwertprobleme haben und unsicher sind. so einen mann könnnte ich nie achten und respektieren, somit auch nicht lieben. klar funktioniert dann das auch nicht andersrum.

weil ich all diese leute mit ihren mankos und ihrer oftmals dazukommenden oberflächlichkeit nicht mehr ertragen habe, habe ich all diese kontakte abbgebrochen und bin nun ziemlich alleine. das schmerzt sehr, aber noch viel schlimmer finde ich es, mit leuten zusammen zu sein, die einem nichts bringen, einem nur brauchen als "helfer" zuhöhrer etc , aber die fähigkeit nicht besitzen, selbst dazusein, zu reflektieren und einander konstruktive feedbacks zu geben, sich nicht weiterentwickeln wollen und an ihren blinden flecken gar nicht intressiert sind.

doch solange ich selbst diesen mangel an selbstwert habe und mich dauernd frage, wie ich auf andre wirke bzw was sie über mich denken, solange werde ich nicht menschen anziehen, die "gesund" sind, mit denen ein kontakt auch etwas "bringt"---halt freude macht, in die tiefe geht, echter austausch da ist, man gut und konstruktiv zusammen umgeht, echtes intressse am andern da ist usw.

das alles macht mich extrem traurig und auch sauer . sauer auf meine eltern, weil sie nicht fähig zu echter liebe waren und kein einfühlungsvermögen hatten bzw keine freude an ihren kindern und sauer auf mich, weil ich einfach nicht weiss, wie rausskommen.
traurig, weil es meine lebensqualität so einschränkt und mir deshalb sooooo viel schönes entgangen ist !

trotz alldem bin ich ein fröhlicher mensch, lache gern und viel, zeige kaum meine schwächen und gehöre auch nicht zu den "jammerlappen"..bevor ich jammere, ziehe ich mich lieber zurück und bin für mich alleine traurig.
Die besten Dinge sind keine Dinge .

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Satine
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Beitrag Mo., 30.11.2009, 23:45

hmmm...irgendwie merk ich grad, dass wenn jemand unter eu eine antwort auf meine fragen hätte, er ja gar nicht mehr hier wäre...sondern sich "geheilt" im realen leben am freuen und teilhaben wäre...und nicht mehr auf so einem forum unterwegs ist....
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vita
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Beitrag Di., 01.12.2009, 08:38

Hallo Satine,

auch als "Ungeheilte" kann ich dir gerne antworten. Den perfekten Menschen gibt es nicht, da alle Menschen unvollkommen sind - das macht das Menschliche eben aus.

Ich hatte eine extremst schwere Kindheit und würde daher niemals anstreben, "geheilt" zu werden, da dies meiner Meinung nach gar nicht möglich ist. Jedoch kann jeder Mensch sich weiter entwickeln und innerlich wachsen.

Ich persönlich würde dir zu folgenden Ansätzen raten:
Zuerst einmal aufhören, auf die Mankos der anderen zu schauen, da du bei dir selber genug Schutt und Asche finden wirst.
Veränderung braucht Mut, also trau dich, auch wenn du Angst hast.
Selbstwertgefühl bekommst du aus der Grundakzeptanz deiner Selbst und aus Erfahrungen, zumindest einmal das zu versuchen, was du im Leben anstrebst.

Warum tut es dir weh, Menschen zu erleben, die eine gesunde Gelassenheit und positive Ausstrahlung haben? Es sollte dich froh machen und die Möglichkeit beinhalten, zu denen ins Boot zu steigen, anstatt sie zu dir ins kalte Nass zu ziehen.

lg
vita

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Elfchen
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Beitrag Di., 01.12.2009, 09:52

Hallo Satine

Auch ich oute mich mal....

Ich versuche es gerade über die Arbeit mit dem inneren Kind. Es schleudert mich grad rum im Leben, aber ich hab mir vorgenommen, nicht aufzugeben.
Gut ist, wenn du eine Therapeutin hast/suchst. Alleine ist es - denke ich- schwieriger.

Ich wünsche dir ganz viel Mut und Kraft!

lg
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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Beitrag Di., 01.12.2009, 10:12

Hallo Satine,

ich denke, es gibt da sehr unterschiedliche Herangehensweisen. Mir hat es (u. a.) geholfen einzusehen, dass es objektiv gar keinen Grund zu Urvertrauen gibt. Und auch keinen, wie man so sagt, sich selbst zu lieben. (Ich nenne es aber lieber, ein fürsolglich nachsichtiges Verhältnis zu mir zu haben.) Es hat etwas, den rationalen Boden unter den Füßen zu verlieren.

Ja ja, das ist so eine Frage ähnlich der "Wie komme ich dazu, mehr Geduld zu haben?". Und die Antwort dazu lautet meist, " Du solltest versuchen, geduldiger zu werden."
Satine hat geschrieben:es tut mir so weh, wenn ich menschen erlebe, die so eine gesunde gelassenheit haben, die richtig ausstrahlen, das sie sich wohl, angenommen und getragen fühlen. diese sind ganz anders drauf, als menschen wie ich, die mangel an all dem haben.
Das mit dem Weh tun kann ich verstehen. Aber vielleicht kann man sich da auch was abgucken. Nichts gegen Vorbilder, sofern man nicht meint, sie nachahmen zu müssen.
Satine hat geschrieben:man liest immer so schwammige tips wie, liebe dich einfach, schau gut zu dir, suche passende leute, trete selbstbewusster auf ect. aber WIE so etwas geht, wie man da genau vorgeht, das wird nirgends erklärt.
Ich glaube, das ist auch nicht zu erklären, so wie etwa: So Funktioniert die Kaffeemaschine. Eines denke ich, der erste Schritt ist, von dem weggehen, wo man steht. Was Elfchen ansprach, finde ich auch als einen der Wege gut, der Blick auf das "innere Kind".
Satine hat geschrieben:weil ich all diese leute mit ihren mankos und ihrer oftmals dazukommenden oberflächlichkeit nicht mehr ertragen habe, habe ich all diese kontakte abbgebrochen und bin nun ziemlich alleine.
Jetzt mal ganz hypothetisch, eher als offene Frage zu verstehen: Wenn du deine eigene "Schwäche" besser akzeptieren könntest, könntest du wieder auf sie zugehen, weil du die äußere Stärke nicht mehr so brauchst.

Mir fällt dazu (wieder einmal) ein, was der Psychoanalytiker A. Mitscherlich einmal schrieb. Das "nur" würde ich nicht so eng sehen, aber ansonsten, es ist auch ein Strang:
"Wer nicht in den vor den bewußten Erfahrungen liegenden Perioden seines Lebens >Urvertrauen<, eine Phase extremer Abhängigkeit, erlebt hat, wird sich dieses Geborgenheitsgefühl nur mit unsäglicher Mühe durch Freiheit des Denkens erwerben können, . . . "
Satine hat geschrieben:hmmm...irgendwie merk ich grad, dass wenn jemand unter eu eine antwort auf meine fragen hätte, er ja gar nicht mehr hier wäre...nicht mehr auf so einem forum unterwegs ....
Ich meine jetzt damit nicht mich. Dessen wäre ich mir nicht so sicher.

Gruß
Anastasius

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ninith
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Beitrag Di., 01.12.2009, 16:12

Hallo Satine,

diese Frage habe ich mir auch sehr oft gestellt. Manchmal verzweifle ich daran und denke, dass ich nie die Kurve kriegen werde in meinem Leben, dass ich für immer so verletztlich bleiben werde, dass ich die extremen Ansprüche an mich selbst nie runterschrauben werde können.

Stellenweise packt mich dann der Aktionismus und ich probiere neue Methoden aus... momentan beschäftige ich mich viel mit Buddhismus. Es gibt ein sehr interessantes Buch, es heißt "Zen-Buddhismus und Psychoanalyse", und beim Lesen ist mir aufgefallen, dass diese beiden "Methoden" ein Ziel haben und sich sehr gut ergänzen. In der Analyse geht es sehr rational zu - früher dachte ich, dass ein Verstehen meiner Probleme gleichzeitig zur Lösung führt. Aber mir ist klar geworden, dass das Verstehen nicht nur auf rationaler Ebene erfolgen kann, sondern dass der ganze Mensch verstehen muss - und das ist das Ziel des Buddhismus. Bei der Meditation sollst du die Gedanken abschalten und dich selber fühlen. Das ist sehr sehr schwer und ebenso wie die Analyse mit viel harter Arbeit verbunden. Am Ende des Weges erlebt man sich dann in Harmonie mit der Welt.

Es gibt in der Theravada-Praxis (eine der drei Strömungen des Buddhismus) auch eine spezielle Meditationsform: bei der Metta-Meditation lernt man, Liebe gegenüber anderen und vor allem sich selber zu empfinden. Das ist natürlich dann sehr schwer, wenn man sich selber hasst... dann soll man innerlich Sätze aufsagen wie "Möge ich glücklich sein" und gleich kommt als innerer Widerspruch "das habe ich nicht verdient!".

Also zusammengefasst: Ich weiß nicht, wie man Selbstwert und Urvertrauen lernen kann, aber es gibt einige Methoden, die sowas versprechen, und die probiere ich momentan aus!

LG, roxolana

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Sonja_AC
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Beitrag Di., 01.12.2009, 16:56

Satine hat geschrieben: das alles macht mich extrem traurig und auch sauer . sauer auf meine eltern, weil sie nicht fähig zu echter liebe waren und kein einfühlungsvermögen hatten bzw keine freude an ihren kindern und sauer auf mich, weil ich einfach nicht weiss, wie rausskommen.
traurig, weil es meine lebensqualität so einschränkt und mir deshalb sooooo viel schönes entgangen ist !
trotz alldem bin ich ein fröhlicher mensch, lache gern und viel, zeige kaum meine schwächen und gehöre auch nicht zu den "jammerlappen"..bevor ich jammere, ziehe ich mich lieber zurück und bin für mich alleine traurig.
Schön, dass du deine Gefühle so genau schreibst, das kann ich sehr gut verstehen, dass du traurig, wütend bist, weil du so wenig bekommen hast und sie dich nicht so geliebt haben wie du es gebraucht hättest. Auch das du traurig und wütend bist, dass deine Lebensqualität so eingeschränkt ist. Das kenne ich von mir auch sehr gut und ich stelle mir vor, dass es manchmal total schwer für dich ist diese Gefühle zu fühlen. Denn wohin damit?

Meine Erfahrung ist, dass ich zunächst mal durch alle diese Gefühle mich herantasten musste an das was ich brauchte. Das war so mühsam, denn ich wollte ganz schnell "anders" sein, bis ich verstand, dass ich damit ja das machte, was meine Eltern schon mit mir machten. Alles was nicht "richtig" war, war "schlecht2 und das musste weg. Also war das erste was ich aufhören wollte, dass ich mich selbst nicht so annahm wie ich bin. Meine Gedanken "ich bin nicht richtig" genau zuhören und versuchen sie zu erkennen und dann schritt für schritt mir zu überlegen was ich "liebevolles" zu mir sagen könnte. Da waren dann so Sätze, ja ich kann mich verstehen, dass ich so bin und es ist in Ordnung, wenn ich mir anschaue was ich alles nicht bekommen habe. Und dann war da schon ein Liebesgefühl für mich, ein Verstehen, Mitgefühl mit mir selbst. Und nach und nach kann ich mich auch mit diesem zeigen den anderen. Ich kann anders zeigen, dass ich fröhlich bin, aber auch manchmal zutiefst traurig und auch immer mal wieder echt depressiv. Wenn ich mich dann zeige und anderen sage ich bin depressiv, weil ich mich und mein Verhalten so "sch...." finde, dann finde ich Menschen die "nicken", mich verstehen und plötzlich kommt ganz von selbst in mir auch ein Gefühl von ok, ich bin wie ich bin und es ist in Ordnung.

Das klingt jetzt alles sehr kompliziert - aber es ist eben ein dauerhafter Prozess. Es gibt keine "Heilung" es gibt nur Entwicklung. Und der passiert Schritt für Schritt - aber er rentiert sich, denn dann plötzlich merke ich wie kleine Sachen die ich vorher nicht konnte sich verändern und ich beginne mich daran zu freuen, statt perfekt sein zu wollen. Plötzlich beginnen Menschen sich auch mir gegenüber zu zeigen und siehe da ... wir sind alle gleich. Und das ist dann auch schön, das wusste ich früher, als ich alles versteckt habe, nicht. denn da hat sich mir ja auch niemand gezeigt.

Und dann war da auch noch, dass ich meine Wut auf meine Eltern richtig zulassen konnte und das ich nach und nach verstanden habe, dass das Wunschbild verabschiedet wurde. Ich dachte immer sie müssen mir das doch irgendwann nochmal geben und nach und nach wusste ich da kommt niemand mehr, sie sind wie sie sind und sie werden sich nie ändern. Und dann, wenn ich das wieder so richtig tief fühle, dann weiss ich das ich wieder Kraft in mir finde, Schritt für Schritt zu gehen.

Urvertrauen kommt dabei so ganz allmählich und ich habe den Verdacht das das daher kommt, weil ich mich nach und nach und sehr langsam annehme wie ich bin und plötzllich fühle ich da ein Gefühl manchmal von Urvertrauen. Weiss nicht obs hilft ... aber so ist es bei mir.

Sonja

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Gärtnerin
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Beitrag Di., 01.12.2009, 18:57

Hallo Satine,

Selbstwert hängt eng mit Selbstbewusstsein zusammen. Und Selbstbewusstsein bedeutet nicht, sich nur Listen von den eigenen Stärken und "positiven" Eigenschaften zu machen, wie es manche Ratgeberbücher empfehlen. Selbstbewusstsein bedeutet, sich seiner Selbst mit allen Facetten bewusst zu sein und immer mehr die Angst vor den "dunklen" Seiten zu verlieren. So lange man nicht allen Gefühlen die gleiche Daseinsberechtigung gibt, spaltet man Anteile von sich selbst ab, hält sie für weniger wert. Dann gibt man ihnen (und damit auch sich) keinen Selbstwert.

Theoretisches Geschwätz, ich weiß. Der Weg ist lang. Mir hat dabei sehr meine Psychotherapie geholfen, und zwar auf zweierlei Weise:

1.) Die Therapeutin vermittelte mir von Anfang an, dass ich bei ihr bedingungslos angenommen war. Ich musste in der Therapie nichts leisten, nichts an meinem Leben ändern. Ich musste in den Therapiestunden nicht einmal sprechen - und es gab sehr viele Schweigestunden, die sie mit mir ausgehalten hat. Ich durfte einfach nur da sein, ganz egal, ob es mir gut ging oder schlecht, ob ich etwas zu erzählen hatte oder nicht. Es hat lange Therapiejahre gedauert, bis ich das allmählich annehmen konnte: dass ich ohne jede Vorbedingung einfach nur sein darf, mit all meinen hellen und dunklen Seiten, all meiner Wut und Scham und all meinem unbenennbaren Chaos. Mit dem Angenommensein von außen (durch die Therapeutin) konnte mit der Zeit eine wachsende Selbstannahme entstehen. Allein, ohne diese Bestätigung von außen, hätte ich das nicht geschafft.

2.) Auf der Basis dieses Angenommenseins war es mir möglich, mich meinen inneren Abgründen zu stellen: der Angst vor dem Verlassenwerden, dem Selbsthass, der riesengroßen Wut und dem ganzen übrigen Emotionswust. Diese "negativen" Gefühle waren ein Leben lang verboten gewesen und dadurch ungefühlt geblieben. Sie endlich aus der "Negativ-Ecke" zu holen und neutral zu betrachten, war für mich der Anfang eines langen Heilungsweges, der mich schon weiter gebracht hat, als ich je zu hoffen gewagt hatte, und der dennoch längst nicht zu Ende ist.

Herzliche Grüße,
die Gärtnerin
Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.

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mitsuko
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Beitrag Di., 01.12.2009, 19:45

Hallo,
ich finde, ihr beiden habt da diesen Prozess sehr schön beschrieben, für den ich selbst nur sehr schwer Worte finde.

Es ist ganz schwer, jemandem darzustellen, dass der Weg zu mehr Vertrauen bestimmt niemals gegen die eigenen Makel führt. Oft bringt einen diese Vorstellung ja paradoxerweise erst in die Therapie: da sind all die Fehler, die ich habe, wie kann ich sie ausbessern?
Ich könnte nicht sagen, wie man sich bewusst dahin dirigiert, gerade das anders zu sehen und diesen Anspruch aufzugeben. Bei mir hat es eine, zumindest wahrgenommen, ganz lange Zeit gebraucht von dem Voratz mich zu ändern bis zu ein paar zarten Versuchen, dann doch vielleicht zumindest gelegentlich mal das ein oder andere Makelchen zu akzeptieren, gar zu begrüßen.
Ich tastete da lange sehr orientierungslos umher und habe doch immer noch nur versucht alles richtig zu machen und ja nicht die alten Schattenseiten hervor zu locken. Ein Erfolg in Richtung Selbstvertrauen hieß ja gerade, diesen Seiten den Garaus zu machen, die ganzen Ängste und Unsicherheiten weg, Schlendrian und Faulheit, Sturheit, Bockigkeit, Bösartigkeit und Schadenfreude - alles verbessern und am besten gleich ins Gegenteil verkehren.
Da kämpft man also lange gegen diese Windmühlen und kommt nicht voran, ist aber als kleines Streberlein natürlich immer erpicht, allles umzusetzen, was vernünftig ist und immer schön an sich zu arbeiten bis man geläutert und verbessert dabei rauszukommt ... bloß dass man halt nicht rauskommt. So ging es bei mir vor der Therapie und auch durchaus noch eine ganze Weile mit Therapie.
Irgendwann hat es sich dann gedreht, recht plötzlich. Seitdem geht es nun erstmal ratzfatz, wohin genau bin ich mir noch nicht so vollkommen sicher, aber jedenfalls beginne ich immer mehr Sympathie, Interesse und Freude an mir selbst zu haben, mitsamt ganz vielen Makeln und Ängsten und merkwürdigen Verhaltensweisen, die mich teils einschränken und sicher oft komisch wirken lassen. Ganz, ganz langsam fange ich an, da geradezu froh drum zu sein.
Also ich denke, es lohnt sich auf jeden Fall: ja, man kann Selbstwert auch als Erwachsene aufbauen. Es dauert aber und man wird nicht der makellose Mensch, der man schon immer sein wollte, und wenns läuft wie bei mir, rennt man erst mal ein paar Dutzend Mal gegen die Wand. Aber ich würde sagen, es lohnt sich auf jeden Fall.

Liebe Grüße
mitsuko

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Lea73
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Beiträge: 20

Beitrag Di., 01.12.2009, 22:30

Also Euch beiden letzten Schreibern !
Ich möchte Euch gratulieren zu Eurem positiven Bild einer Psychotherapie.
Wie kriegt Ihr das hin ?
Auch ich habe doch einige Probleme mit meinem Selbstbewußtsein, die ich bisher nur ungenügend lösen konnte, einer Therapie stehe ich jedoch eher kritisch gegenüber.
Das Gefühl des völligen Angenommenseins als Mensch, ganz forderungsfrei, will bei mir nicht so recht aufkommen, wenn ich die Realität nicht ausblende - und das kann ich nun mal nicht : eine Therapiestunde (= 50 min) entspricht dem doppelten bis dreifachen Bruttostundenlohn (60 min.) eines Arztes im chefärztlichen Dienst bzw. dem drei bis vierfachen Bruttostundenlohn eines Allgemeinmediziners in Facharztausbildung. (In Österreich) Als völlig forderungsfreies Angenommensein betrachte ich es daher nicht, wenn ich etwa sechs Stunden arbeiten muß, um den Bruttobetrag einer Therapiestunde selbst netto zu verdienen. Wobei die Verantwortung eines Therapeuten in einer Schweigestunde eine ungleich niedrigere ist.

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Anne1997
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Beiträge: 625

Beitrag Mi., 02.12.2009, 08:09

Hallo,

zuerst einmal herzlichen Dank an Dich, liebe Gärtnerin, für Deinen tollen mich sehr bewegenden Beitrag! DANKE!
So darf ich das auch erleben - das Angenommensein und Deine Beschreibung der Bedeutung des Selbstbewusstseins sind wichtig und (für mich) sehr stimmig.

Ich glaube auch nicht, liebe Lea73, dass dies ein "positives" Bild von Psychotherapie beschreibt, denn um so zu schreiben - gehört unglaublich viel "Sich Stellen" dazu, sich seinen Gefühlen, Schmerz, Leid, seinen Schattenseiten zu stellen und sie anzunehmen. Um diese Verantwortung übernehmen zu können, kann ein Therapeut sehr unterstützend sein, eben durch die quasi bedingungslose Annahme (des Klienten) und das "Nicht-leisten-müssen" (seitens des Klienten).

[quote="Lea73"]Wobei die Verantwortung eines Therapeuten in einer Schweigestunde eine ungleich niedrigere ist.[/quote] Das denke ich eher nicht. Denn in solchen Schweigestunden kann auch sehr viel passieren, auch beim Therapeuten. Hier zu werten, ist nicht sinnvoll (außer wenn ein Therapeut sich dieser Verantwortung nicht stellt)! Oft werden hier viele Denk-/Fühlprozesse erlebt oder ein "Sein" ermöglicht, das man außerhalb kaum erleben konnte bzw. könnte. Dieses auch (manchmal unbeschreiblich) "Leichte", was da entstehen kann, ist nur durch große Bewusstheit (und das Wissen um Verantwortung) auf Seiten des Therapeuten möglich.

Deine Berechnungen und das Werten über die Stundenlöhne führen nicht weiter. Kenne dies aus eigener Erfahrung! Ich würde solches aber in einer Therapiestunde ansprechen, denn das Thema ist ein "Bekanntes". Und gute Therapeuten können damit umgehen (auch wenn bei Teil-/ Selbstzahlern wie oft in Ö, aber auch in D hier andere Voraussetzungen vorhanden sind, die es nicht immer leicht machen).
Und: leisten z.B. Altenpfleger, Automechatroniker, Erzieher, Bäcker etc. weniger verantwortungsvolle Arbeit? Immer eine Frage des Bezugspunktes. Auch hier spielt Vertrauen eine große Rolle!

Wie Mitsuko schrieb: man kann Selbstwert als Erwachsener aufbauen. Ich selbst erlebe dies auch als einen (lebens-)lang andauernden Prozess, der mich trotz allem (gegen die Wand laufen, Hindernissen, Rückschritten - oft "handgemacht") mein Leben als viel reicher und vielfältiger erleben lässt.

Liebe Grüße
Anne

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Thread-EröffnerIn
Satine
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Beiträge: 21

Beitrag Mi., 02.12.2009, 23:40

euch liebe sonja ac, gärtnerin und mitsuko, erstmal ganz lieben dank für eure sehr schönen, sinnvollen und liebevollen beiträge an mich auch danke an alle andern hier, die geantwortet haben.

ich empfinde es als wirklich hilfreich, von den erfahrungen anderer zu hören, ihre sichtweisen, umgehensweise und ideen dazu!
eines sticht immer wieder besonders heraus, wie ich finde und zwar geht es um die selbstanahme durch sich. es hat schon was, man ist zu sich oftmals nicht besser als es früher die eltern waren und erwartet, erwartet und wertet sich ab.

das gilt es sicher als erstes zu lernen. einen liebevollen umgang mit sich selbst finden, nachsichtiger sein, mit abwertungen aufhören und sich nicht so unter druck setzen.
das alles klingt so leicht und mag für viele andere selbstverständlich sein (für die von mir genannten "getragenen, in sich ruehenden, selbstsicheren )
wie oft ertappe ich mich dabei, wie ich mich wieder abwerte, mit mir schimpfe und ungeduldig bin. dabei sollte ich mein bester freund sein....zudem, hat es denn nicht schon gereicht, das die eltern zu einem so lieblos waren?

gestern hat mir jemand in einem gespräch gesagt, das es wohl auch darum geht "freund mit der welt zu werden".... das verstehe ich so, das man dinge, menschen und situationen positiv angeht, nicht immer gleich das schlechte voraussetzt, mit interpretationen aufhört und das schöne, gute und intressante im leben, der welt und andern menschen zu suchen und erkennen.

an dem spruch "wie man hineinruft, so kommt es zurück" ist schon was dran.

das gespräch gestern ergab sich daraus, das ich auf die frage, wie geht es dir, einfach ehrlich geantwortet hatte.
ich habe mich traurig gefühlt und das so gesagt. mein glück war, das es jemand war, der sich dann auch dafür intressierte und nachgefragt hat. so ergab sich ein gespräch, bei dem mal nicht ich die starke und agierende war, sondern er. was er mit viel feingefühl getan hat.
das hat mich sehr gefreut.
obwohl dies "nur " ein virtueller kontakt war, war es ein anfang für mich und ich möchte immer mehr versuchen, dies auch real so zu leben. mehr zu meinen gefühlen und schwächen zu stehen, sie zu zeigen.
das fällt mir wirklich extrem schwer, weil ich mich immer sofort schäme und angst bekomme, das gegenüber sieht mich dann als "schwächling" oder problemhaufen.

ich denke bzw befürchte aber auch, das solche menschen wie ich, es nie schaffen werden, dieses grundgefühl zu bekommen, wie das ein mensch hat, der von klein auf, ein geliebter, willkommener mensch war. denn für mich ist es logisch, das sowas in den ersten lebensjahren gesetzt werden muss und sich dann verfestigt.
aber man kann wohl doch ein stück weit gesunden....
was mir auch aufgefallen ist, ist, dass ich zwar sehr oft tränen in den augen habe und eine tiefe trauer in mir spüre, aber nicht richtig weinen kann. manchmal kommt es zu einem kurzen schluchzen, aber wirklich nur kurz. ich habe mich schon lange nicht mehr richtig ausgeweint. was ja einen doch auch erleichternden effekt hat.
wenn jemand mit mir ist und sich draufeinlasst, dann kann ich weinen..aber wenn ich alleine bin, nicht.
seltsam, oder??
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durchunddurch
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Beitrag Do., 03.12.2009, 19:29

@ Satine

Hey ihr! Ich hab mir eigentlich was anderes durchgelesen, dann hab ich das Thema gesehn und da es mir früher auch so ging (jetzt nicht mehr ) Heißt JA ich habs geschafft mich von unbeliebt, der verarscht wird aufzurappeln und das "Grundvertrauen" wie du sagst zu bekommen. hab ich mir gedacht ich sag auch mal was zu dem Thema und nehm mir mal Zeit hier zu schreiben (mach ich normalerweise nicht). Bin zwar ein Mann u. noch etwas jünger, aber vielleicht hilfts?

Du Fragst nach einer konkreten Antwort? Ich kann dir sagen wies bei mir war:
Ich habe früher genau das gleiche Problem gehabt (ungefähr 7 Jahre lang). Hab mir gedacht wie schlecht ich nicht aussehe, habe keinen Stil, ergo kein Selbstbewusstsein, bin viel zu ruhig, komme dadurch nicht ins Gespräch mit fremden leuten, lerne dadurch niemanden kennen, dadurch wenig Freunde (oder welche die so sind wie ich = schlecht = Teufelskreis)usw...jetzt hab ich das Problem nicht mehr.

Was vielleicht ganz interessant ist ist, dass ich das alles SELBER verändert habe. Wie viele Menschen (und ich kenne/kannte davon auch noch einige, sagen "alleine kann man das nicht schaffen" bla bla bla...Ich hab mich dann von diesen Freunden abgekapselt (wie du eh auch), das war eine super Entscheidung! Dann habe ich angefangen auf das zu höhren was andere immer über mich gesagt haben. z.B. dass ich immer so ruhig bin und ich immer über alles schlecht rede (also Miesepeter), ja das Problem haben viele, aber man kanns Ändern, man darf nicht in Selbstmitleid versinken, das geht gar nicht, KEIN SELBSTMITLEID -> Verbanne es ! Das Große Problem: Schlechte laune und Schüchtern = Schlechteste Kombination die es gibt, dann kanns nix werden!! Also Ändern! (Das Große Wort übrigens = ÄNDERN) Auch noch immer leicht gesagt, das bedeutet Selbstbewusster werden, bei Anderen sympathisch und gut ankommen usw. und dafür hab ich dann schon ein paar Jahre (~4?) gebraucht. Dabei hat mich aber eins sehr schnell weitergebracht, gut drauf sein, viel Gesprächsstoff haben (muss man halt üben), auch angeben von sich erzählen was man für tolle Sachen macht (wenn du nichts zum angeben hast, dann musst halt irgendwas leisten, dass du das dann kannst), immer ein aufgesetztes lächeln haben (EGAL ob das jetzt gespielt ist, DIE MENSCHEN DIE SICH NACH AUßEN HIN GLÜCKLICH UND LOCKER GEBEN SIND BELIEBT!! Du Fragst was andere "gesunde" Menschen machen? Genau das, das ist das aller Wichtigste, sich bei Leuten mit denen man Zusammen kommt, sich einfach vorstellen (Und zwar bei denen die Beliebt aussehen, nicht bei den "Loosern" das bringt nichts, denn da bist du selber!! Unterhalten, wenn die Gelegenheit da ist mit anderen was trinken zu gehen, ausgehen, was auch immer (auch wenns nicht gefällt) dann JA sagen, Nicht sagen ich mag das nicht und das nicht, nicht meckern! Vielleicht klingt das blöd, aber das JA ist wirklich ein Zauberwort. Immer und überall dabei sein, viel (mit)reden, dann wirst du irgendwann automatisch selbstbewusster. Und dich eben von den typischen "Loosern", der ich auch einmal war, loslösen. Klingt gemein? Ist aber so! Wenn du kein Looser sein willst, auch nicht mit welchen abgeben, harte Aussage? Vielleicht. Und achja NEUE DINGE AUSPROBIEREN.

Die Frage ist was du noch für andere Probleme (Mankos) mit dir hast, weiß ich nicht u das mit deinen Eltern ist sicher schlimm. Dass man sich über dich lustig gemacht hat (bei mir warens ander Leute, halt nicht die Eltern). Jetzt kannst machen was du willst, egal was die sagen.
Ich hatte ja auch genug an mir auszusetzen und was macht man dann? Richtig...ÄNDERN! Viele nörgeln immer über sich, dann muss man das ändern, man kann echt so gut wie alles anders machen. Schiefe Zähne -> Zahnarzt. Kaputte Zähne -> Neue Zähne. Schlechte Frisur -> Modemagazin -> Neue Frisur. Schlecht gekleidet (wie viele das nicht sind) -> Modemagazin -> Neue Klamotten. Klingen banal die Sachen, klingen oberflächlich? aber das Aussehen ist einer der wichtigsten Punkte um Selbstwert zu bekommen und um bei anderen gut anzukommen, also eben ETWAS oberflächlich sein! Kann keiner Abstreiten. Kann nicht so schwer sein, ist es aber anscheinend, auch für einige Freunde von mir, die machen aber nichts, reden nur bla bla und ändern nichts. Wenn man nichts verändert wird auch nichts anders. Achja, das ganze ist bei mir nie vorbei, ich ändere LAUFEND Dinge an mir und das machen auch all die beliebten Leute. Ich sag mal das ist harte Arbeit. Aber das ist der Preis. Bin jetzt ja auch schon länger in solchen "Kreisen". Anstatt in Selbstmitleid zu versinken kann man viel mehr machen (gab mal ne Zeit da war das bei mir auch so)

Ich das waren nicht zuviel standard Sprüche, aber bei mir hat es genau so funktioniert!! Ob das jetzt für dich eine Hilfe ist weiß ich nicht. Habe viele Freunde (hatte ich früher nicht, nur die mießepeter Freunde, "Looser"), mach das was ich will u. fühl mich gut.

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RosaBrillenträger
neu an Bo(a)rd!
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Beitrag Fr., 11.12.2009, 23:20

Hallo Satine,

ich bin selbst nicht mehr der jüngste und kann mich in Deine Lage gut versetzen, nachdem es mir ziemlich gleich ergeht. Ohne dass ich jetzt auf die Antworten / Benutzer "losgehen" möchte, ich habe da für mich nicht wirklich viel gesehen, dass mir essentiell helfen würde (Betonung liegt auf "mir", z.B. nur lächelnd durch Leben zu gehen, damit Freunde kommen, wäre für mich zuwenig...)

Ich weiß daher auch nicht, ob du mit meinen Aussagen jetzt was anfangen kannst, ich habe für mich folgende Antworten bzw. Erkenntnisse gefunden.

1) Der Leidensdruck ist noch nicht groß genug, um etwas zu ändern. Momentan "suhle" ich mich in der Opferrolle. Bin neidisch auf die Winnertypen, hasse mich für mein Aufschieben, Introvertiertheit, etc...
Hadere über meine Erfolgslosigkeit. Und du wirst es nicht glauben, meine Frau verweigert mir die Liebe / Sex, nicht direkt, aber Ihrer Körpersprache spricht da eindeutig.

2) Du hast erwähnt, dass es für Dich auch nicht denkbar wäre, mit jemanden zusammen zu sein, der so niedergeschlagen ist wie Du selbst. Es wird noch dicker kommen, auch wenn Du es nicht glauben möchtest (siehe Punkt 1).

3) So wie du es offensichtlich in Deiner Erziehung erlebt hast, so erging es mir nämlich auch, dass das Recht auf Individualität, auf eigene Wünsche nicht erlaubt war, geschweige dass es geäußert werden durfte. Ich ertappe mich dabei noch immer, dass ich ein schlechtes Gewissen bekomme, wenn ich mir was wünsche oder kaufen will.

Meine Erkenntnisse (oder Tips) - wende ich selbst an:

Stufe 1: Vergönne Dir Dinge (auch banale): die Grösse / der Wert spielt keine Rolle, wichtig ist, dass Du dir das wünschen darfst, Dir Zeit nimmst und dir kaufst / zugestehst. Und ganz wichtig, vergönne Dir eine Zeit nur für Dich selbst, d.h. es ist dir erlaubt (oder Dein Recht), dass Du für Deinen Partner, Deine Mutter, Kollegen, etc.. einmal nicht rund um die Uhr erreichbar bist.

Stufe 2: Sei gesund egoistisch, d.h. nicht über Leichen zu gehen oder andere Menschen zu missachten. Das heisst nur, du bist in deinem Leben die Nr. 1 (klingt das egoistisch?). Ich möchte noch hinzufügen: Es könnte auch in Deinem Egoismus liegen, dass Du einen bestimmten Menschen glücklich machen möchtest, oder dass Du es für wichtig hältst, dass es Deinen unmittelbaren Mitmenschen gut geht.

Stufe 3: Vertraue Deinem Bauch (Gaaaaaaaaaaaaaanz wichtig), nicht den (falschen) Regeln folgen, die Dir in Deiner Erziehung auferlegt wurden, deren Sklave Du jetzt (noch) bist.

Stufe 4: Keine Angst vor Fehlern. Sei offen gegenüber Deinen Mitmenschen und gib Ihnen einen Vertrauensvorschuss und erwarte NICHTS. Auch wenn Du enttäuscht wirst, das liegt in der Natur der Menschheit. Es kann daran liegen, dass Deine Mitmenschen böse sind, oder ganz einfach nur daran, dass es zur selben Sache unterschiedliche Auffassungen gibt. Z.B: Reden wir über Autos. So, an welche Marke hast Du jetzt gedacht? An welche Farbe, an eine Lederinnenausstattung.... Ich denke, auch bei diesem Beispiel hatten wir unterschiedliche Gedanken, ohne bösen Hintergrund...

Die paar Punkte sind jetzt kein Patentrezept, aber in kleinen Schritte umgesetzt, können Sie wieder zum gesunden Selbstwert führen. Ach ja, ich bin kein Heiliger und vergesse ab und zu, diese anzuwenden (schon wieder einer, der nur wichtig daherredet...). Das hängt aber - merke ich selbst bei mir - mit dem Leidensdruck zusammen, wenn der nicht wirklich hoch genug ist, hat man aus Bequemlichkeit keine Veranlassung etwas zu ändern ....

In diesem Sinn schönen Abend noch aus Wien

Peter


WernerJörg
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Beitrag Fr., 23.03.2012, 12:01

Liebe Satine,
Dein Eintrag liegt zwar schon einige Jahre zurück, hoffe jedoch, dass er meiner Dich erreicht. Nach der Lektüre muss ich sagen, er könnte genau von mir sein, fast wörtlich. Ich will hier keine Empfehlungen geben, zusammengefasst kann ich sagen, was ich alles gelernt habe über Menschen, die in ihren ersten Lebensjahren kein Urvertrauen ich muss schon sagen bekommen haben. Die Umstände meiner Geburt haben es nicht zugelassen, dass sich bei meiner Mutter Oxitoxin entwickeln konnte, das ja nach Geburten in 2 Schüben ausgeschüttet wird, bei der Geburt und beim Anlegen, beim s.g. Bonding. Beides war nicht möglich bei meiner Geburt und deshalb kann ich das meiner Mutter auch nicht vorwerfen. Ich kann ihr und meinem Vater auch nicht vorwerfen, dass beide dieselben Umstände erlebt haben bei ihren Geburten und in ihrer Erziehung, wie sollen sie also etwas anderes weitergeben können. Kurzum, ich habe aufgehört meinen Eltern die Schuld bzw. Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen, sie konnten und wussten es nicht anders. Aufgehört habe ich jedoch auch mit meinem Selbstmitleid, ich weiß heute, dass mein fehlendes Urvertrauen und alle daraus erwachsenen Probleme unabänderlich sind, ich habe sie angenommen. Ich schaue auch nicht mehr neidisch auf Menschen, bei denen alles normal verlaufen ist und habe hier gelernt, dass obwohl die Urvertrauen entwickeln konnten sich auch Probleme auftun, eben anderer Art. Dass meine Sozialphobie fortdauern wird bis zu meinem Lebensende ist mir auch klar geworden. Auch diesen Umstand habe ich "angenommen" wenn man so will. Ich versuche immer wieder auf Leute zuzugehen und einen Freundeskreis zu entwickeln und scheitere immer wieder wegen der vielen Verletzungen die ich dabei erlebe. Aber ich habe gelernt, dass die Menschen mich doch nicht bewusst verletzen, es sind doch nur MEINE Gedanken. Auch was meine Esssucht angeht habe ich gelernt, dass es doch nur MEINE Gedanken sind wenn ich mir einrede, dass Kuchen, Spaghetti und Schokoladen meine Familienmitglieder sind und dass ich mich nur wohl fühle, wenn die in meiner Nähe oder in meinem Magen sind und ich mich mit denen auseinander setzen kann. Aber nun genug darüber, was ich alles gelernt habe, das war ja aus der Not geboren.
Aufgebaut hat mich übrigens Richard David Precht, der mal gesagt hat, dass es kontraproduktiv und unmenschlich sei, Menschen, die kein Urvertrauen haben, das vorzuwerfen,, so als ob sie selber Schuld daran seien. Mir hat das geholfen nicht mehr so zu leiden, wenn mir Therapeuten lapidar gesagt haben, dann machen sie auch mal was, erkennen sie doch einfach, dass Sie auch jemand sind und was darstellen. Welch ein Blödsinn, aber sie wussten wahrscheinlich selber nicht die Bedeutung und die Auswirkungen durch fehlendes Urvertrauen.
Liebe Satine, ich wünsche Dir von Herzen dass Du die Kraft findest Menschen, die nur so strotzen von Urvertrauen denen das nicht neidest, eher von ihnen lernen kannst, nicht mehr nach Schuld zu suchen und Dein Leben so wie es ist anzunehmen und es zu leben und vor allem zu genießen. Alles Gute. WernerJörg

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