Privat und Beruflich trennen

Das Leben ist wesentlich durch unsere Arbeit geprägt. Der Job kann jedoch auch Quelle von Ärger und Frustration sein, oder persönliche Probleme geradezu auf die Spitze treiben...
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Hiob
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Privat und Beruflich trennen

Beitrag Sa., 18.08.2012, 08:50

Liebes Forum.

Mir fällt auf, wie die Menschen wiederholen, dass sie „berufliches und privates trennen müssen“. Sie sagen das aus voller Überzeugung, es fühlt sich für sie normal an...man kann die Vorlage dafür in Filmen und Seminaren finden. Meist sind die Vorlagen so selbstverständlich, dass man darüber garnicht nachdenkt, es fällt einem nicht auf.

Jetzt hab ich mich gefragt, warum das den Menschen so oft wiederholt wird, bis sie es so verinnerlicht haben, dass es nicht mehr auffällt. Und dabei bin ich darauf gestoßen, dass bestimmte Arbeiten einfach auf diese Weise leichter ausgeführt werden können oder aber sich überhaupt erst einer findet, der das klaglos tut. Das Mantra erleichtert den inneren Konflikt zwischen „ich tue etwas offensichtlich sinnloses oder für die Gemeinschaft schädliches.....tue es aber, weil das eben mein Beruf ist“. Landminenhersteller, Munitionskonstrukteure, verschiedene Geldeintreiberberufe/Rechtsdurchsetzer...Controller, Krankheitenerfinder, Marketingstrategen,Knüppelpolizisten, verschiedene Verwaltungs“berufe“...usw.

Erst indem ich das berufliche Leben völlig vom privaten trenne, kann ich einerseits im beruflichen wie ein Rädchen funktionieren, ein undemokratisches System akzeptieren, etwas tun, was dem gesunden Menschenverstand eigentlich unmöglich wäre, andererseits ein scheinbar völlig getrenntes Heileweltleben mit 2 Kindern, Ratenkredithaus, einem Hund, Ehemann Gewichtsproblemen, Pauschalurlaub und dem dringenden Verlangen nach Demokratie auf der ganzen Welt führen. Könnte man nicht sagen, dass erst DIESE TRENNUNG und anschließender Zusammenhang, „das Geldverdienen ist nur Mittel und für das Privatleben da“ ... eine Art Stabilisierung darstellt, dass überhaupt jemand sich finden kann, der verantwortungsvoll und ausgeglichen im Büro Clustermunition konstruiert, die einem Kind im Wüstensand präzise ein Bein abreißt und abends seinem Kind speichelechtes Kinderspielzeug kauft.

Müsste man nicht dieses Mantra zur Gesundung der Gesellschaft hinterfragen? Ich frage das deshalb, weil ich hier viele Beiträge lese, die damit zutun haben.

Hiob

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Manny
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Beitrag Sa., 18.08.2012, 21:33

Hallo,
ich kann nicht nach Ganzen Tag, wo mir Vorgesetzter auf die Psyche geht - einfach Schalter umkippen und auf Privat umstellen - jetzt bin ich zu Hause.
Es ist unmöglich !
„das Geldverdienen ist nur Mittel und für das Privatleben da“ - man kann es auch anders sehen - für mich nur fürs Überleben, und für andere für die ich arbeite, besseres Leben und Bereicherung !

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Rezna
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Beitrag Sa., 18.08.2012, 21:58

Hiob hat geschrieben:Könnte man nicht sagen, dass erst DIESE TRENNUNG und anschließender Zusammenhang, „das Geldverdienen ist nur Mittel und für das Privatleben da“ ... eine Art Stabilisierung darstellt,....
Richtig!

Das Leben in unserer Gesellschaft ist ein Fkließband der Doppelbindungen. Was man dir auf der einen Seite einimpft versucht man auf der anderen Seite durch Blutwäsche wieder heruszuspülen. Das ist ineffizient und ressourcenfressend - mal völlig abgesehen vom zeitlichen Aufwand. Wie also löst man das Problem dieser Divergenz? Man spaltet. Das funktioniert ja hervorragend. Wussten auch schon die Herren in den Massenvernichtungslager ruhmlos vergangener Zeiten. Man muss seine Werte und Einstellungen mit der Stechkarte abgeben und mit dem Laborkittel quasi eine andere Wertewelt anziehen. Acht bis zehn Stunden am Tag, an hektischen Tagen länger, und abends wieder feinsäuberlich ausziehen, an der Garderobe aufhängen und auf dem Heimweg den Faden der privaten Werte wieder aufnehmen.

GschiBBen wird es dann, wenn das nicht mehr so richtig funktionieren will. Auf einmal fühlt man sich wie ein Stein im eifrigen surren der Zahnräder, verkakt, zerbröselt... die Zahnräder sind so fix miteinander verankert, denen geschieht kein Schaden, aber man selber wird zu Staub.

Ich kann mich noch an die aufkeimenden und immer dominanter werdenden Konflikte erinnern, die mir nicht nur gelegentlich über den Tag kamen - "Was mach ich da?" - sondern nach und nach immer penedranter wurden - "Was GENAU mach ich da?". Gut, ich habe keine Massenvernichtungswaffen erzeugt, zumindest nicht im physischen Sinne, aber Altpapier. Mir war klar, dass 99% der Dinge die ich produzierte im Müll landen, noch ehe jemand einen Blick darauf geworfen hat. Und doch war ich gezwungen, beste Qualität zu liefern. Privat pro Umweltschutz und Ressourcenschonung, und für Geld hab ich dafür gesorgt, dass der Müll auch noch schön chemisch verdreckt ist mit Druckerfarben und Beschichtungen. Aber auch Inhaltlich wurde es zum Problem. Als Veganerin habe ich "Fleischbroschüren" erzeugt. Erzeugen müssen, möchte ich sagen, aber ich hätte ja heimgehen können.

Es wird irgendwann zum Krampf. Irgendwo muss das Geld für die Miete herkommen, weil ich mag nicht auf der Parkbank schlafen. Aber der Großteil der Jobs ist reine Ressourcenvernichtung - weil man "irgendwas" machen muss, wegen dem Geldverdienen. Und dann sitzt man so da, am Arbeitamt, und schaut ganz unglücklich, wenn wieder so ein kreativer Vorschlag kommt. "Darf ich das Ablehnen, weil es mit meinem Gewissen nicht vereinbar ist?" - "Bitte, also was soll DARAN...blabla...." - "Erklärbär spiel." - "Sehen Sie das nicht ein BISSCHEN zu eng? Ach ja, wenn Sie das deswegen abschlagen, werden Sie gesperrt."

Erst wollte ich antworten: Aber die meinen das doch in Sexdingen, das mit privat/beruflich trennen. Aber dann ist mir doch eingefallen: Es stimmt. "Geben Sie ihre Meinung dazu bitte am Eingang ab." Das nennt man dann "Sich mit der Firmenphilosophie identifizieren." Ich konnte das nie und habe mich immer gefragt, ob die Leute die das von sich behaupten WIRKLICH tun. WIE die das tun. Ob der Herdentrieb so stark sein kann, dass das auch ernsthaft funktioniert. Ich musste immer eher lachen bis selbiges steckenblieb. Manchmal hab ich auch direkt gefragt: "MEINST du das so? Ich meine stehst du WIRKLICH dahinter?" Mein Gschau, bei einem ernstgemeinten "Klar" war entsprechend entgleist. Erfreulicher waren da schon die unglücklich Ehrlichen, die zugaben: "Nein, aber ich muss so tun als ob. Ich brauche das Geld." Und am lustigsten wars, wenn man den stillen Werteprotest direkt in die Produkte einarbeiten konnte. Aus Datenschutzgründen kann ich nicht viel erzählen, aber es gab sie, die Rebellion in der Information. Ich hab oft versucht, Kollegen zu animieren, nach der "Abnahme" durch den Kunden noch was "versautes" in die zutatenlisten zu schreiben, irgendwas über die Firmenpolitik. Sowas wie: "Ich grarantiere für die ethische Korrektheit dieses Produkt, Ihr Pedro, 8 Jahre alt." Hat sich aber keiner getraut - Schi.. davor gehabt, dass die Anwaltslawine anrollt.

Gottseidank muss ich derzeit nicht arbeiten. Das ist auch so ein Aspekt, der mir noch schwer im Magen liegt.
»Nimm niemals Böswilligkeit an, wenn Dummheit hinreichend ist.« [Hanlon's Razor]
»Wir sind lieber die Bösen als die Dummen.« [Richard David Precht]

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luftikus
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Beitrag Mo., 20.08.2012, 12:11

Ich trenne Berufliches von Privatem, das ist mir wichtig.

Warum? Weil mein Privatleben ganz anders funktioniert, und ich in meiner Freizeit ganz andere Sachen mache als im Job. Und da ist es mir wichtig, dass mein Beruf da nicht dazwischenfunkt. Würde ich auf diese Trennung nicht achten, dann müsste ich doch auch am Wochenende noch Arbeiten erledigen, Fälle bearbeiten, etc.

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Eremit
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Beitrag Mo., 20.08.2012, 14:51

Ich trenne Berufliches und Privates nicht mehr, da ich nicht mehr umhin komme, als Beruf meiner Berufung zu folgen. Seitdem fühle ich mich mehr wie ein in sich geschlossenes Individuum.

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luftikus
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Beitrag Mo., 20.08.2012, 15:06

Wenn man das Glück hat, seiner Berufung folgen zu können ist das natürlich toll. Aber ich denke, nur ein kleiner Prozentsatz der Menschen kann sagen, so einen Beruf gefunden zu haben...

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MissX
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Beitrag Mo., 20.08.2012, 15:44

Hiob hat geschrieben: Müsste man nicht dieses Mantra zur Gesundung der Gesellschaft hinterfragen?
Hiob hat geschrieben:Landminenhersteller, Munitionskonstrukteure, verschiedene Geldeintreiberberufe/Rechtsdurchsetzer...Controller, Krankheitenerfinder, Marketingstrategen,Knüppelpolizisten, verschiedene Verwaltungs“berufe“
Ja, müsste man. Nur denke ich nicht, dass es nur mit dieser Trennung Privat und Beruf zusammen hängt, bzw. dass das den Kern bildet. Denn diese Menschen erfinden ihren eigenen Sinn in dem was sie tun. Der Geldeintreiber zum Beispiel definiert wahrscheinlich als einen Teil einer "gesunden Gesellschaft" als eine Gesellschaft in der alle Menschen ihre Schulden, Geld bezahlen u. ä. Menschen sind da ja sehr kreativ in Sinnkonstruktionen. Ich bin mir sicher auch, der Landminenhersteller wird seinen eigenen Sinn im Sinne zum Beispiel einer "gesunden Gesellschaft" o. ä. konstruiert haben, um diese Tätigkeit ausführen zu können. Und was es noch alles für Sinnkonstruktionen von "gesunden Gesellschaften" gibt, muss ich wohl nich erwähnen.
Und diese Sinnkonstruktionen hängen wohl auch wiederum von der persönlichen Vergangenheit, Erfahrungen, Vorbilder usw. ab.

Wenn man in der Lage ist, dass ernsthaft zu hinterfragen, hat man ja schon eine andere Konstruktion von Sinn und ich glaube, man wäre nicht in der Lage in bestimmten Berufen zu arbeiten. Außerdem gibt es natürlich noch bestimmte Zwänge (Geld) denen sich einige Menschen meine unterwerfen zu müssen. Das wiederum eine andere Weltsicht, die auch bestimmte gedankliche Konstruktionen beinhaltet.

Ich trenne Berufliches und Privates. Will ja auch mal abschalten.
Aber ich trenne nicht meine privaten moralischen Grundsätze und Sinnkonstruktionen von meinen beruflichen. Bzw. nicht mehr.
Ja, vielleicht Luxus. Aber eigentlich eher hart erarbeitet. Ich find's immer leicht zu sagen, ich kann das nicht, das geht ja gar nicht.
luftikus hat geschrieben:Wenn man das Glück hat, seiner Berufung folgen zu können ist das natürlich toll. Aber ich denke, nur ein kleiner Prozentsatz der Menschen kann sagen, so einen Beruf gefunden zu haben...
Es geht vielleicht auch zu Beginn gar nicht um das Finden. Es geht eher um das Ziel und den Weg dorthin.
Eine "Berufung" hat bei genauerer Betrachtung sehr, sehr viel kleine "Ableger".

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lemon
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Beitrag Mo., 20.08.2012, 16:26

Ich hab einen Job, der meinen Wertvorstellungen entspricht. Ich muss hier nichts trennen bzw. mich anders verhalten.
[center]Das, was wir Menschen am meisten brauchen,
ist ein Mensch, der uns dazu bringt,
das zu tun, wozu wir fähig sind.[/center]


Eremit
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Beitrag Mo., 20.08.2012, 17:16

luftikus hat geschrieben:Wenn man das Glück hat, seiner Berufung folgen zu können ist das natürlich toll.
Das hat nichts mit Glück zu tun. Ich habe dafür schon Obdachlosigkeit und Armut in Kauf genommen und noch mehr. Ich zahle dafür einen hohen Preis. Und dennoch ist es diesen Preis wert!

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Hiob
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Beitrag Fr., 24.08.2012, 16:23

Könnte man sagen, dass die Suche nach der Berufung einen immer von einem zum anderen treibt, man nach einigen Wechseln dann feststellt, dass eigentlich:

...dein eigenes Leben dein Beruf....ist?

fragt
Hiob


Eremit
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Beitrag So., 26.08.2012, 18:45

Hiob hat geschrieben:...dein eigenes Leben dein Beruf....ist?
Sofern man keinen Unterschied mehr zwischen Beruf und Berufung macht, ja.

Lieber sterbe ich, bevor ich je wieder zu einem typischen Lohnerwerbs-Zombie werde wie so viele andere Menschen. Das mag vielleicht etwas für gläubige Menschen sein, für mich ist das nichts.

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Manny
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Beitrag Mo., 27.08.2012, 18:26

Eremit hat geschrieben: zu einem typischen Lohnerwerbs-Zombie werde wie so viele andere Menschen. Das mag vielleicht etwas für gläubige Menschen sein, für mich ist das nichts.
Du brauchst nur die Massen anschauen, die in der früh rennen...

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mandy01
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Beitrag Do., 11.10.2012, 15:48

Ich könnte niemals einen Job machen, der meinen Wert- oder Moralvorstellungen widerspricht! Aber trotzdem trenne ich berufliches und privates, aber auf anderen Ebenen.

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Hiob
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Beitrag Fr., 12.10.2012, 15:22

@ Mandy.

Aber wozu trennst du es denn und auf welchen Ebenen?

Ich frage deshalb, weil ich mir das eigentlich garnicht mehr vorstellen könnte, den privaten Teil vom beruflichen zu trennen. Die Ich-Maske, die für "den beruflichen Teil notwendig" sei, wie einige meinen, würde mir viel zu viel Kraft abzweigen, die ich aber für das ganz normale Leben brauche.

Fragt
Hiob

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