Schwierigkeiten mit der Ablösung nach der Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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ailuj88
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Schwierigkeiten mit der Ablösung nach der Therapie

Beitrag Do., 06.05.2021, 18:31

Hallo zusammen,

vielleicht kann der ein oder andere hier mal berichten, wie es euch nach dem Therapieende ergangen ist.
Seid ihr gut darüber hinweggekommen oder ward ihr mit euren Gedanken noch lange bei eurem Therapeuten?
Und wenn ja, wie habt ihr es geschafft, damit zurechtzukommen?
Mir fällt es 7 Monaten nach der Therapie immer noch sehr schwer und ich vermisse den Kontakt extrem.

Danke für eure Antworten und liebe Grüße :-)

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Beitrag Fr., 07.05.2021, 20:41

Wie lange warst du in Therapie?
Wie war der Abschied für Dich? Die letzte Stunde?
Habt ihr euch lange auf den Abschied vorbereitet?

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ailuj88
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Beitrag Sa., 08.05.2021, 07:42

Hallo Bilderbuch.
Ich war 3 1/2 Jahre in Therapie, 3-4 mal die Woche. Ich hatte insgesamt 400 Sitzungen. Wir haben seeeeeehr lange über diesen Abschied gesprochen, wirklich sehr lange. Ich habe schon sehr früh gemerkt, dass ich davor große Angst habe und wir hatten das Thema immer wieder. Die letzte Stunde war schön, zwar sehr emotional, aber trotzdem schön. Ich würde auch sagen, dass der Abschied an sich gelungen ist, aber ich komme davon trotzdem nicht los. Die Gedanken daran begleiten mich irgendwie jeden Tag und ich bin sehr oft traurig. Bin mittlerweile sogar bei einer anderen Therapeutin um dieses Thema aufzuarbeiten. Ich frag mich, wie lange das so geht... :-(

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Fairness
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Beitrag Sa., 08.05.2021, 08:11

ailuj88, ich finde, es ist ein wichtiger Schritt während und nach einer Therapie, sich Menschen, mit welchen man sich gut versteht, in realem Leben zu finden... nicht an dem Therapeuten "hängen" bleiben, sondern sich auch zu früheren Beziehungen oder solchen mit neuen Menschen mit gleichem Wohlwollen zu öffnen, sich in diesen neu zu erleben.

Manchmal entstehen wirklich schöne Beziehungen im Rahmen der Therapie und oft passiert das auf einer sehr persönlichen Art. Und Patient erfährt, dass manche seine inneren Überzeugungen vielleicht unrealistisch und selbst-verletzend waren und dass da ein Mensch sitzt, die Beziehung mit welchem genau das beweist. Dass man sich auch nachdem es vorbei ist, danach so sehnen kann... und doch, der Therapeut war vorerst ein fremder Mensch, wie jeder andere vorerst ein fremder Mensch ist, welchen man begegnet. Warum dann nicht dieses neue Verständnis in andere Beziehungen mitnehmen und erfahren, wie schön das manchmal sein kann.

Ich glaube, dass eine vergangene beidseitig zugewandte Beziehung zu betrauern, ganz normal ist, und sieben Monate ist erstmal nicht allzu lange Zeit, seit dem Abschied. Leidest du innerlich wirklich, oder bist du traurig?

Als meine Therapie zu Ende gegangen ist, half es mir sehr, mir zu vergegenwärtigen und das auch aktiv zu erleben, dass das, was ich in der Therapie fand, was mich das über die Beziehungsgestaltung gelehrt hat, an das Leben außer der Therapie übertragbar ist... Vielleicht schaue mal, wie du das, was du in deiner Therapie damals fandest und erarbeitet hast, in deinem gegenwärtigen Leben wiederfinden kannst. Ich könnte mir vorstellen, dass dann auch die ehemalige Therapie weniger mit der Sehnsucht, sondern eher mit einer schönen Erinnerung verbunden sein wird.
Man sieht, was man am besten aus sich sehen kann. (C.G.Jung)

Grief is just love with no place to go. (Jamie Anderson)

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Beitrag Sa., 08.05.2021, 09:02

Hallo Alluj
Das ist natürlich eine sehr intensive Therapie gewesen und es ist normal, dass du die Therapeutin sehr vermisst.
Ich würde mich nicht fragen wie lange das noch so geht? Es geht so lange wie es schmerzt.
Was habt ihr abgesprochen nach der Therapie?
Darfst du dich manchmal melden?
Es ist gut, dass du in der neuen Therapie Dir Hilfe holst. Bei chronischer neurologischen Erkrankung bekommt man z.B. regelmäßig eine Physiotherapie.
Warum sollte man bei einer psychischen Erkrankung denn unbedingt allein klar kommen müssen?
Insofern, ich würde einfach machen, fühlen, reflektieren und das neue Leben leben. Mit neuer Therapeutin und mit dem Vermissen.

Ich habe vor 4 Monaten Therapie beendet. Auch eine sehr lange intensive PA. Auch ich vermisse meine Therapeutin sehr. Das dauert.
Mir geht es gut, weil ich mir die positiven Bilder mit ihr verinnerlicht habe und sie täglich in Erinnerung rufe. Bei schwierigen Situationen sehe sie, sie hält mir z.B. die Hand und sagt „du schaffst das“. Zudem rede ich über meine Trauer mit Freunden, Familie, Ärztin. Mir hat auch geholfen loszulassen alles aufzuschreiben was ich fühle.
Auch mir klar zu machen, dass die Rolle der Therapeutin es war mich durch die Therapie zu begleiten und dann loszulassen, hilft. Es war eine Behandlung bei psychischer Erkrankung durch eine stabile positive Beziehung. Nicht eine Beziehung!
Diese Behandlung hat es mir neue Perspektive ermöglicht und jetzt bin ich dran, sie zu nutzen.

Was vermisst du konkret?

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Arakakadu
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Beitrag So., 09.05.2021, 05:49

Also hat das was mit Anhängigkeit zu tun oder eher nicht? Ich mache seid 2,5 Jahren eine tfp und gehe ca 1-2x wöchentlich hin. Ich habe auch schon furchtbare Angst vor den Abschied, weil ich generell starke Trennungsängste habe. Ich habe noch kein Ende in Sicht, aber ich frage mich, war das Ende von dir bestimmt? Hättest du die Therapie nicht ausschleichen können?

Ich spreche diese Ängste immer an in der Therapie, er sagt immer zu mir, dass die Abhängigkeit ganz normal ist in dem Moment, weil ich nie gute Abhängigkeit erfahren habe und dass er mir versichern kann, dass ich das später nicht mehr brauchen werde dieses intensiven Kontakt und dass ich selbst mal so weit sein werde und entscheide zu gehen. Eine Trennung aus einer guten Beziehung ist immer ein Verlust und die Frage wie man dann damit umgehen wird. So seine Worte... Ich fürchte mich auch schon, aber irgendwie glaube ich ihm, dass ich das dann mal selbst schaffen werde.
3.5 Jahre sind für so ne intensive PA ja normal und gar nicht sooo lang? Ich kenne viele die 4-5 Jahre eine tfp machten aber kommt halt auch immer auf die Störung drauf an.

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Scars
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Beitrag So., 09.05.2021, 10:49

ailuj88 hat geschrieben: Do., 06.05.2021, 18:31 Seid ihr gut darüber hinweggekommen oder ward ihr mit euren Gedanken noch lange bei eurem Therapeuten?
Und wenn ja, wie habt ihr es geschafft, damit zurechtzukommen?
Was bedeutet für dich „darüber hinwegkommen“? Ich persönlich habe nicht den Anspruch über irgendwas hinwegzukommen, so zu tun als wäre nie etwas gewesen, schon gar nicht, wenn es mich positiv berührt hat? Über andere Beziehungen bin ich auch nicht hinweggekommen, ich denke z.B. immer mal wieder an meine Oma. Aber das Leben geht weiter und es ist wichtig, in der Gegenwart gute Beziehungen zu pflegen!

Meiner Erfahrung nach, egal mit welchem Abschied, braucht es mindestens 1 Jahr bis die Gedanken weniger werden. Manchmal kam die Trauer bei mir auch zeitverzögert. Wie bei allem hilft es mir vor allem gut mit mir selbst umzugehen und für mich und meine Gefühle zu sorgen, hinzuhören, was ich brauche... das kann aktive Auseinandersetzung sein oder auch aktive Ablenkung, auf jeden Fall den Prozess leben, selbst in die Hand nehmen und sich nicht von außen reinreden lassen.
Remember to leave pawprints on hearts.


Truemmerlotte
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Beitrag So., 09.05.2021, 22:28

Hallo du...

Mir half es am Anfang sehr, wenn es mal drückte und ich mich meinem Therapeuten unbedingt "mitteilen" wollte, einen Brief zu schreiben aber nicht los zu schicken.

Egal ob es die Trauer war ihn einfach nicht mehr sehen zu können und ich ihn schrecklich vermisse, die Ungewissheit und gleichzeitig auch ein bisschen die Wut, warum wir einfach nicht weiter gekommen sind, ob er zu" lasch" war in manchen Situationen oder ich wirklich so dicht gemacht habe und nicht stark genug war für manches Thena...ich ihm gerne von meiner Schwangerschaft und späteren Fehlgeburt erzählen wollte oder wie ich mich bei der Arbeit "mache".
Wie sehr meine Tante mich momentan auffängt usw.
Das alles schreibe ich ihm in einem Brief, packe diesen dann aber zur Seite.
(Mir persönlich würde es nicht gut tun, würde er sich auf einen dieser Briefe melden.)

Des weiteren habe ich, Gott sei Dank, meine Tante an meiner Seite mit der ich gut über meinen Therapeuten und meinen Gefühlen zum ihm reden kann. Denn auch bei mir ist das Thema noch nicht durch, auch wenn ich jetzt bestimmt schon vor gut einem Jahr die Therapie vorzeitig beendet habe.
An manchen Tagen fehlt er mir immer noch, wenn ich ihn mal im Auto sehe (was echt schon ein paar Mal vorgekommen ist), schlägt mein Herz wild umher...

Ich glaube vieles braucht einfach auch viiiiel Zeit um "gut" oder "Okay" zu werden. Gib dir die Zeit!
Er/Sie war einige Zeit ein sehr wichtiger Mensch für dich. Das man so einen "Verlust" nicht nach ein paar Monaten überwunden hat, finde ich jetzt nicht ungewöhnlich.

Liebe Grüße
Trümmerlotte

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ailuj88
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Beitrag Mo., 10.05.2021, 20:02

Ich danke euch sehr für Eure Antworten und "freue" mich zu lesen, dass ich nicht alleine damit bin.
Auch darüber, dass ihr mich darin bestärkt, dass dieser Prozess nach so einer langen Zeit völlig normal ist und einfach dauert. Manchmal fällt es mir einfach schwer, das so zu akzeptieren, weil ich immer denke, es ist doch "nur" mein Therapeut und kein Beziehungspartner. Aber letztendlich war es ja eine Beziehung und dann auch noch eine gute.
Ich vermisse einfach den Kontakt, das Gefühl, dass da jemand ist, der mich so gut kennt. Ich vermisse auch die Stille, die ich da in diesem Raum gefunden habe und das Gefühl, dass da jemand ist, der mich einfach nur so wie ich eben bin annimmt und alles mit mir aushält. Ich habe all das auch außerhalb meiner Therapie, also es ist nicht so, dass ich das alles in anderen Beziehungen nicht könnte. Aber bei ihm war es natürlich auf einer anderen Ebene. Er ist mir ans Herz gewachsen und ich hatte immer Angst, dass die Verbindung abbricht, wenn wir uns nicht mehr sehen.

Nach der Therapie hatte ich ihn noch ein paar Mal kontaktiert und er hat mir letztendlich auch vorgeschlagen, ob ich mir vorstellen könnte, mir einen anderen Raum zu suchen, um diesen Abschied zu verarbeiten. Weil eine erneute Stunde während des Ablösungsprozesses vermutlich eher kontraproduktiv wäre.

Ich hatte auch oft das Gefühl abhängig zu sein, aber letztendlich war es schon so, dass ich eben auch genau dahin musste. Es musste so kommen, dass ich mich abhängig fühle, weil ich dieses Gefühl bisher nie so zulassen konnte. Ich war eher das Kind, dass sich niemals von jemanden abhängig machen wollte. Auch dieses Abhängigkeitsgefühl hat so vieles offen gelegt und daran konnte ich wachsen. Bis zuletzt habe ich mich zumindest gefühlstechnisch nicht bereit gefühlt zu gehen, aber mein Kopf wusste, dass es an der Zeit ist. Wenn der Kopf irgendwann soweit ist, dann ist das irgendwie schon die halbe Miete. Weil man dann ja anfängt, auch an sich selbst zu glauben und daran, es alleine zu schaffen. Das Herz lässt sich eben nicht so einfach steuern, erst recht nicht, wenn damit ein schmerzhaftes Gehenlassen verbunden ist. Ich hatte und habe aber immer die Hoffnung, dass ich mit dieser Wunde dann leben bzw. sie von allein verschliessen kann.

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