Welchen Nutzen hat es den Missbrauch zu thematisieren?

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Lawendelblüte
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Welchen Nutzen hat es den Missbrauch zu thematisieren?

Beitrag Mo., 09.05.2022, 21:53

Hallo,
wie bereits in der Überschrift gefragt, frage ich mich, was es wirklich bringt, in der Therapie (fund. AP) den Missbrauch konkret zu beschreiben.
Dass Folgestörungen da sind ist unbestritten. Die zu bearbeiten, Zusammenhänge entdecken, Muster aufzugreifen macht ja Sinn. Ich habe heute das erste Mal nach ca. 5 Monaten Therapie über Erlebnisse gesprochen. Es ging ganz gut. Jetzt muss ich immer darüber nachdenken, was mir die etwas detailliertere Schilderung bringt, außer, dass die Bilder wieder da sind. Mir geht es darum den therapeutischen Nutzen zu erkennen. Kann es möglich sein, dass es gar nicht notwendig ist, darüber genau zu sprechen? Ich kann mir schon vorstellen, dass es etwas leichter wird, wenn man sich mitteilt,... ob es aber wirklich an den Folgestörungen was ändert?

Wie ging es euch damit? Ich habe der einen oder anderen Freundin von dem Missbrauch erzählt, kann also schon ein bisschen rauslassen-allerdings nur ohne Details.

Danke
Lawendelblüte

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Waldschratin
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Beitrag Di., 10.05.2022, 05:37

"Musst" du denn Einzelheiten erzählen in deiner Therapie?
Hat das der/die Thera zur "Bedingung" gemacht?

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Lawendelblüte
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Beitrag Di., 10.05.2022, 07:37

Hallo Waldschratin,
nein, ich muss gar nix, sie ist da völlig freilassend. Aber man hört das ja immer, dass es raus soll um es zu verarbeiten. Manchmal ist es auch komisch so um den Brei herum zu reden. Aber einfach ist es trotzdem nicht.
Deshalb wollte ICH abwägen, wieviel es mir evtl. bringen könnte, dass es insgesamt erleichtert.
Lg

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chrysokoll
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Beitrag Di., 10.05.2022, 07:58

machst du die Therapie (auch) wegen der Traumafolgen?
Dann ist eine analytische Psychotherapie eigentlich die schlechteste Wahl.
Nur mal irgendwie so drüber reden bringt wenig bis nichts, im schlechtesten Fall schädigt es weiter.

Ich kann dir nur dringend empfehlen dir eine Traumatherapie zu suchen. Oder hat deine Therapeutin eine derartige Zusatzqualifikation?

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Waldschratin
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Beitrag Di., 10.05.2022, 08:31

Lawendelblüte hat geschrieben:Hallo Waldschratin,
nein, ich muss gar nix, sie ist da völlig freilassend.
Das freut mich für dich, das wäre sonst ziemlich daneben.

Hast du dich denn vor oder zu Anfang deiner Therapie schon mal ausgiebiger informiert über Trauma und Traumabearbeitung? Oder anfangs mit deiner Thera mehr drüber gesprochen, als es um deine Therapieziele etc. ging?
Trauma ist ja ein riesen Feld, da gibt es zig Verfahren, die sich etabliert haben.

Dann fand ich es sehr wichtig für mich rauszufinden, was für ein "Typ" ich bin, also was mich am meisten stabilisiert und unterstützt während der Bearbeitung.
Ich kann z.B. viel mit Imagination und Symbolik anfangen, brauche die körperliche Schiene mit dazu und am wichtigsten ist für mich die Beziehung (zum/r Thera), da lagen allerdings auch meine heftigsten Schwierigkeiten.

"Einfach drauf los reden" und die Dinge beim Namen nennen, kann für einzelne Betroffene der richtige Weg sein, ich finds ehrlich gesagt gefährlich.

Mein Thera (VT, Traumatherapie) hat mir zuerst "beigebracht", mit meinen Gefühlen besser klar zu kommen. Die können ja zuweilen mehr als heftig über einem zusammenschlagen, wenn man in medias res geht.

Dann war sehr wichtig, dass ich gelernt hab, das "Damals" vom "Jetzt" unterschieden zu bekommen.
Wenn sich also durch Trigger im Jetzt das in meinem Erleben wiederholt hat, was "eigentlich" damals geschehen war, vermischt es sich ja erstmal für einen und man denkt, dass man tatsächlich wieder dasselbe erlebt.
War für mich auch der Kernpunkt, das zu begreifen, dass ich mein Damalserleben mit meinem Jetzterleben "ergänzen" lernen muss, wenn ich ins Damals Abschluss und Frieden bringen will.

Was hast du denn mit deiner Thera so an grundsätzlicher Vorgehensweise besprochen für deine Therapie?
(Musst übrigens nicht antworten, nur weil ich so neugierig frag. ;-) )

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Lawendelblüte
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Beitrag Di., 10.05.2022, 10:08

Hallo zusammen,
ui, da bin ich glaub ich ziemlich "blauäugig" ind das Thema. Schon alleine zu definieren was Traumafolgestörungen sind ist eine Challange. Ich glaube, dass ich den MB bisher ganz gut sortiert hatte. Ich habe keine Fashbacks (fast keine) keine Sexualstörung. Es geht mehr um die Symtome wie Herzrasen, Schwindel innere Unruhe bis hin zur Panik, Angst -vor allem um mich, dass ich sterbe- dass ich mein Leben nicht mehr auf die Reihe krieg, da ich ja früher sehr aktiv war. Durch die Symtome bin ich eingeschränkt. Gott sei dank, kann ich mir als Sebständige alles einteilen und auch leisten weniger zu tun. Nun stellte sich für mich die Frage, ob nicht doch das alte Thema damit zusammenhängt?? Genauso hab ich es auch der Thera gesagt. Sie meinte, wir können uns da hinarbeiten. Und bisher merke ich schon, dass die Dinge wie Gefühle, Umgang mit sich selbst bearbeitet werden und auch eine spürbare Wirkung haben.(positiv) Deshalb weiß ich nicht, warum die AT unpassend ist. Hm, es ist irgendwie so, dass da was da ist, aber zu wenig um es greifbar zu machen. Ich kann es nicht besser ausdrücken-irgendwie diffus...

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ExtraordinaryGirl
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Beitrag Di., 10.05.2022, 12:09

Meines Wissens ist es unter Fachleuten schon seit ein paar Jahrzehnten nicht mehr Konsens, dass man "alles rauslassen" und ein Trauma im Detail bearbeiten muss, um stabil zu werden. Das destabilisiert oft eher.

Ich persönlich habe es aber nicht geschafft, Folgestörungen zu bearbeiten, ohne das Trauma im Detail durchzugehen. Vielleicht hängt das vom Leidensdruck ab und davon, wie präsent das Alte noch ist?

Wer z. B. ein tiefsitzendes Vertrauensproblem hat, wird das nicht durch ein paar warme Worte auflösen können.
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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münchnerkindl
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Beitrag Di., 10.05.2022, 12:12

Lawendelblüte hat geschrieben: Di., 10.05.2022, 10:08 Ich glaube, dass ich den MB bisher ganz gut sortiert hatte. Ich habe keine Fashbacks (fast keine) keine Sexualstörung. Es geht mehr um die Symtome wie Herzrasen, Schwindel innere Unruhe bis hin zur Panik, Angst -vor allem um mich, dass ich sterbe- dass ich mein Leben nicht mehr auf die Reihe krieg,

Hört sich nicht so an als würdest du den MB, oder die Folgen des MB gut sortiert zu haben.

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chrysokoll
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Beitrag Di., 10.05.2022, 12:13

Lawendelblüte hat geschrieben: Di., 10.05.2022, 10:08 Und bisher merke ich schon, dass die Dinge wie Gefühle, Umgang mit sich selbst bearbeitet werden und auch eine spürbare Wirkung haben.(positiv) Deshalb weiß ich nicht, warum die AT unpassend ist.
wenn du bisher in der Therapie gut zurecht kommst und den Eindruck hast weiter zu kommen dann ist es doch gut.

Aber: Ich halte nicht viel von Analyse, schon gar nicht im Zusammenhang mit Trauma. Ich hab da leider sehr sehr schlechte Erfahrungen gemacht und Analytiker denken immer sie können alles und sind für alles geeignet.
Eine ganz fatale Fehleinschätzung, wenn deine Therapeutin keine Traumaqualifikation hat und dich "einfach so" erzählen lässt dann ist das brandgefährlich und spricht echt nicht für sie

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münchnerkindl
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Beitrag Di., 10.05.2022, 12:26

Über Details von MB zu reden ist dann eine Erleichterung wenn es für einen persönlich entlastend ist es mit jemandem zu teilen und nicht mehr so alleine für dich zu tragen.
Das Risiko dabei das ganze Trauma "wiederzuerleben" und auch das Gefühl der Traumatisierung wieder frisch hochzuholen besteht dabei. Von daher wäre ich da eher vorsichtig in Details zu gehen.

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Candykills
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Beitrag Di., 10.05.2022, 14:07

Wie kommst du denn darauf, dass man detailliert darüber sprechen MUSS. Du kannst, wenn dir danach ist. Und wenn nicht,, dann lässt du es. Außer du machst grade EMDR, dann ist es schon nötig, weils ja um die Verarbeitung konkreter Ereignisse geht.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Tupsy71
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Beitrag Di., 10.05.2022, 18:32

Lawendelblüte, ich finde es nicht wichtig, darüber zu reden, doch wenn die Erinnerungen präsent sind und einen nicht los lassen, kann es gut tun sich bei Thera sozusagen auszukotzen.
Mir ging es so, dass ich am Anfang der Therapiezeit( also die ersten vier Jahre oder so) alles einfach erzählte, wie ein Rezept runtergeredet. Die Gefühle dazu waren einfach nicht da. Heute, nach vielen Jahren, verspüre ich den Schmerz der Altlasten, doch im Gesamtpaket. Ich meine damit, dass die Gefühle zu den Einzelnen Szenen nicht vorhanden sind. Also auch abgespalten oder so. Da es aber immer noch präsent ist, bin ich dankbar, wenn ich wenigstens mit Thera manchmal doch drüber reden kann, was grad hoch kommt.
Sorry, wollte auf was bestimmtes hinaus, aber habe vergessen.

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Lawendelblüte
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Beitrag Di., 10.05.2022, 21:31

Candykills hat geschrieben: Di., 10.05.2022, 14:07 Wie kommst du denn darauf, dass man detailliert darüber sprechen MUSS. Du kannst, wenn dir danach ist. Und wenn nicht,, dann lässt du es. Außer du machst grade EMDR, dann ist es schon nötig, weils ja um die Verarbeitung konkreter Ereignisse geht.
von einem MUSS bin ich eh nicht ausgegangen. Mir gehts ums Abwägen. Ich trau mir da selber nicht über den Weg.

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Lawendelblüte
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Beitrag Di., 10.05.2022, 21:37

@Tupsi71, ja genau so gehts mir auch. Das "vermeintliche" Sortiertsein ist das was du mit Rezept beschreibst. Es fehlt das Gefühl dazu.
Dann dachte ich, wenn ich mich mitteile, vielleicht nimmt das den Druck raus.
Aber ich bin ziemlich verwirrt. Ich habe og. Symtome. Es ist schon wahrscheinlich, dass die mit meinen Erlebnissen zusammenhängen. Wenn ich jedoch auf die Erlebnisse eingehe, bewegt sich in mir nicht viel-was wiederum ja auch angenehm ist, da es augenscheinlich nicht belastet. Irgendwie ein Teufelskreis. Andererseit habe ich auch Angst, dass eine Bombe platzen könnte und dann alles noch schlimmer wird.
Ist es eigentlich nachvollziehbar, war ich meine? Komme mir gerade ziemlich verwurstelt vor....


montagne
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Beitrag Di., 10.05.2022, 22:20

Ich hatte es als hilfreich erlebt, eine Sache detailliert zu berichten. Ich konnte dadurch quasi lernen wie ich innerseelisch mit sowas umgehen kann, ohne destruktive Denk- und Verhaltensweisen anzuwenden.
An manches bin ich wohl auch nicht rangekommen.

Was aber gut zugänglich war, waren die Probleme im Hier und Jetzt. Ich konnte wirklich sehr an Sicherheit, Beziehungsfähigkeit und Kompetenzen entwickeln, so dass ich mich wirklich gut gerüstet fühle, mit mir, mit dem Leben, mit anderen umzugehen. Dazu gehört für mich auch, mir ggf. nochmal Hilfe für bestimmte Bereiche zu holen.

Also kurz. Ich denke man muss nicht detailliert drüber sprechen. Es ist für viele ein valider Weg, aber es gibt andere.
amor fati

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