Dissoziiere bei Ärger über Therapeutin

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DorothyP
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Dissoziiere bei Ärger über Therapeutin

Beitrag Sa., 24.09.2022, 19:59

Hallo zusammen,

ich habe schon seit einiger Zeit immer wieder mal Probleme in der Therapie bzw. in der Therapiebeziehung. Ich habe manchmal das Gefühl mich rechtfertigen zu müssen und fühle mich manchmal verletzt von den Kommentaren meiner Therapeutin. Ich habe schon zwei mal mit ihr versucht darüber zu sprechen und diese Woche nun ein drittes mal. Ich versuche es auch deswegen immer wieder, weil ich grundsätzlich schon vertrauen zu ihr habe. Mir fällt das reden grds. sehr schwer, auch nach über einem Jahr. Ich könnte mir vorstellen, dass unsere etwas "holprige" Beziehung vielleicht auch an mir liegt oder es nur meine Wahrnehmung ist. Sie sagte, ihr sei nichts aufgefallen. Und ich habe auch den Eindruck, dass sie denkt es ist eher meine Wahrnehmung. Bei der Vorbereitung auf das Gespräch habe ich sehr viel über unsere Beziehung nachgedacht und mir ist z.B. aufgefallen, dass ich, wenn ich sauer oder wütend auf meine Therapeutin werde (während) der Behandlung, dissoziiere ich direkt. Als wenn ich nicht auf sie wütend sein kann. Sonst kann ich auf alle möglichen (auch nahestehenden) Personen wütend sein, ich verstehe das nicht. Zuhause kann ich auch über sie schimpfen, aber während der Stunde scheint es mir nicht möglich zu sein. Ich kann mich dann leider auch nicht mehr erinnern warum ich sauer war.
Hatte das vielleicht schon mal jemand oder hat jemand eine Idee woran es liegen könnte?

LG Doro

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Shukria
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Beitrag Sa., 24.09.2022, 21:42

Woran es liegen könnte.. Nein. Dissoziationen stehen ja für zu viel Stress.

Du könntest das Thema, das du in der Stunde nicht wütend auf sie sein kannst mit ihr besprechen. Notfalls auf nen Zettel mit schreiben und zur Stunde mitnehmen.

Auch Situationen die dich wütend machen direkt im Anschluss aufschreiben, dann vergisst du es nicht.

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Sinarellas
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Beitrag So., 25.09.2022, 08:25

> dissoziiere ich direkt.
Wie merkst du das? Was genau erlebst du da?

Grundlegend ist DIssoziation eine sehr starke Vermeidungs-Reaktion, du willst / kannst dich mit der Situation nicht beschäftigen, sie nicht aushalten, sicherlich, weil ähnliche Situationen bereits in deinem Kopf verankert sind.
An wen erinnert dich deine Therapeutin in dem Moment oder die Situation?

Aufschreiben wie Shukria es schrieb, vorlesen und so zumindest mal ins Gespräch darüber kommen, dass das Thema mehr beachtung bracuht, als die Therapeutin meint.
..:..

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Philosophia
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Beitrag So., 25.09.2022, 08:33

Doch... ich kanns mir vorstellen: Bei mir wars unbewusste Todesangst. Ich durfte früher keine Kritik äußern, ohne emotional und körperlich bestraft zu werden. In der Therapie ist ein Abhängigkeitsverhältnis, welches der ElternKindBeziehung ähnelt. Ich habe gelernt: Kritik äußern = massive Gefahr. Und somit übertrag ich das ins Hier und Jetzt. Hinterher schimpfen geht, weil dann die direkte (befürchtete) Gefahr nicht da ist.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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münchnerkindl
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Beitrag So., 25.09.2022, 11:33

Sinarellas hat geschrieben: So., 25.09.2022, 08:25
Grundlegend ist DIssoziation eine sehr starke Vermeidungs-Reaktion, du willst / kannst dich mit der Situation nicht beschäftigen, sie nicht aushalten, sicherlich, weil ähnliche Situationen bereits in deinem Kopf verankert sind.
An wen erinnert dich deine Therapeutin in dem Moment oder die Situation?

Äh, ne. Eine Dissoziation kann auch einfach nur aus Stress heraus entstehen. Zu viel Stresshormone-Prozessor da oben stürzt ab und funktioniert nicht mehr korrekt.
Stresshormone haben einen direkten Einfluss auf die Gehirnchemie und die Wahrnehmung.

Dass Disso immer was mit Vermeidungsstrategien zu tun haben müssen ist ein Legende und definitiv falsch.

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Gespensterkind
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Beitrag So., 25.09.2022, 13:18

Dissos können sehr unterschiedliche Ursachen haben. Ich kenne Dissos bei mir in unterschiedlichen Situationen und Varianten.
Auch ich kenne es so, dass ich in Situationen dissoziiere, die (evtl. früher) mit absolutem Verbot zu tun hatten/haben. Bei Gefahr (und diese Gefahr entsteht zum Beispiel dann, wenn ich etwas tun oder sagen soll, was eigentlich früher bei Strafe verboten war) dissoziiere ich und entziehe mich damit der Situation.
Strafe früher heißt manchmal auch = Gefahr von Liebesentzug.
Also in diesem Fall sind die Dissos dann Vermeidungsstrategien, um der Gefahr zu entgehen und daher scheinbar dringend notwendig - kann man gut in einer Therapie bearbeiten.
Natürlich gibts auch andere Situationen, die mit Stress zu tun haben. Wobei ich das nun mal gar nicht so sehr getrennt voneinander sehe:
Ich vermeide eine Situation, die bei mir abgespeichert ist als "Gefahr". Diese Situation bringt mich in Stress, deshalb vermeide ich sie.

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münchnerkindl
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Beitrag So., 25.09.2022, 13:35

Ich denke diese Art von Disso gehört zum Komplex fight, flight, freeze, fawn. Unter freeze. Einfrieren, also handlungsunfähig werden unter extremem Stress durch Bedrohung.
Und das ist zumindest so wie ich es kenne eine direkte Folge der Stresshormone. Vermeiden wäre Flucht, Flucht ist aber nicht möglich, Kampf auch nicht, also steigt der Stresslevel weiter und dann geht nix mehr weil man mit Stress so geflutet ist dass das Gehirn nicth mehr richtig funktioniert. ZB funktioniert unter einem hohen Cortisolspiegel das Gedächtnis nicht mehr wie normal und bei langandauerndem Stress wird der Hippocampus sogar geschädigt.

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Sinarellas
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Beitrag So., 25.09.2022, 13:45

" Äh, ne. Eine Dissoziation kann auch einfach nur aus Stress heraus entstehen. Zu viel Stresshormone-Prozessor da oben stürzt ab und funktioniert nicht mehr korrekt."

Ich denke du bist falsch informiert oder hast mich nicht richtig verstanden. Da stürzt nichts ab, das Gehirn ist kein Computer.

Deine neurologischen Prozesse werden bei einer einfachen Dissoziation in kognitive Teilprozesse durch eine Isolierung der Funktion erkennbar. Ein hochdissoziativer Abwehrmechanismus (aka Vermeidung im Hirn) schwächt bei Streß-Situationen den Schaden, der durch den Streß entstehen könnte ab. Jedoch ist ein andauerndes dissoziieren auf Dauer negativ für bestimmte Gebiete im Hirn und kann die dissoziativen Mechanismen am Ende verstärken.
Aber mag grad wirklich nicht Lehrer spielen.
..:..


Natusik
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Beitrag So., 25.09.2022, 13:56

Sinarellas hat geschrieben: So., 25.09.2022, 13:45 " Äh, ne. Eine Dissoziation kann auch einfach nur aus Stress heraus entstehen. Zu viel Stresshormone-Prozessor da oben stürzt ab und funktioniert nicht mehr korrekt."

Ich denke du bist falsch informiert oder hast mich nicht richtig verstanden. Da stürzt nichts ab, das Gehirn ist kein Computer.
Sehe ich genauso!
"Sich selbst zu lieben - ist der Beginn einer lebenslanger Romanze"
Oscar Wilde

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münchnerkindl
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Beitrag So., 25.09.2022, 15:15

Sinarellas hat geschrieben: So., 25.09.2022, 13:45
Ich denke du bist falsch informiert oder hast mich nicht richtig verstanden. Da stürzt nichts ab, das Gehirn ist kein Computer.


Ich habe ein Gehirn, und für mich fühlt sich das exakt so an. Es sind wenn unter zu viel Stress einfach Funktionen weg. Nicht mehr abrufbar. Unter anderem die korrekte Realitätsverarbeitung aber auch kognitive Fähigkeiten und Gedächtnis. Es ist exakt wie wenn der Browser abstürzt und neu gestartet werden muss, oder die Kiste hängenbleibt und ich sie abschalten und neu hochfahren muss. Nur dass es etwas länger dauert bis wieder das vorherige Funktionsniveau erreicht ist als bei einem Computer.

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DorothyP
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Beitrag So., 25.09.2022, 16:13

Also, erstmal vielen Dank euch allen für eure Rückmeldungen! Ich stehe während der Therapiestunden oft sehr unter Stress, allein weil ich das Gefühl habe reden zu müssen und nicht weiß worüber bzw. es nur schwer ansprechen kann.
Wie ich die Dissoziation wahrgenommen habe? Also in dem Fall, als ich sauer auf sie wurde war von einem Moment auf den anderen das Gefühl weg, mein Gesichtsfeld hat sich eingeschränkt und mein Körper wurde taub. Ich hatte das Gefühl zu erstarren und konnte mich kaum noch bewegen.
Ich hatte meiner Therapeutin davon das letzte Mal erzählt, dass mir das aufgefallen ist, aber sie wusste glaube ich nicht wie sie darauf reagieren sollte. Ich habe nicht das Gefühl, dass sie mir da weiterhilft es zu verstehen. An dem Tag hat sie nur gemeint, da könnte sie ja froh sein, also dass ich nicht auf sie sauer sein kann. Ich sagte ihr, dass ich das schon eher bedenklich finde. Sie meinte es nicht böse, ich glaube sie war einfach nur unsicher wie sie reagieren soll.

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münchnerkindl
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Beitrag So., 25.09.2022, 16:29

Also ich hatte schon Fälle wo mich Therapeuten nach Vorgespräch wegen dieser Sache nicht genommen haben, weil sie damit keine Erfahrung haben.

Das finde ich in dem Fall professionell.

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diesoderdas
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Beitrag Mo., 26.09.2022, 13:54

DorothyP hat geschrieben: So., 25.09.2022, 16:13 An dem Tag hat sie nur gemeint, da könnte sie ja froh sein, also dass ich nicht auf sie sauer sein kann. Ich sagte ihr, dass ich das schon eher bedenklich finde. Sie meinte es nicht böse, ich glaube sie war einfach nur unsicher wie sie reagieren soll.
Hm, wirkliches Dissoziieren in der Therapie kenne ich nicht.
In meiner letzten Therapie war ich sehr oft wütend auf den Therapeuten und habe das auch gesagt.
Was allerdings einen (schlechten) Lerneffekt für mich hatte. Nämlich dass dadurch alles nur noch schlimmer wird und Wut ansprechen bei ihm keine gute Idee ist (das hat mich aber nicht davon abgehalten, es weiterhin zu tun und nicht zu schlucken; positives für mich blieb dabei eben aus).

Ich hatte in dieser Zeit arge Probleme damit, nachts schlafen zu können. Da war ich dann in ganz komischen, mir bisher unbekannten, Zuständen. Auch tagsüber konnte ich über Wochen und Monate nur noch ganz schlecht abschalten (frei fühlen, Freude fühlen, Leichtigkeit spüren und so ging nicht mehr), weil das ganze Therapiedings mich so massiv fertig gemacht hat.
Es war wie so ein dauerhaftes unter Hochspannung stehen (körperlich und kopfmäßig): Gleichzeitig schaffte ich es nicht mehr, in alltäglichen (eigentlich schönen) Situationen wirklich anwesend zu sein, weil ich kopfmäßig nur noch mit der (schlechten) Therapiesituation beschäftigt war und die irgendwie lösen wollte. Hatte etwas von so bisschen benebelt sein. Aber "weg" wie beim Dissoziieren war ich eben nicht.

Soll dir nun keinesfalls Angst machen, das Thema Wut bei deiner Thera nochmal anzusprechen. Denn genau das würde ich nochmal machen. Mein Thera hat ne spezielle Therapiemethode benutzt, die eh umstritten ist.
Bin mir ziemlich sicher, deine Thera wird da ganz anders mit umgehen.

Spontan habe ich zwar gedacht, dass ich ihre Reaktion nicht optimal finde. Also, dass sie gesagt hat, "da könne sie ja froh sein, dass du nicht sauer auf sie werden kannst."
Man könnte das so interpretieren, dass Wut nicht sein darf.
Ich denke aber wie du, dass sie das nicht so gemeint hat.
Mein Thera schien regelrecht wild auf Wut, deine schätzungsweise nicht (was ja okay ist!).

Falls du das hin bekommst, vielleicht kannst du sie ganz direkt fragen, ob es für sie okay ist, wenn du wütend wirst und das dann auch mal ausdrücken kannst.
Es ist hoffentlich klar, dass es in einer Therapie sowieso okay sein sollte, alle Gefühle anzusprechen, auch Wut.
Ich meinte die Frage eher als Aufhänger, dass ihr halt nochmal ins Gespräch darüber kommt.

Oder du schreibst es ihr, falls es direkt nicht geht?

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diesoderdas
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Beitrag Mo., 26.09.2022, 14:00

DorothyP hat geschrieben: Sa., 24.09.2022, 19:59 Ich habe manchmal das Gefühl mich rechtfertigen zu müssen und fühle mich manchmal verletzt von den Kommentaren meiner Therapeutin.
Hast du ein Beispiel?

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Sinarellas
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Beitrag Mo., 26.09.2022, 14:22

DorothyP hat geschrieben: So., 25.09.2022, 16:13 Ich hatte meiner Therapeutin davon das letzte Mal erzählt, dass mir das aufgefallen ist, aber sie wusste glaube ich nicht wie sie darauf reagieren sollte. Ich habe nicht das Gefühl, dass sie mir da weiterhilft es zu verstehen. An dem Tag hat sie nur gemeint, da könnte sie ja froh sein, also dass ich nicht auf sie sauer sein kann. Ich sagte ihr, dass ich das schon eher bedenklich finde. Sie meinte es nicht böse, ich glaube sie war einfach nur unsicher wie sie reagieren soll.
Bedauerlich, dass ihr nichts zum Thema dissoziative Strukturen, Depersonalisation / Derealisation einfällt.
Mir als Betroffene würden da sehr viele Dinge einfallen. Versierten Therapeuten auch.
Und ja, das klingt so, als hätte sie nicht genug Expertise dir da weiterzuhelfen, aber das könnte sie durchaus nachholen - sofern sie willig ist sich in die Materie einzulesen :neutral:
Ich glaube ich würde sie konkret fragen, ob ihr beim Thema diss. Strukturen etwas einfällt und wenn nein, ob sie sich da ggf. schlau machen könnte oder wo sie Ansätze sieht / welche weiteren ode rzusätzlichen Anlaufstellen sie empfehlen könnte.
..:..

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