Unerträgliche Schmerzen ohne Befund

Die Psyche spielt eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung des körpereigenen Abwehrsystems: immer mehr Krankheiten werden heute als 'psychosomatisch' und damit ggf. psychotherapeutisch relevant betrachtet.
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Liane19
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Unerträgliche Schmerzen ohne Befund

Beitrag Mi., 04.01.2023, 20:39

Hallo alle zusammen!

Ich bin neu hier im Forum, weil ich sehr verzweifelt bin. Vielleicht kann mir ja jemand Rat geben. Im Sommerurlaub ist plötzlich ein Schmerz im Brustkorb links aufgetreten. Dieser ist seitdem nicht mehr verschwunden und immer nur an einer bestimmten Stelle. Dazu kamen in den nächsten Wochen Rückenschmerzen und Verspannung an der gesamten Wirbelsäule. Im Laufe der Zeit kamen weitere Beschwerden hinzu, welche immer mal da sind und wieder gehen. Unter anderem: Kopfschmerzen an der rechten Schläfe, Gefühl von verstopften Nasennebenhöhlen, Kiefer- und Zahnschmerzen, Kribbeln in Beinen, Händen und im Gesicht, Augenschmerzen auch meistens rechts, Schmerzen in der Kniekehle, rote Hautstellen und vor allem das Gefühl einer sehr instabilen Halswirbelsäule. Das ganze ist so schlimm geworden, dass ich im November im Krankenhaus war. Es wurden Nervenuntersuchungen gemacht, Bluttests, ein röntgen vom Thorax, ein Ultraschall vom Bauch sowie ein Mrt von wirbelsäule und Kopf. Bis auf einen leicht erhöhten Ana titer wurde nichts gefunden. Wegen dem werde ich gerade beim Rheumatologen untersucht, aber wohl keine der Erkrankungen würde die Symptome erklären und ich hab auch keine Entzündungswerte im Blut. Ich versuche Sport zu machen, weil mein ganzer Rücken permanent bei jeder Bewegung knackt, aber danach geht es mir immer noch schlimmer. Teilweise hab ich auch das Gefühl, dass Essen manche Beschwerden verschlimmert, aber Bauchschmerzen hab ich nur selten. Ich kann nicht mehr arbeiten gehen und auch sonst kaum was unternehmen, weil die Schmerzen unerträglich sind. Auf Drängen der Ärzte bin ich ab nächster Woche in einer psychosomatischen Klinik, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Beschwerden von der Psyche kommen. Bevor das angefangen hat, war ich sehr glücklich. Kann es sein, dass man beispielsweise eine Depression wirklich nicht mit bekommt? Und die Schmerzen davon so schlimm werden können?

Liebe Grüße

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stern
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Beitrag Mi., 04.01.2023, 20:46

Psychosomatisch kommt m.E. erst dann in Betracht, wenn körperliche Ursachen ausgeschlossen sind. Ich würde erst die körperliche Schiene verfolgen.
Ich versuche Sport zu machen, weil mein ganzer Rücken permanent bei jeder Bewegung knackt, aber danach geht es mir immer noch schlimmer.
Knackender Rücken klingt nicht nach psychischer Problematik. Schon mal beim Orthopäden gewesen?
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Liane19
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Beitrag Mi., 04.01.2023, 20:52

Danke für deine Antwort! Die Ärzte wollen nicht weiter untersuchen, da sie ja scheinbar alles körperliche betrachtet haben. Beim Orthopäden war ich vor Monaten als nur die Rückenschmerzen da waren. Der meinte nur, dass es bestimmt eine normale Blockade ist und hat mich zur Physio geschickt. Das lösen der Blockade hat einmal geholfen, aber seitdem nicht mehr und es sind jeden Tag Blockaden da.

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Zephyr
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Beitrag Mi., 04.01.2023, 21:09

Ich würde auch auf jeden Fall die körperliche Schiene weiterverfolgen, zumindest parallel neben der psychischen. “Das ist psychisch” wird meiner Erfahrung nach total gerne gesagt, wenn Ärzt*innen nicht mehr weiter wissen. Oft genug wird dann später doch eine körperliche Ursache gefunden.
Klar, vieles KANN auch psychisch bedingt sein, aber von heute auf morgen, wenn du vorher tatsächlich glücklich warst?

In meiner Familie gibt es viele Rheumafälle, einige auch ohne Entzündungswerte. Ich kenne es von denen, dass die Beschwerden auch teilweise ungewöhnlich sein können und erst wenn der Schub vorbei ist stellt man plötzlich fest, dass das komische Symptom ebenfalls verschwunden ist.
Rheuma eindeutig festzustellen ist auch nicht immer ganz einfach, meine Tante musste dafür für mehrere Wochen in eine Fachklinik. Das wäre also vielleicht eine mögliche Ursache?

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Candykills
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Beitrag Mi., 04.01.2023, 21:11

Keine Ahnung, was du hast, aber mein erster spontaner Gedanke war Fibromyalgie. Die kann jede Körperregion betreffen und sowohl Haut, Muskeln, Gewebe, Knochen. Und so scheint es bei dir ja irgendwie zu sein.
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stern
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Beitrag Mi., 04.01.2023, 21:20

Ich denke, man sollte vorsichtig sein, weil Ärzte mitunter auch vorschnell etwas als psychosomatisch einordnen, wenn sie nichts finden.
Wenn du sagst, Gefühl der instabilen Halswirbelsäule: Vielleicht eine Art Bandscheibenvorfall, verrenkt, ein Nerv der in Mitleidschaft gezogen wurde, das Knacken, whatever. Daher dachte ich an eine Ortho.
Nicht dass du während der Reha ein Sportprogramm erhältst, dass es schlimmer macht... und es doch nicht psychosomatisch verursacht ist. Weil du sagtest, Bewegung macht es eher schlimmer. An psychosomatisch denkt man dabei jedenfalls nicht als erstes.
Es besteht immer die Möglichkeit einer Zweitmeinung. Oder ich weiß nicht, was für eine Klinik das war, aber z.B. eine größere Uniklinik könnte evtl. seltenere Erkrankungen besser diagnostizieren als ein kleineres Allgemeinkrankenhaus.
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alatan
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Beitrag Mi., 04.01.2023, 21:25

Liane19 hat geschrieben: Mi., 04.01.2023, 20:39 Kann es sein, dass man beispielsweise eine Depression wirklich nicht mit bekommt? Und die Schmerzen davon so schlimm werden können?
Nein, das ist unwahrscheinlich.
Bei schweren chronischen Schmerzen kann es sich um den Ausdruck traumatischer Erlebnisse handeln, die nicht bewusst werden können/sollen/dürfen. Aber es muss eine entsprechende Anamnese, Kindheitsgeschichte dazu vorliegen. Eine Symptomatik ist niemals deswegen "psychosomatisch", weil man nichts anderes findet. Das ist Unsinn, obwohl weiterverbreiteter Irrglaube.

Es gibt jedoch auch somatopsychische Störungen, d. h. solche psychischen Probleme, die aufgrund von schweren körperlichen Störungen auftreten und zu Sorgen, Depression, sozialem Rückzug, Arbeitsplatzverlust und weiteren Katastrophen führen können. Neben einer differenzierten somatischen Diagnostik braucht es daher unbedingt eine gute psychische Unterstützung/Führung, sei es durch Freunde, einen Hausarzt oder einen Psycho-Spezialisten.

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Liane19
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Beitrag Mi., 04.01.2023, 21:29

Danke euch auch für die Antworten.
An Fibromyalgie hab ich auch schon gedacht, aber die Rheumatologin meinte, das ist nur eine Ausschlussdiagnose und ich hab auch nicht die Schmerzen an den Stellen, die dafür typisch sind. Auf dem Mrt der Wirbelsäule hat man ja nichts gesehen bis auf geringen Verschleiß weshalb man rheumatisches oder sonstige Wirbelsachen ausgeschlossen hat. Allerdings sieht man ja auch nicht alles im Liegen, aber für weitere Untersuchungen wie Funktionsröntgen sehen die Ärzte keinen Bedarf. Wahrscheinlich muss ich mir doch einen neuen Orthopäden suchen, um mir eine zweite Meinung einzuholen. Ich hoffe, dass in der psychosomatischen Klinik vielleicht auch weitere Untersuchungen gemacht werden. Ohne Anhaltspunkte kommt man halt auch nicht in eine spezielle Klinik. Aber ihr macht mir Mut, da noch weiter zu machen. Ich bin mittlerweile schon langsam am aufgeben. Ich hab aber immer viel Sport gemacht deshalb kann ich mir solche Beschwerden auch nicht erklären.

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Candykills
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Beitrag Mi., 04.01.2023, 21:42

Ich bin mir nicht sicher, ob in einer psychosomatischen Klinik eine körperliche Erkrankung weiter verfolgt wird, wenn dafür kein objektiver Anlass besteht (auffällige Blutwerte usw.).

Deswegen auf jeden Fall zweite Meinung einholen.

Vielleicht wirklich in eine Uniklinik gehen.
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stern
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Beitrag Mi., 04.01.2023, 21:49

Unikliniken haben ja normal auch Ambulanzen bzw. Sprechstunden, für die man sich einen Termin geben lassen. Fragt sich dann eher, welche Abteilung/Richtung. Das Knacken kann ein Nebenbefund sein, aber wenn wenn dir im Bereich der HWS etwas ungewöhnlich vorkommt, könnte man das schon abklären. Ortho. Vom Kiefer kann auch einiges ausgehen bis in den (oberen) Rücken. Kieferorthopäde, evtl. erkennt auch Zahnarzt eine Fehlstellung oder Verspannung. Wenn du sagst, Kribbeln, ist vllt. auch ein Nerv beteiligt. Neurologe. Wenn man die Unterstützung des Hausarztes hat, ist das vllt. auch von Vorteil.
Gerade wenn die Reha keine ausreichende Besserung bringt.
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Sydney-b
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Beitrag Mi., 04.01.2023, 22:36

Wurdest du auf Borreliose untersucht?

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Liane19
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Beitrag Mi., 04.01.2023, 22:41

Dann werde ich mir wohl erstmal einen neuen Orthopäden suchen. Mit Kliniken ist es immer schwierig, weil man ohne Verdacht nicht rein kommt auch nicht in die ambulanten Sprechstunden. Vielleicht kann ich aber über eine Bekannte der Familie was organisieren.
Borreliose wurde glaube ich ausgeschlossen durch eine Nervenwasserentnahme am Rücken. Die haben sie im Krankenhaus auch gemacht.

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Sydney-b
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Beitrag Mi., 04.01.2023, 22:43

https://zecken-stich.ch/was-sind-die-sy ... orreliose/

Hier werden einige deiner Symptome aufgezählt.
Ich würde das auf jeden Fall abklären lassen.
Bei der normalen Blutuntersuchung wird gewöhnlich nicht nach Borrelien gesucht.


Jenny Doe
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Beitrag Do., 05.01.2023, 03:05

Hallo Liane19,
(...) Dazu kamen in den nächsten Wochen Rückenschmerzen und Verspannung an der gesamten Wirbelsäule. (...)
ich hätte gerne dein ganzes Posting zitiert, ... so angesprochen fühle ich mich von diesem.

Schmerz im Brustkorb, Rückenschmerzen, Verspannung, Kopfschmerzen, verstopfte Nasennebenhöhlen, Kiefer- und Zahnschmerzen, Kribbeln in Beinen, Händen und im Gesicht, Augenschmerzen, Schmerzen in der Kniekehle, ...
... ja, mit solchen Symptomen kann man Jahre lang in Arztpraxen rumhängen, ohne das Ärzte etwas "finden" oder im MRT "sehen" können.
Verspannungen kann man nicht im MRT sehen. Diese können aber genau solche Symptome, wie von Dir beschrieben, und auch von mir erlebt, auslösen.
Wenn Du Verspannungen bereits selber so deutlich wahrnehmen und als mögliche Ursache benennen kannst, dann versuch es mit Entspannungsübungen, ...
Da du einen ganz bestimmten Punkt benennen kannst, wäre ein weiterer erster Versuch eine sog. "Triggerpunkttherapie". Bei dieser wird nach genau solchen Punkten gesucht und gezielt behandelt.
Ich finde es immer wieder faszinierend, wie schnell Symptome verschwinden können, wenn man den richtigen Muskeln erwischt.

Und noch was zum Thema Sport. Das empfehlen Ärzte gerne, verkennen aber, dass Sport die Symptome nur noch verschlimmern kann. Wenn der Körper auch beim Sport verspannt ist, dann kann das nach hinten losgehen.
Darüber hat sich auch meine Physiotherapeutin oft aufgeregt. Da wird Reha-Sport und sonst was verschrieben, ohne zuvor die Muskeln mittels Massage oder Triggerpunkttherapie zu lockern. Erst lockern, dann gezieltes Training, lautete die Devise der Physiotherapeutin. Meinem Orthopäden hätte ich das besser nicht erzählt. Ärzte regen sich über Physiotherapeuten auf, Physiotherapeuten ihrerseits über Ärzte.

Wenn Du bei Google mal "Verspannung" und die einzelnen Symptome eingibt, dann stößt du auf viele interessante Seiten. Meist von Physiotherapeuten, die beklagen, dass auch sie von Ärzte nicht Ernst genommen werden. Andere Seiten stammen von Ärzten, die beschreiben, dass Patienten bei diesem Thema in einen Ideologienkrieg der Ärzte reingeraten. Diese Physiotherapeuten und Ärzte können zuweilen klar benennen, welcher Muskel bei welchem Symptom eine Rolle spielt.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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ArcticFox
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Beitrag Do., 05.01.2023, 09:50

Oh ja, da kann ich Jenny Doe nur zustimmen. Ich selbst habe erlebt, dass ich nach einer OP am Kopf meinen linken Arm nicht mehr höher als brusthoch heben konnte. Die Ärzte im Krankenhaus konnten sich da gar keinen Reim drauf machen, haben Nervenuntersuchungen gemacht, bei denen aber alles ok war. Der Physiotherapeut, zu dem ich dann geschickt wurde, hat 10 Minuten an mir herum getastet und meinte dann am Ende: "Kein Problem, das kriegen wir wieder hin. Ihnen wurde bei der OP wohl ein Stück Muskel hinter dem Ohr entfernt und jetzt müssen die umliegen Muskeln erst lernen, das auszugleichen." Ich hab mich echt gefragt, warum den Ärzten dieser doch sehr simple Zusammenhang weder eingefallen ist, noch warum es ihnen nicht mal eine Erwähnung wert war, dass sie mir ein Stück Muskel entfernt haben.

Kann mich auch nur anschließen: Such dir eine Zweitmeinung. Und für Ambulanzen in Kliniken brauchst du zwar ne Überweisung vom Hausarzt, aber das sollte eigentlich keine Hürde darstellen. Und wenn doch, geh zu einem anderen Hausarzt. Von dem, was du beschreibst, würde ich mich jetzt nicht einfach auf die psychosomatische Schiene abschieben lassen.

Was vielleicht auch noch ne Überlegung wert sein könnte, was du allerdings leider in der Regel selbst bezahlen musst, ist ein Osteopath. Möglicherweise fällt dem zu deiner Symptomatik etwas mehr ein.

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