Antidepressiva bis zum bitteren Ende?

Erfahrungsaustausch zur Begleitmedikation zur Psychotherapie (Psychopharmaka und pflanzliche Mittel). Achtung: dient nicht zur gegenseitigen Medikamentenberatung, die ausschließlich Fachärzten vorbehalten ist. Derartige Beiträge werden aus dem Forum entfernt.
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Lady Nightmare
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Antidepressiva bis zum bitteren Ende?

Beitrag So., 29.01.2023, 00:03

Eigentlich keine schöne Aussicht, dachte ich so bei mir, dass ich die Tabletten am Ende immer noch brauche und mir in meinem Fall auch noch umständlich (weil Vortioxetin) besorgen muss. Wie soll das dann gehen am Ende?

Vorgeschichte: Ich habe über 20 Jahre Doxepin genommen. Das wurde 2016 abgesetzt aufgrund einer QTC-Zeit-Verlängerung. Nach 4 Jahren Doxepin-Einnahme gab es einen von mir initiierten Reduktionsversuch in einer psychosomatischen Klinik, der aber grandios scheiterte. 2016 gab es in der Psychiatrie Versuche mit zwei anderen Antidepressiva, das dritte war Vortioxetin, das ich seither in einer Standarddosis von 10 mg nehme. Ich kenne etliche Menschen, denen es gelingt die "schönen Pillen" wieder abzusetzen.

Wegen meiner eingangs geschilderten Erwägungen wollte ich es noch einmal mit dem Absetzen versuchen und bin jetzt etwa bei Tag 25. Es ist kein ganzes Drittel meiner üblichen Dosis, was ich seither weglasse. Symptome: Zittern, Frieren die Nerven scheinen bloß zu liegen, Verdauungsbeschwerden, ich schlafe morgens zu lange und habe erhebliche Schwierigkeiten mich zu konzentrieren. Heute musste ich zu einer Versammlung und hatte dort Sehstörungen. Letzteres ist ein Symptom, das gelegentlich bei mir auftritt und manchmal bis zur passageren Blindheit geht. Normal arbeitsfähig wäre ich so nicht. Ich bin in der Luxussituation, dass ich mir meine Arbeit frei einteilen kann.

Wie sind eure Absetzerfahrungen? Habt ihr erlebt, dass auch hartnäckige Absetzsymptome nach einer gewissen Zeit verschwinden?

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_Leo_
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Beitrag So., 29.01.2023, 00:25

Augen zu und durch war meine Devise. So habe ich es gemacht nach 10 Jahren pausenloser Einnahme. Das letzte Jahr Einnahme hatte ich bereits die ursprüngliche Höchstdosis auf die niedrigste mögliche Dosis reduziert. und die nahm ich 1 Jahr. Die Reduktion erfolgte in einem großen Schritt und war kein Problem.
Das Absetzen dann von ein auf den anderen Tag. Ist schwer. Mein Verdauungstrakt drehte durch, die Nerven lagen komplett blank, heftiger Tinnitus und Hyperakusis, Schlaflosigkeit, Stromschläge, Appetitlosigkeit, aber der Entzug geht vorbei. Am Ende waren es vielleicht 3 bis 4 harte Wochen und die gröbsten Entzugssymptome waren bei mir überstanden.
Eventuell lassen sich auch die Nerven mit Promethazin etwas beruhigen.

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alatan
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Beitrag So., 29.01.2023, 06:42

Es gibt es ein schönes Buch von den Ansaris, das hilfreich sein kann für das Absetzen von Psychopharmaka.

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Sydney-b
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Beitrag So., 29.01.2023, 20:17

Hast du es so eilig mit dem Absetzen?
Mittlerweile wird ja von einigen Experten empfohlen, extrem langsam - in Mini-Mini Schritten abzusetzen.
So, dass du gar keine Absetzsymptome überhaupt bekommst.
Dein Vorgehen scheint also viel zu schnell zu sein.

Auch die zu verringernde Dosis sollte nur extrem niedrig sein bei jedem Schritt.

Wenn du dann damit locker ein bis zwei Wochen (gegebenenfalls sogar länger) ohne Probleme damit klarkommen solltest, dann erst die nächste Dosis minimal verringern.
Candy hatte dazu mal einen guten Tipp.

Gib dir lieber mehr Zeit, als zu wenig.
(Manche Ärzte meinen übrigens, dass es schneller gehen müsste. Es ist aber dein Körper und jeder Körper reagiert individuell.)

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candle.
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Beitrag So., 29.01.2023, 21:45

Antidepressiva bis zum bitteren Ende?
Ich sage mal "ja". Das gibt es durchaus, jedenfalls hat mir das ein Psychiater mal gesagt. Warum auch nicht, wenn es einen stabil hält?

Andere nehmen andere Medikamente bis an ihr Lebensende...

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lisbeth
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Beitrag So., 29.01.2023, 21:49

Wenn du solche Absetzsymptome hast, würde ich sagen, dass der Schritt zu groß war. Also evtl. wieder ein wenig erhöhen und nochmal von vorne und *noch* langsamer. Eine Faustregel für die Reduktion ist 10% der Ausgangsdosis für 6 Wochen, dann 10% von der neuen angepassten Dosis für 6 Wochen usw. Je nach Ausgangsdosis kann das dann dauern, aber ich glaube, lieber langsam ans Ziel kommen als überhastet und dann mit solchen körperlichen (und psychischen?) Absetzsymptomen zu kämpfen haben, die dich in eine erneute Krise stürzen.

Entgegen dem was die viele Mediziner*innen erzählen, sind die Absetzsymptome real (ich bin ja dafür, dass nur Mediziner*innen Psychopharmaka verschreiben dürfen, die die Pillen auch mal im Selbstversuch über längere Zeit eingenommen haben, bevor sie den Patient*innen was davon erzählen, dass dieses oder jenes Präparat "super verträglich" ist ;) )

Das Problem ist ja oft noch, dass es die Medis gar nicht in den benötigten Dosierungsschritten gibt, um es langsam genug auszuschleichen. Es gibt die Möglichkeit, über eine Apotheke in den NL sogenannte "Tapering Strips" zu bestellen. Neben den Standard-Reduktionsschritten, die die anbieten, kannst du glaube ich auch individuell bestellen. Wird allerdings nicht von der Krankenkasse übernommen, soweit ich weiß. Vielleicht gibt es dein Präparat auch in Tropfenform? Das wäre eigentlich dann ziemlich ideal um in mini-angepassten Schritten auszuschleichen.

Ich kann total verstehen, dass du von den ADs runterkommen willst. Ich hab vor mehreren Jahren Venlafaxin abgesetzt und trotz langsamem Ausschleichen war es ein wahrer Höllenritt, den ich nicht nochmal erleben will. War alles in allem vielleicht nicht langsam genug, ich hab über ca. 3-4 Monate reduziert, das würde ich heute noch langsamer machen. Und den nächsten Reduktionsschritt erst einleiten, wenn ich mich auf der bisherigen Dosis einigermaßen gut fühle.
Alles Gute für dich, und: hab Geduld mit dir selbst!
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lisbeth
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Beitrag So., 29.01.2023, 21:53

PS vielleicht hilft auch das hier weiter: https://www.rcpsych.ac.uk/mental-health ... 20absetzen
Wenn das Antidepressivum schnell abgesetzt wird, wird das Gehirn Zeit brauchen, um sich wieder umzustellen. Die plötzliche Absenkung des Neurotransmitter-Spiegels scheint die Entzugssymptome zu verursachen, während das Gehirn noch dabei ist, sich an die Veränderung anzupassen. Je kleiner die Absetz-Schritte sind, desto geringfügiger sollten die Symptome sein – oder können auch gar nicht erst auftreten.
und das hier: https://www.psyab.net/
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Beitrag So., 29.01.2023, 22:02

Vielen Dank für eure Hinweise. Ich werde speziell auch deinen Rat beherzigen, Sydney.
Mein Neurologe riet mir einmal die Dosis gleich zu halbieren, dabei kam ich damals mit einer viel geringeren Dosis schon nicht zurecht.

Auch jetzt wollte er schon vorschlagen, ich solle noch weiter runtergehen. Hat es sich dann aber anders überlegt. Die Fachpersonen kennen die Absetzsymptome eben nicht aus eigener Erfahrung. Speziell beim Vortioxetin steht im Beipackzettel, man könne das Medikament auch abrupt absetzen. Ein Bullshit! Vielleicht ist das bei Probanden im klinischen Setting innerhalb von sechs Wochen gelungen, wie das individuell und speziell nach jahrelanger Einnahme aussieht, ist eine andere Frage.

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chrysokoll
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Beitrag So., 29.01.2023, 22:12

candle. hat geschrieben: So., 29.01.2023, 21:45 Warum auch nicht, wenn es einen stabil hält?
vermutlich weil die Nebenwirkungen vorhanden, störend und stark sind
Weil es eben kein "normales" Medikament ist das nur ein körperliches Symptom beeinflusst

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candle.
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Beitrag So., 29.01.2023, 22:19

chrysokoll hat geschrieben: So., 29.01.2023, 22:12 vermutlich weil die Nebenwirkungen vorhanden, störend und stark sind
Weil es eben kein "normales" Medikament ist das nur ein körperliches Symptom beeinflusst
Jedes Medikament hat Nebenwirkungen. Normale Medikamente gibt es nicht. Medikamente beeinflussen irgendwie immer das ganze Körpersystem.

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Beitrag So., 29.01.2023, 22:22

Danke dir auch; Lisbeth. Das mit dem Tapering hatte ich hier schon einmal gelesen. In der Tat könnte das mit meinem Medikament kompliziert werden, denn es gibt 5 mg und 10 mg. Ich würde es für mich aber schon als Erfolg werten, wenn ich irgendwann auf 5 mg landen könnte.

@candle: Weil mir die Abhängigkeit auf den Keks geht zum Beispiel. Weil das Feeling auf dem Medikament auch nicht so ganz mein eigenes ist. Ich empfinde mich schon ein bisschen weichgespült und gedopt damit. Auf der anderen Seite habe ich auch mit der Substanz manchmal erhebliche Schlafstörungen. Weil die Medikamente auf Leber, Nieren und Herz gehen. Ich habe ja schon die QT-Zeit-Verlängerung am Herzen wegen der Doxepin-Langzeiteinnahme.

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chrysokoll
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Beitrag So., 29.01.2023, 22:22

Ok konkreter:
also ich kenne auch Medikamente ohne spürbare Nebenwirkungen.
Und genau das meine ich, bei sehr vielen Antidepressiva sind die Nebenwirkungen eben stark.
Und klar, "normal" war ein schwammiger Begriff. Ich meinte Medikamente die auf ein körperliches Symtom abzielen.

Ich kenne wirklich niemand der Antidepressiva ohne starke Nebenwirkungen nehmen kann.
Wenn alles ganz super und easy und toll wäre will man es vermutlich nicht dringend absetzen

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candle.
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Beitrag So., 29.01.2023, 22:26

Lady Nightmare hat geschrieben: So., 29.01.2023, 22:22 @candle: Weil mir die Abhängigkeit auf den Keks geht zum Beispiel. Weil das Feeling auf dem Medikament auch nicht so ganz mein eigenes ist. Ich empfinde mich schon ein bisschen weichgespült und gedopt damit. Auf der anderen Seite habe ich auch mit der Substanz manchmal erhebliche Schlafstörungen. Weil die Medikamente auf Leber, Nieren und Herz gehen. Ich habe ja schon die QT-Zeit-Verlängerung am Herzen wegen der Doxepin-Langzeiteinnahme.
Ja, kann ich gut nachvollziehen. Ich nehme keine Antidepressiva, aber das eine was ich nehmen muß, kann ich nicht absetzen, dann bin ich wohl bald tot.

Machst du denn regelmäßig medizinische Kontrollen?

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lisbeth
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Beitrag So., 29.01.2023, 22:34

chrysokoll hat geschrieben: So., 29.01.2023, 22:22 Ich kenne wirklich niemand der Antidepressiva ohne starke Nebenwirkungen nehmen kann.
Wenn alles ganz super und easy und toll wäre will man es vermutlich nicht dringend absetzen
this ^^^^
Es gibt Studien die zeigen, dass die "Wirkung" vor allem der ADs gar nicht so hoch ist wie von der Pharmaindustrie behauptet. Die Pillen greifen in den Hirn- und Körperstoffwechsel ein, das auf alle Fälle. Aber warum und wie ADs gegen Depressionen wirken können die Pharmafirmen bis heute nicht nachvollziehbar erklären...

Dass ein zu niedriger Serotoninspiegel Depressionen verursacht, wurde uns über Jahrzehnte vom Pharma-Marketing genau so erzählt: Die Rettung waren dann die SSRI. Neuere Studien stellen genau diesen Zusammenhang in Frage:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ ... lt-134512/
statt „Welche Pille hilft bei welchem Neurotransmitter?“ mal „Wie müssten wir das Leben gestalten, damit wir keine Pillen brauchen?“
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lisbeth
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Beitrag So., 29.01.2023, 22:41

Lady Nightmare hat geschrieben: So., 29.01.2023, 22:22 Das mit dem Tapering hatte ich hier schon einmal gelesen. In der Tat könnte das mit meinem Medikament kompliziert werden, denn es gibt 5 mg und 10 mg. Ich würde es für mich aber schon als Erfolg werten, wenn ich irgendwann auf 5 mg landen könnte.
Hab grade gesehen, dass es Vortioxetin auch als Tropfen gibt. 1 Tropfen entspricht dann wohl 1 mg Wirkstoff. Das wäre doch ideal zum Ausschleichen? Frag doch mal deinen Arzt, ob er dir die Tropfen verordnet?
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― Anne Lamott