Krankhafte Sehnsucht na. intimen Berührungen und 'Gewollt-Werden'

Fragen und Erfahrungsaustausch über sexuelle Problembereiche wie Sexualstörungen, rund um gleichgeschlechtliche Sexualität und sexuelle Identität, den Umgang mit sexuellen Neigungen wie Fetischismus, S/M usw. - ausser Aufklärungs-Fragen.
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Franni
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Krankhafte Sehnsucht na. intimen Berührungen und "Gewollt-Werden"

Beitrag Mo., 06.03.2023, 18:27

Liebe Mitmenschen,

Ein Freund hat folgende psychisch alles in seinem Leben bestimmende Situation, die ich selbst bisher kaum vernünftig eingeordnet bekomme und über die ich auch per Suchmaschine nichts Vernünftiges gefunden habe:

Er ist schon seit vielen, vielen Jahren in einem teils schwer depressiven Zustand.
Diesen macht er fest an einem einzigen Kerngedanken, um den sein gesamtes depressives Leben herumrotiert:

"Mein Leben ist komplett bedeutungslos, solange es keine Frau in meinem Leben gibt, die ein starkes Verlangen danach hat, mich (regelmäßig und als Kern ihrer Beziehung) intim berühren zu wollen."


Mit intimer Berührung ist dabei im Grunde der Schritt gemeint, nicht einfach nur Berührung irgendwo am Körper.
Wichtig dabei ist laut ihm nicht der Wunsch, dass es überhaupt jemanden gibt, der "einfach nur" Sex mit ihm haben soll, sondern dass es eine Frau geben soll, die ihn (!) körperlich wirklich richtig "will" (!!). Dieses auf seinen Körper gerichtete Wollen ist dabei total entscheidend. Also jemanden zu haben, der am besten, wenn er nach Hause kommt, schon sehnsüchtig darauf wartet, ihn endlich intim berühren zu "dürfen"... Es ginge auch nicht "einfach nur um Sex". Bei dem Gedanken wird er richtig verärgert. Die Nähe, die diese Intimität ausmacht, wäre das Wichtige, und dass sich das Wollen der Frau eben auf ihn und v.a. seinen Körper richten soll. Auch bezahlter Sex fällt damit raus. Er selbst kann sein Problem damit nicht lösen in diesem Gedankenkonstrukt - sein Glück hängt vollständig von einer fiktiven Wunschperson ab.

Dieses "intim gewollt werden" ist somit seine Kern-Sehnsucht, ohne die ihm alles andere in seinem Leben bedeutungslos erscheint. Er sagt: Wenn diese Frau heute vom Himmel (und in sein Bett) fiele, wäre er sofort rundum glücklich - alle seine Probleme wären auf der Stelle vollständig aufgelöst, seine Energie und Lebensfreude wären sofort wieder vollständig da und er wäre ein ganz anderer Mensch.

Seine Realität seit Jahren als Folge des Fehlens einer solchen Frau ist jedenfalls ein dauerhaft schwer depressives (Über-)Leben, viele Alltagsbereiche funktionieren nur noch auf Sparflamme. Er verdrängt auch systematisch jede Auseinandersetzung mit der Situation und lenkt sich fast permanent mit elektronischen Medien und Anderem von den eigenen Gedanken ab, weil er die Situation ansonsten als unerträglich empfindet. Er leidet wirklich schwer.

Eine aktive Auseinandersetzung oder gar ein sich-weiterentwickeln, Suchen nach anderen Lösungen - findet alles nicht (mehr) statt, obwohl er intellektuell sehr gut aufgestellt ist. Jeder Versuch, ihn auf verschiedenste Möglichkeiten zu stupsen, wird abgewehrt - alles schon gesehen und für nicht geeignet empfunden. Nichts taugt was, keiner versteht ihn.
Er sieht damit leider auch Psychotherapien und Ähnliches nicht mehr als lohnend an. Er hat schon so einige Therapieversuche hinter sich (Kliniken, ambulante Therapien, Antidepressiva) - alles verlief frustrierend ergebnislos.

Die Wahrscheinlichkeit, dass so eine Frau auftaucht, ist meines Erachtens auch fast bei null. Er ist zu depressiv, um zu suchen. Und selbst wenn er das täte (es gab zaghafte Ansätze), ist fraglich, ob er irgend einer Frau etwas ausreichend Attraktives "anbieten" kann, damit man soweit überhaupt kommt. Er ist mit den Depressionen und allem, wozu die in seinem Leben führen, nicht gerade das Vorzeigebild eines attraktiven Mannes, auch vom Verhalten her... Er sieht zudem ganz durchschnittlich aus - nicht häßlich, aber auch nicht ausreichend attraktiv, dass Frauen von sich aus interessiert hinter ihm herschauen würden.

Im Grunde weiß er sogar, wie gering seine Chancen sind. Aber der Gedanke ist so bedrohlich, dass auch der systematisch abgewehrt wird und zu keinem Umdenken führt. Meines Erachtens hat er sich damit in ein eigenes "Gedankengefängnis" eingemauert. Er beharrt darauf, dass es keinen anderen Weg da raus gibt.

Ich bin völlig ratlos, mache mir große Sorgen um ihn und frage mich zweierlei:

1. Kann man dieses alles bestimmende Bedürfnis nach intimer Nähe unter irgend einem bekannten Begriff einordnen? Ich weiß noch nichtmal, wie ich das "besser googlen" kann in Ermangelung einer treffenden begrifflichen Beschreibung. Meine bisherigen Recherchen führen mich nur zu ganz anderen Problembildern...

Und:

2. Kennt jemand ähnlich "sture" Betroffene und hat jemand schonmal erlebt, dass jemandem aus so einem schier ausweglos erscheinenden Problemdenken raus geholfen wurde? Wie?

Danke schon mal für alle Kommentare!

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Sydney-b
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Beitrag Mo., 06.03.2023, 18:58

Für mich sind das Zwangsgedanken.

Es wird niemals eine Frau geben, die ihn TÄGLICH sehnsüchtig erwartet um ihn sogleich an den Schritt zu fassen.
Auch werden all seine Probleme deshalb nicht verschwinden und er zum glücklichsten Mann ever mutieren.
Vielleicht ginge es ihm kurzzeitig besser, aber nach einiger Zeit hätte er wieder Probleme.
Möglicherweise die gleichen, vielleicht aber auch andere Probleme, die dann an die Oberfläche kämen.

Er hat es sich gemütlich eingerichtet in seinen Zustand.
Er möchte da nicht mehr heraus.
( Vielleicht irgendwann mal, alles ist möglich)

Warum strampelst du dich so für ihn ab?
Was versprichst du dir davon?
Er ist erwachsen und hat sich entschieden, in diesem Zustand bleiben zu wollen.

Kannst du das nicht einfach akzeptieren?
Wenn deine Antwort: „Nein“ sein sollte:
Warum nicht?

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Franni
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Beitrag Mo., 06.03.2023, 19:28

Hey, danke für Deine offenen Gedanken dazu!

Ich halte seine Vorstellung, dass automatisch alles gut wäre, wenn er diese Frau hätte, auch für eine völlige Illusion.

Meine Unterstützung für ihn gründet auf mehreren Dingen:

Er ist mir wichtig. Weil er ganz abseits dieser Dinge ein Mensch ist, den ich für Vieles schätze und der in der Vergangenheit auch für mich schon mehrfach da war (eher in praktischer Hinsicht, aber da kann ich immer auf ihn zählen).

Ich habe auch ein stark ausgeprägtes "Freundschaftsverständnis". Ich denke immer: Wäre ich in so einer bescheidenen Situation, würde ich auch wollen, dass einer meiner engsten Freunde für mich da ist. Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung bedeuten mir viel.

Sehr entscheidend ist auch der Umstand, dass ich ihn als suizidgefährdet erlebe und kaum noch wen sonst sehe, der es schafft, noch zu ihm durchzudringen. Wende ich mich ab, ist er allein. Ich habe vor vielen Jahren einen meiner wichtigsten Menschen an Suizid verloren und es hat enorm lange gebraucht, darüber hinweg zu kommen. Sein Zustand "triggert" mich - das ist mir sehr bewußt. Ich weiß zugleich, dass ich es nicht wirklich verhindern kann, wenn es soweit käme. Das ist "heikel", ich weiß das. Ich versuche, da gut auf mich zu achten.

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stern
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Beitrag Mo., 06.03.2023, 19:47

Franni hat geschrieben: Mo., 06.03.2023, 19:28
Ich halte seine Vorstellung, dass automatisch alles gut wäre, wenn er diese Frau hätte, auch für eine völlige Illusion.
Ich würde mich Sydney anschließen. Und was diese Illusion angeht, würde mir sog. "magisches Denken" einfallen. Ich würde sagen, das würde ganz gut mit einer Zwangsstörung "harmonieren", evtl. auch als eine Art Vorstufe... oder kann ja nach Ausprägung vllt. auch ins leicht wahnhafte abgleiten.

So wie er diese Fantasie beschreibt empfinde ich sie auch jenseits von etwas, das realistisch erreichbar ist. Vielleicht bewahrt dieses Fantasie ihn ja auch etwas davor, sich ganz aufzugeben, weil es ja -scheinbar- noch etwas gibt, das schlagartig alles ändern würde. Nichtsdestotrotz würde ich (würde ich als Freundin mit so etwas konfrontiert werden) deutlich machen, dass frau nicht so tickt.

Ich weiß nicht, ob er aktuell in der Lage wäre, eine Beziehung einzugehen. Aber das wäre Schritt 1. Ob eine Beziehung ausreicht, dass seine Zwangsgedanken verschwinden (wenn es welche sind), würde ich aber eher bezweifeln. Aber wenn er an den Zwangsgedanken z.B mit Hilfe einer Therapie oder etwas Medikamente ändern könnte, steigt vllt. die Wahrscheinlichkeit, eine anderweitig zufriedene Beziehung zu führen.

So meine Ideen dazu.
Liebe Grüße
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Franni
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Beitrag Mo., 06.03.2023, 20:01

Liebe Stern, danke! Ich weiß auch nicht, ob er eine Beziehung hinkriegen würde... dafür müßte er ja schon mal im Minimum die Fähigkeit zeigen, sich partnerschaftlich nicht so stark mit sich selbst, sondern mit einem anderen Menschen zu beschäftigen. Dies richtet sich aber bisher scheinbar v.a. auf die Feststellung "will diese Frau mich vielleicht, oder nicht"? Alle anderen Fragen, die man sich stellen könnte (Passen wir zusammen? Wie tickt sie so? Was können wir zusammen machen?) scheinen sehr nachrangig.

Die Frage ist ja, wie kriegt man ihn anders raus aus diesen Gedanken? Die Therapeuten haben es ja scheinbar noch nicht geschafft. Und soweit ich weiß, waren Zwangsgedanken nie eine Diagnose. Was nicht heißen muss, dass es das nicht ist. In der Tat ist der Gedanke übermächtig da und dominiert ihn komplett.

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candle.
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Beitrag Mo., 06.03.2023, 20:07

Hallo Franni!
Franni hat geschrieben: Mo., 06.03.2023, 19:28 Ich habe auch ein stark ausgeprägtes "Freundschaftsverständnis". Ich denke immer: Wäre ich in so einer bescheidenen Situation, würde ich auch wollen, dass einer meiner engsten Freunde für mich da ist. Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung bedeuten mir viel.
Das finde ich sehr schön! Solche Menschen wie dich findet man kaum noch.

Und nun kommt das ABER.
Sehr entscheidend ist auch der Umstand, dass ich ihn als suizidgefährdet erlebe und kaum noch wen sonst sehe, der es schafft, noch zu ihm durchzudringen.
Davon würde ich dir jetzt strikt abraten dich zu seinen Wachhund zu machen. Du kannst ihn nicht ändern und wenn er sich suizidieren will dann wird er einen Weg finden. Ansonsten kannst du ihm wohl nur ans Herz legen sich behandeln zu lassen. Und selbst wenn er das ablehnt, mußt du das wohl respektieren.

Ich kenne das Problem leider und habe es zum Glück "losgekriegt" und es war nicht einfach.

Viele Grüsse
candle
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stern
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Beitrag Mo., 06.03.2023, 21:30

Franni hat geschrieben: Mo., 06.03.2023, 20:01 Alle anderen Fragen, die man sich stellen könnte (Passen wir zusammen? Wie tickt sie so? Was können wir zusammen machen?) scheinen sehr nachrangig.
Das unterstreicht umso mehr, dass diese Gedanken jenseits von "Beziehung" liegen.
Vielleicht ist der dazu auch gar nicht in der Lage und hat kaum eine Vorstellung davon, was Beziehung ausmacht.
Die Frage ist ja, wie kriegt man ihn anders raus aus diesen Gedanken? Die Therapeuten haben es ja scheinbar noch nicht geschafft. Und soweit ich weiß, waren Zwangsgedanken nie eine Diagnose.
Ich denke, zunächst wäre hilfreich, wenn sich ein Therapeut oder Psychiater einen Eindruck verschafft, wie das einzuordnen ist. Als weiteres Schlagwort würden mir "überwertige Ideen" einfallen. Das ist halt die Frage, ob er dazu in der Lage ist, dass als Fixierung anzuerkennen, die nicht mehr auf dem Boden der Realität steht. Also ob er das überhaupt korrigieren kann, dass das ziemlich unrealistisch ist, was er sich wünscht.
Bei Zwangsgedanken ist es, meine ich, manchmal so, dass derjenige noch weiß, dass es nicht so ist... aber es mit enormen Ängsten/Befürchtungen verbunden ist, die Zwangsgedanken könnten sozusagen wahr werden.
Vielleicht geht es bei ihm eher ins Wahnhafte? Dazu mûsste er sich aber zu einem Arzt oder PT aufmachen. Wenn er das nicht tut, kann man nur zurückmelden, dass er sich in etwas hineinsteigert, das nicht realistisch ist. Aber das nutzt ihm vllt. nicht dazu, dass korrigieren zu können. Vllt. könnten sogar Medikamente Entlastung bringen.
Liebe Grüße
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Franni
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Beitrag Di., 07.03.2023, 00:02

Lieben Dank für Eure Beiträge und die spannenden Anregungen!

Hallo nochmal Candle,
Davon würde ich dir jetzt strikt abraten dich zu seinen Wachhund zu machen. Du kannst ihn nicht ändern und wenn er sich suizidieren will dann wird er einen Weg finden. Ansonsten kannst du ihm wohl nur ans Herz legen sich behandeln zu lassen. Und selbst wenn er das ablehnt, mußt du das wohl respektieren.
Ja, ich fürchte, da hast Du Recht. Als Wachhund sehe ich mich auch nicht. Er merkt hier und da entsprechende Dinge an... das beschäftigt und beunruhigt mich natürlich. Durch den ersten Suizid in der Vergangenheit und meine lange Beschäftigung mit dem Thema sehe ich leider auch einige mögliche Hinweise auf eine Verschlechterung... Ich versuche, für ihn da zu sein, wenn es passt, weiß aber, dass das Grenzen hat und dass es am Ende des Tages seine Verantwortung ist, Hilfe anzunehmen bzw. zu suchen. Er ist halt nur sehr resigniert, weil bisher weder Ärzte noch Psychologen noch Medis geholfen haben... naja, und im depressiven Zustand Hilfe suchen und dran bleiben ist so ne Sache...
Ich kenne das Problem leider und habe es zum Glück "losgekriegt" und es war nicht einfach.
Darf ich fragen, wie Du das (ich nehme an, Du meinst das sich-involvieren?) losgekriegt hast? Die Sorge schwingt ja mit, wenn man erstmal solche Tendenzen sieht...

Und hallo nochmal stern,
Vielleicht bewahrt dieses Fantasie ihn ja auch etwas davor, sich ganz aufzugeben, weil es ja -scheinbar- noch etwas gibt, das schlagartig alles ändern würde.
Hm, interessanter Gedanke! Ich vermute auch, dass die ganze Sache eine "Funktion" für ihn haben muss. In gewisser Weise hat er sich damit, wie er sich das im Kopf zurechtgelegt hat, auch eine Art "Unangreifbarkeit" seiner schlechten Situation geschaffen. Solange sie nicht Realität wird, kann er behaupten, er wäre eigentlich bis auf diesen Umstand gesund. Vielleicht schützt ihn da auch was vor einer noch härteren Wahrheit dahinter?

Ich habe auch überlegt, ob es körperwahrnehmungs-bezogene Ursachen in der Kindheit geben könnte (sowas wie zu wenig Körperkontakt als Kind oder so?) und die Situation in irgendeiner Form der Wunsch nach einer Kompensation/Auflösung dafür sein könnte. Das wird man vermutlich kaum feststellen können. Aber vielleicht wäre da auch eine Körpertherapie eine Möglichkeit, also eine psychotherapeutische Therapieform, die den Körper mit einbezieht?

Wahnhaftigkeit nehme ich eher nicht wahr. Seine Realitätswahrnehmung ist "unauffällig", zumindest soweit ich das sagen kann. Zwangsgedanken - werde ich nochmal recherchieren. Ich habe Zwangsgedanken bisher mit wiederholten zwanghaften Handlungen verbunden (immer wieder Hände waschen, Schlösser kontrollieren, sowas). Aber da kann auch mein Verständnis noch zu eingeengt sein... danke auf jeden Fall für die Hinweise, ich schau da nochmal rein!
Nichtsdestotrotz würde ich (würde ich als Freundin mit so etwas konfrontiert werden) deutlich machen, dass frau nicht so tickt.
Diese Art Argumentation "zieht" bei ihm leider nicht. Dann kommt vielleicht sogar sowas wie ein frustriertes "Ich weiss!"... aber es ändert nichts an seinem Beharren darauf, dass das eben das ist, was er unbedingt braucht. Ich kann ihm ja auch schlecht sagen "Es ist völlig ausgeschlossen, dass es jemals eine Frau geben wird, die sich für Deinen Körper interessieren könnte." Möglich ist es ja theoretisch doch. Nur so wie die Dinge sind sehr unwahrscheinlich...
Aber wenn er an den Zwangsgedanken z.B mit Hilfe einer Therapie oder etwas Medikamente ändern könnte, steigt vllt. die Wahrscheinlichkeit, eine anderweitig zufriedene Beziehung zu führen.
Ja, das wäre ja auch meine große Hoffnung für ihn, dass er da auf so eine Art Hilfe findet. Wenigstens eine Diagnose wäre schon was - eine, der er selbst auch zustimmen kann. Medikamente hat er halt auch schon einige durch, alles erfolglos bisher. Momentan möchte er keine neuen Versuche mit Ärzten oder Medis starten. Wir sprechen alle paar Monate über sowas und seine Bereitschaft schwankt zwischen "mir kann keiner helfen, das ist alles völlig sinnlos" und "naja, vielleicht unternehme ich nochmal irgendwann was, wenn ich die Kraft dafür finde".

Ich habe bisher immer gehofft, irgendwann einen passenden Gedanken zu entdecken, der auf seine Situation so gut passt, dass er nicht mehr abstreiten kann, dass das sein Problem ist... so dass er damit dann auch losgehen und Hilfe bekommen kann. Bisher ist das aber halt nicht gelungen. Seine letzten Psychotherapie-Versuche waren halt auch alle ergebnislos.

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reddie
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Beitrag Di., 07.03.2023, 00:16

Er muss irgendwie dringend an seinem Selbstwertgefühl arbeiten, am besten in Therapie. Ich hoffe, er findet den Antrieb noch!

Wirklich attraktiv sind Menschen, die sich selbst schätzen, die eigene Interessen haben, Talente ausleben, Humor haben, sich in ihrem Körper wohlfühlen... (jeder findet andere Attribute anziehend).

Sonst könnt er sich auch einfach nur im Fitnessstudio aufpumpen. Man will ja auch nicht nur für seine Hülle "geliebt" werden. Man wird älter, krank...

Ich hoffe, er gerät nicht in INCEL-Kreise und schaut nicht zu viele Pornos (die die Realität von Sexualität extrem verzerren).

Alles Gute
reddie

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Sydney-b
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Beitrag Di., 07.03.2023, 00:34

Wie alt ist er denn?
In welcher Beziehung stehst du zu ihm und wieviel Kontakt habt ihr?
Kann er noch einer Arbeit nachgehen?

Er ist laut dir seit Jahren schwer depressiv.
Scheint aber trotzdem noch einigermaßen klarzukommen?
Oder braucht er Hilfe im Haushalt, bei der Körperpflege, Essen zubereiten und einzukaufen?

Er beschäftigt sich mit Internet und TV?

So ganz kann ich mir noch kein Bild von der Situation machen.

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Sydney-b
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Beitrag Di., 07.03.2023, 00:56

Franni hat geschrieben: Di., 07.03.2023, 00:02

Ja, das wäre ja auch meine große Hoffnung für ihn, dass er da auf so eine Art Hilfe findet. Wenigstens eine Diagnose wäre schon was - eine, der er selbst auch zustimmen kann. Medikamente hat er halt auch schon einige durch, alles erfolglos bisher. Momentan möchte er keine neuen Versuche mit Ärzten oder Medis starten. Wir sprechen alle paar Monate über sowas und seine Bereitschaft schwankt zwischen "mir kann keiner helfen, das ist alles völlig sinnlos" und "naja, vielleicht unternehme ich nochmal irgendwann was, wenn ich die Kraft dafür finde".

Ich habe bisher immer gehofft, irgendwann einen passenden Gedanken zu entdecken, der auf seine Situation so gut passt, dass er nicht mehr abstreiten kann, dass das sein Problem ist... so dass er damit dann auch losgehen und Hilfe bekommen kann. Bisher ist das aber halt nicht gelungen. Seine letzten Psychotherapie-Versuche waren halt auch alle ergebnislos.
Ich muss zugeben, die Art und Weise, - wie du hier ihn - aber erst recht deine Gedankengänge zu der ganzen Situation beschreibst, lässt mich konsterniert zurück.

Man hat fast das Gefühl, du bist seine Therapeutin und weißt nicht weiter, wie du ihn noch behandeln könntest.
Du möchtest nicht sein Wachhund sein und auf dich selber aufpassen.
Ich glaube, da bist du schon längst drüber hinaus.

Wenn er eine Therapie machen wollte, kann er dies jederzeit, auch ohne deine passenden Gedanken dazu, die so gut auf seine Situation passen, dass er sie nicht mehr abstreiten kann.

Dies wird also an seiner Therapie Motivation nichts ändern, dass sind glasklar nur deine Hoffnungen.

Ich kann absolut nachvollziehen, dass dich diese Situation umtreibt und ohnmächtig zurücklässt.
Würde mir nicht anders gehen.

Durch deine traumatischen Vorerfahrungen ist dieser Zustand für dich wahrscheinlich noch viel schlimmer.

Du solltest aber unbedingt darauf aufpassen, dass du ihm nichts überstülpst durch deine üblen Erfahrungen mit dem anderen Suizid.

Hast du eigentlich therapeutische Begleitung?
Ich habe nämlich den Eindruck, dass du selber Hilfe unbedingt nötig hättest.

Es gibt auch Selbsthilfegruppen für Angehörige von depressiven Menschen.
Religiöse Menschen finden auch oftmals Hilfe durch einen Seelsorger.

Hast du dich schon einmal damit befasst?
Wie alt bist du denn?
Hast du Familie, Partner/Kinder?
Ich frage, weil man dadurch oft eine gute Unterstützung erhalten kann.

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Franni
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Beitrag Di., 07.03.2023, 12:38

Hallo liebe Antwortende,

wir sind beide um die 40 und wir leben beide als Singles, die wenigen nächsten Familienangehörigen in beiden Fällen weit weg. So ist der (teils gemeinsame) Freundeskreis jeweils das stärkste verfügbare soziale Netzwerk. Seit er eine kleine Ecke weg gezogen ist, sehen wir uns monatlich noch 1-3 mal, je nachdem, wie es gerade passt, und telefonieren ab und zu. Vorher war der Kontakt etwas häufiger. Wir kennen uns seit Langem und haben "einen guten Draht" zueinander. Über die Zeit haben wir einiges zusammen erlebt (z.B. gemeinsame Urlaube mit anderen Freunden) und viele intensive Gespräche geführt.

Dass er sich selbst eine Therapie sucht, halte ich momentan für extrem unwahrscheinlich. Er ist von allen vorherigen Versuchen -und das waren einige- völlig demotiviert und stark resigniert. Hält all solche Maßnahmen für nicht mehr erfolgversprechend. Bisher hat wie gesagt keine Therapie geholfen. Generell tut er sich wirklich schwer mit organisatorischen Dingen. Alles sei ihm zu anstrengend, er habe die Energie nicht dafür. Selbst so etwas wie einen Arzttermin per Telefon zu machen empfindet er meistens als zu viel, das kann er wochenlang aufschieben. Da spielt auch noch ein sozialphobischer Anteil hinein. Ganz selten schafft er es mal, sich zu sowas aufzuraffen, dann geht es mal ein kleiner Schritt vorwärts in Sachen Hilfe suchen, aber bisher immer wieder ergebnislos. Und gleich mehrere Therapeuten abzutelefonieren, wie bei einer Therapieplatzsuche ja üblich, ist etwas, dass er so vermutlich absehbar nicht hinbekommen wird. Psychopharmaka hält er aus seiner Erfahrung heraus für ebenfalls nicht mehr erfolgsversprechend - er hat schon einige Wirkstoffgruppen, die es gibt, durch. Er hat da scheinbar auch irgendwie einen besonderen Stoffwechsel - diese und andere Medikamente wirken bei ihm teils nur in ungewöhnlich hohen Dosen oder gleich gar nicht (auch bei Schmerzmitteln z.B.). So waren auch Selbstversuche mit Drogen bei ihm nicht erfolgreich, die er aus Verzweiflung mal ausprobiert hat. Es gibt wohl noch Wirkstoffe unter den Psychopharmaka, die er noch nicht versucht hat, aber das will er nicht als Option erwägen derzeit.

Mit INCEL Kreisen hat er sich mal eine kleine Weile beschäftigt, aber da hat er sich gedanklich nicht verortet. In Sachen Pornographie kann ich es nicht genau sagen, aber zumindest habe ich über die Zeit, die ich ihn kenne, in so einer Richtung noch nichts von ihm gehört. Er hat das große Glück, eine wirklich gute Arbeitsstelle zu haben, die er in der Lage ist, kompetent auszufüllen. Allerdings nimmt er sich selbst auch da als nur noch begrenzt leistungsfähig wahr und wundert sich immer wieder, dass es noch so gut klappt. Haushaltsdinge kann er körperlich voll umfänglich leisten, allerdings ist die Motivation hierfür so gering, dass auch nur das Nötigste gemacht wird. Es bleibt alles dauerhaft sehr unordentlich und teils nicht sooo sauber - aber irgendwie geht es. Viel Zeit geht in die Selbst-Ablenkung mit PC-Spielen und Streaming-Diensten. Seit einer Weile hat er auch eine befreundete Familie in der Nähe, mit denen er oft Brettspiele macht, das tut ihm gut.

Und noch zu Deinen Zeilen, Sydney-b:

Ja, ich habe selbst therapeutische Unterstützung und habe auch mit meinem Therapeuten schon mehrfach über die Situation gesprochen, eben weil es für mich eine schlimme Vorstellung ist, noch einen Menschen im nahen Umfeld wegen Depressionen zu verlieren.
Dass ich ihm etwas überstülpe, glaube ich ehrlich gesagt nicht. Ich gehe sehr sensibel mit dem Thema um und er ist gar nicht der Mensch, der irgendwas annimmt, von dem er selbst nicht überzeugt ist. Er tendiert sogar eher zu einer Art reflexhaftem Widerspruch, diskutiert gerne lange und kontrovers. Er erklärt auch seinen Therapeuten und anderen Menschen/mir klipp und klar, wo er der Meinung ist, dass sie Unsinn reden... seine Vorstellungen sind immer ganz entschieden. Ausdrücken kann er sich sehr gut. Das können wir beide - auf der Ebene treffen wir uns.
Und naja, wir haben schon viele Gespräche darüber geführt, wie schlecht es ihm geht, so kommen wir natürlich auch immer wieder auf die Frage "und jetzt?".

Nach meinem Gefühl wäre eben weil er intellektuell so stark ist sein bester Weg aus der Situation heraus ein Umdenken von innen heraus. So hoffe ich irgendwie immer noch, ihn -sofern er das nicht selbst schafft- auf irgend eine hilfreiche Idee bringen zu können, die er noch nicht selbst hatte. Manchmal ändert ja schon ein einziger neuer oder andersartiger Gedanke oder Blickwinkel etwas in der Art und Weise, wie wir die Dinge sehen...

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Franni
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Beitrag Di., 07.03.2023, 13:22

PS: Zu Deinem Beitrag nochmal stern:
Als weiteres Schlagwort würden mir "überwertige Ideen" einfallen. Das ist halt die Frage, ob er dazu in der Lage ist, dass als Fixierung anzuerkennen, die nicht mehr auf dem Boden der Realität steht. Also ob er das überhaupt korrigieren kann, dass das ziemlich unrealistisch ist, was er sich wünscht.
Ich habe das mal gegooglet. Ja, "überwertige Idee" passt. Ich denke nicht, dass er diese Idee noch auf Realismus zu hinterfragen in der Lage ist, sonst würde er sie wohl irgendwie weiterentwicklen oder verändern. Das sehe ich aber nicht. Und das, obwohl er ansonsten einen überaus kritischen Geist hat.

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Franni
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Beitrag Di., 07.03.2023, 14:13

Auch wenn das Thema dieses Threads eigentlich seine Situation sein soll, möchte ich auch nochmal sagen:

Ich "höre" Eure Appelle, mich da nicht zu (mit-)verantwortlich zu fühlen / zu sehr reinzuhängen. Und da habt Ihr grundsätzlich völlig recht. Das richtige Verhältnis aus Anteilnahme und Abgrenzung ist gerade im Umfeld von depressiven Menschen ein schwieriger, aber unheimlich wichtiger Balanceakt - für mich umso mehr, wo ich diesen Suizid in der Vergangenheit schon verarbeiten musste. Ich räume auch ein, dass bestimmt meine "inneren Alarmglocken" da aufgrund der Vorerfahrung lauter schrillen, als bei Anderen vielleicht, so dass ich umso mehr auch auf mich aufpassen muss. Das weiß ich. Und ich bespreche das auch mit meinem Therapeuten. Ich habe auch ein, zwei andere Freunde, die mich stützen. Durch den Vorfall damals habe ich mich viel mit dem Thema Depression und Suizid und auch mit dem Thema Unterstützung in solchen Fällen beschäftigt, dadurch ist ein gewisses Bewußtsein für die psychologischen Sichtweisen eben auch da. Ich bin, was Depressionen und Suizidalität angeht, thematisch eben (leider) nicht "unbeleckt". Die Warnzeichen, die Denkweisen... Aber dieses spezifische Störungsbild umfasst eben noch was Anderes, schwer Greifbares.

Suizidalität jedenfalls rechtfertigt in meinen Augen auch ein gewisses Maß an Unterstützungsversuchen, solange es die eigenen Grenzen nicht zu sehr überschreitet. Eben weil ein suizidaler Mensch sich nicht mehr unbedingt alleine da rausziehen kann.
Da kann man eben nicht mehr leichten Gewissens sagen: Lass diesen Menschen doch sich selber helfen. Ja, es ist in erster Linie seine eigene Verantwortung. Aber nein, er kriegt das eben kaum noch hin. Und es gibt kaum Menschen, die für ihn da sein können und wollen. Das soziale Umfeld ist so wichtig ist in solchen Situationen. Weil durch die Depression eben so viel Energie und Motivation fehlt und weil es eben doch hilft, wenn dann noch jemand von außen mit motiviert, es vielleicht doch nochmal neu zu betrachten, oder es nochmal zu versuchen mit einem neuen Therapieanlauf, oder auf eine neue Art und Weise.

Es geht letztendlich tatsächlich um leben oder nicht leben, in so einem Fall... Solange ich mich in der Lage fühle, etwas zu tun, und sei es nur durch gemeinsame, positive Ablenkungen in der Freizeit, Gespräche, Zuhören, Informationen, Ideen... dann finde ich das noch sehr ok. Es gab schon Momente, da war mir das alles auch zu viel, mir geht es ja auch nicht immer gut. In solchen Situationen nehme ich mich dann auch erstmal raus, bis ich wieder selbst Energie abzugeben habe. Aber dann bin ich auch wieder an seiner Seite und tue, was ich kann... und wie gesagt, er hat mir auch schon an wichtigen Punkten geholfen. Darum geht's doch auch im Leben - Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung!

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candle.
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Beitrag Di., 07.03.2023, 14:27

Franni hat geschrieben: Di., 07.03.2023, 00:02 Darf ich fragen, wie Du das (ich nehme an, Du meinst das sich-involvieren?) losgekriegt hast? Die Sorge schwingt ja mit, wenn man erstmal solche Tendenzen sieht...
Durch eine Selbsthilgegruppe. Ich bin leider mit einer suizidalen Mutter aufgewachsen und spektakulären Inszenierungen.
Dass er sich selbst eine Therapie sucht, halte ich momentan für extrem unwahrscheinlich. Er ist von allen vorherigen Versuchen -und das waren einige- völlig demotiviert und stark resigniert. Hält all solche Maßnahmen für nicht mehr erfolgversprechend. Bisher hat wie gesagt keine Therapie geholfen.
Allgemein kann ich mir nicht vorstellen, dass alles nicht hilft. Er will wohl nicht und da kämpfst du gegen Windmühlen.

Ich würde mit ihm mal Tacheles reden, wie er das findet, dass du in die Wachhundposition rutscht. Das muß er vertragen und sich anhören können, denn SO geht es für dich nicht weiter. Vielleicht ist es ihm nicht bewußt was er da mit Freunden macht oder es interessiert ihn gar nicht, was schlecht wäre und die Freundschaft zu überdenken. Also müßtest du seine Verantwortung mal deutlich an ihn zurückgeben.
Es besteht ja immerhin die Möglichkeit, dass er UNBEWUßT damit spielt und gar nicht so viel Suizidalität dahinter steckt wie du annimmst.

Ich hoffe, dass er das positiv annimmt.

candle

PS: Arbeitet er nicht oder wie gestaltet er seinen Tagesablauf?
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