Mein Doppelleben

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Fräulein123
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Mein Doppelleben

Beitrag Do., 18.04.2024, 20:30

Hallo liebes Forum,

ich bin neu hier und hoffe, dass ich mit meiner Geschichte auf den ein oder anderen Rat stoße. Es geht um Erlebnisse, die mittlerweile zwar ein Jahr zurückliegen, mich aber immer noch sehr beschäftigen und belasten. Mit Menschen aus meinem Umfeld darüber zu sprechen, erscheint mir unmöglich. Aber vielleicht finde ich ja hier Verständnis oder jemanden, der Ähnliches erlebt hat ☹️

Letztes Jahr hab ich nach meinem Bachelorabschluss und einer schmerzhaften Trennung von meinem langjährigen Freund beschlossen, für eine Weile ins Ausland zu gehen. Ich wollte einfach nur raus, den Kopf freibekommen und neue Erfahrungen sammeln. Australien mit einem Working Holiday Visum erschien mir perfekt dafür.
In Sydney hatte ich dann ein kleines Zimmer etwas außerhalb der Stadt gemietet. Mit dem Vermieter hatte ich zuvor nur losen Kontakt über Facebook, er schien aber ganz nett. Der Mietvertrag war noch nicht unterschrieben, aber er meinte, das habe Zeit und ließ mich erstmal so einziehen. Ich dachte mir nichts weiter dabei.
Dann kam irgendwann der Abend, an dem plötzlich einer seiner Bekannten vor der Tür stand und behauptete, mein Vermieter habe ihn geschickt. Ich war völlig perplex und überfordert mit der Situation. Irgendwie landeten wir im Bett. Ich habe mich danach schrecklich gefühlt, schmutzig und benutzt.

…Aber das blieb kein Einzelfall. In den folgenden Wochen kam es immer wieder vor, dass irgendwelche Männer bei mir auftauchten, als sei das ein ganz normaler "Besuchsservice". Wenn ich meinen Vermieter darauf ansprach, gab er zu verstehen, dass er das als eine Art Gegenleistung fürs mietfreie Wohnen betrachtet und manchmal haben sie mir auch etwas Geld gegeben. Ich weiß, wie naiv und dumm das war. Natürlich hätte ich da direkt einen Schlussstrich ziehen müssen. Aber ich war irgendwie gelähmt.

Erst kurz vor meiner Rückkehr fasste ich den Mut, da auszuziehen und bin noch etwas gereist. Heute quält mich die Frage, warum ich nicht viel früher die Reißleine gezogen habe. Die Vorstellung, dass meine Familie oder Freunde je davon erfahren könnten, macht mich krank vor Angst. Er ist immer noch im Facebook mit mir befreundet, und übrigens auch mit meinen Eltern (warum ?!) und inzwischen auch ein paar anderen Freunden von mir🤯.

Eine Therapie habe ich bisher nicht in Betracht gezogen. So schlimm die Sache auch war, komme ich mir doch nicht "krank genug" dafür vor. Außerdem will ich nicht, dass irgendjemand davon weiß.

Hat jemand einen Rat für mich, wie ich diesen Schatten aus meiner Vergangenheit loswerde? Oder hatte schon mal jemand eine ähnliche Situation? Es würde mir schon helfen zu wissen, dass ich damit nicht ganz alleine bin.
Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit und entschuldige mich für den langen Text. Es tut gut, das überhaupt mal auszusprechen.

Eure Hannah

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candle.
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Do., 18.04.2024, 20:50

Hallo Hannah!

Wirklich schlimm was dir da passiert ist!
Fräulein123 hat geschrieben: Do., 18.04.2024, 20:30 Die Vorstellung, dass meine Familie oder Freunde je davon erfahren könnten, macht mich krank vor Angst. Er ist immer noch im Facebook mit mir befreundet, und übrigens auch mit meinen Eltern (warum ?!) und inzwischen auch ein paar anderen Freunden von mir🤯.
Erstmal würde ich einfach die facebook Verbindung lösen. Und für die Zukunft würde ich mich an deiner Stelle nicht so schnell mit jemanden verbinden. Ist doch klar, dass andere mit denen du verbunden bist diesen Freundschaftsvorschlag bekommen. Ich denke aber, dass das nicht wirklich von Bedeutung ist.

Ansonsten: Therapeuten haben Schweigepflicht wie auch Beratungsstellen an die du dich wenden kannst. Ich würde dazu raten, damit du darüber reden kannst und das Geschehen los wirst.

Viele Grüße!
candle
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peponi
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Beitrag Do., 18.04.2024, 22:17

Was dir diese Männer - allen voran der Vermieter - angetan haben, ist entsetzlich. Es tut mir sehr leid, dass du das erleben musstest und so lange schon allein mit dir herumschleppst. Ich denke, pauschale Möglichkeiten, wie derartige zutiefst verstörende und belastende Erlebnisse verarbeitet werden können, gibt es leider nicht. Anonym hier zu schreiben, ist vielleicht ein erster Schritt und es erfordert viel Mut, ihn zu gehen. Ich kann mich candle dahingehend anschließen, als dass ich es auch sehr wichtig fände, den Kontakt zu dem Vermieter unbedingt komplett abzubrechen und ihm keine Möglichkeit mehr zu geben, dich zu kontaktieren. Er hat deine Verletzlichkeit und Abhängigkeit von ihm schamlos ausgenutzt. Er - und diese Männer - haben dir Furchtbares angetan.

Ich verstehe deine Schuldgefühle, deine Scham und deine Furcht, dich jemandem anzuvertrauen, leider zu gut. Trotzdem oder vielleicht auch: gerade deswegen möchte ich dich ebenfalls ermutigen, dir professionelle Hilfe zu suchen. Du musst nicht "krank genug" sein. Nach allem, was du durchgemacht hast, darfst du Hilfe und Unterstützung in Anspruch nehmen, um das verarbeiten zu können. Ob bei einer Beratungsstelle oder in einer Psychotherapie, oder beidem.
Ganz pragmatisch: bei den Wartezeiten für einen Therapieplatz dauert es vermutlich ohnehin Monate, bis du eine Therapie beginnen kannst. Warum also nicht jetzt damit anfangen, dir einen Therapeuten oder eine Therapeutin zu suchen, so überwältigend der Gedanke auch sein mag? Dann kannst du dich in ein paar Monaten immer noch umentscheiden, wenn es losgehen sollte. Oder vielleicht bist du bis dahin froh darüber, den Platz zu haben.
Denn Dinge, wie du sie erlebt hast, haben leider die Tendenz, nicht einfach von selbst zu verschwinden. Die können einen sehr hartnäckig quälen, das tun sie ja auch, wie du selbst schreibst. Man kann das vielleicht eine Weile zur Seite schieben, das funktioniert mal mehr, mal weniger gut. Aber es ist keine Dauerlösung. Und auch mit Unterstützung braucht es Zeit und ist ein langer, schmerzhafter Prozess. Es kann aber besser werden. Nicht mehr ganz so quälend.
silence like a cancer grows.


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Fräulein123
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Beitrag So., 28.04.2024, 13:10

Danke!! Ich habe angefangen, nach einem Therapieplatzes zu suchen, vielleicht finde ich eine.

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