Ich habe zwei Fragen, aber bevor ich sie stelle, muss ich etwas über mich erzählen: Meine Mutter hat Alkohol getrunken, als sie mit mir schwanger war und ich war ihr immer gleichgültig. Deshalb habe ich nie von ihr emotionale Zuwendung bekommen. Als ich 3 Jahre alt war, ließen sich meine Eltern scheiden und mein Vater war damit beschäftigt, sich um seine Grundbedürfnisse und die seiner Kinder (ich habe zwei Brüder) kümmern. Außerdem musste er arbeiten. Ich bekam deshalb auch von ihm sehr selten emotionale Zuwendung. Als er später eine Freundin fand, hat die mich abgelehnt und ab und zu sogar geschlagen. Außerdem hat sie oft Lügen über mich erzählt. Als ich zum Beispiel Beinschmerzen hatte, behauptete sie, dass ich das nur simulieren würde, um Aufmerksamkeit zu kriegen.
Ich muss deshalb immer weinen, wenn ich an meine Vergangenheit denke. Aber das passiert mir nur seit ca. 5 Jahren. Vorher habe ich mich damit abgefunden.
Damit kommen wir zur ersten Frage: Ist es normal, dass man erst so spät trauert?
Jetzt zur zweiten Frage: Ich habe die Doku "Der Fall Natalia Grace" gesehen und habe ein schlechtes Gewissen, dass mich meine Vergangenheit so traurig macht, obwohl sie und viele andere schlimmeres erlebt haben. Ist das schlechte Gewissen deshalb angebracht?
schlechtes Gewissen
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Weißt ich nicht. Schätze, die Gefühle können in jedem Alter raus brechen.neugierig88 hat geschrieben: Mo., 30.06.2025, 22:58 Damit kommen wir zur ersten Frage: Ist es normal, dass man erst so spät trauert?
Nein, das schlechte Gewissen ist nicht angebracht. Du hast jedes Recht der Welt zu trauern.
Wenngleich sicherlich viele Menschen das Gefühl kennen, dass andere es viel schlimmer erwischt haben als man selbst. Trotzdem, du schadest keinem anderen mit deiner Trauer. Und dein Erlebtes "reicht aus", damit du trauern "darfst". Jeder darf über seine Geschichte trauern, egal, wie die aussieht.
Sicherlich teilt jeder schlimme Situationen in Kategorien ein. Schlimm, schlimmer, noch schlimmer....
Was du selbst wie einteilst, sagt aber nicht unbedingt etwas darüber aus, wie sehr z.B. ein anderer Mensch trauert, eingeschränkt ist, Schaden aus Erlebtem getragen hat. Es ist möglich, dass ein Mensch, der - aus deiner Sicht - ganz heftiges erlebt hat, viel besser durchs Leben kommt als einer, der - aus deiner Sicht - viel weniger schlimmes erlebt hat.
Alles ist relativ. Wir haben alle andere Gene, hatten unterschiedliche Schutzfaktoren.
Wenn Person A Schicksal X erleidet, fühlt sie nicht unbedingt dasselbe wie Person B, die ebenfalls X erleidet.
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Vllt war es vorher nicht die richtge Zeit. Es kann viele Gründe haben, warum man sich erst spät damit auseinander setzt. Ist doch völlig in Ordnung, wenn du dich jetzt damit auseinader setzen möchtest.neugierig88 hat geschrieben: Mo., 30.06.2025, 22:58 Ich muss deshalb immer weinen, wenn ich an meine Vergangenheit denke. Aber das passiert mir nur seit ca. 5 Jahren. Vorher habe ich mich damit abgefunden.
Damit kommen wir zur ersten Frage: Ist es normal, dass man erst so spät trauert?
Nein. Absolut nicht. Ein schlechtes Gewissen ist dazu da andere vor Schaden zu bewahren. Ich weiß jetzt nicht, was diese Natalia Grace davon haben soll, wenn du jetzt in deinem ganz persönlichen Leben immer so tust als ob es dir super gut geht. Das macht ja gar keinen Sinn. Der wirds ja dadurch nicht besser gehen.neugierig88 hat geschrieben: Mo., 30.06.2025, 22:58 Jetzt zur zweiten Frage: Ich habe die Doku "Der Fall Natalia Grace" gesehen und habe ein schlechtes Gewissen, dass mich meine Vergangenheit so traurig macht, obwohl sie und viele andere schlimmeres erlebt haben. Ist das schlechte Gewissen deshalb angebracht?
Dann dürfte sich ja in auch niemand mit einer schweren Grippe mit sehr hohe Fieber schonen und auf sich Acht geben, die Krankheit ernst nehmen, weils Menschen gibt, die Krebs im Endstadium haben?
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf
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