Asperger Autismus Isolation

Asperger-Syndrom

Die Techie-Kontaktstörung der Jahrhundertwende?

Asperger-Syndrom - was ist das?

Das sogenannte "Asperger - Syndrom" ist nach dem Wiener Kinderarzt Hans Asperger benannt, der die entsprechende Symptomatik in den 40er-Jahren erstmals als leichte Form des Autismus, die meist mit sehr guter Sprachbegabung, überdurchschnittlicher Intelligenz und obsessiv betriebenen - häufig technischen - Interessen verbunden ist, beschrieben hat. 1991 hat das Asperger-Syndrom in das Internationale Klassifikationssystem der WHO (ICD-10), und 1994 in das Diagnostische Statistische Manual psychischer Störungen (DSM-IV) der American Psychiatric Association Eingang gefunden. Im 2014 erschienenen DSM-5 findet es sich in der Gruppe der "Störungen im Autismusspektrum".
Zum Teil bemerkenswerte Ähnlichkeiten in der Symptomatik und auch Genese gibt es zwischen Asperger-Syndrom, ADS (Attention Deficiency Syndrome / Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) und ADHS (Aufmerksamkeits - Defizit / Hyperaktivitäts - Störung).

'Normale' Menschen besitzen die Fähigkeit, sich zu konzentrieren oder auch nicht, der Asperger-Betroffene dagegen hat keine Wahl - er ist konzentriert von Kindesbeinen an. "Aspie's" sind uns allen bekannt, und wir kennen Sie von den Spitzen moderner Technologieunternehmen bis hin zu den hochspezialisierten Genies in Wissenschaft und Forschung: unter ihnen so prominente Namen wie Bill Gates, Steven Spielberg, Glenn Gould, John Nash ('A Beautiful Mind'), Steve Case, Thelonious Monk, T.S. Eliot, Albert Einstein, Thomas Jefferson und viele andere. Ihre spezielle Fähigkeit zur Abstraktion und Analyse lässt es demnach nicht verwundern, dass etwa Universitäts-Fakultäten für Mathematik oder Informatik im Volksmund mitunter "Autisten-Tempel" genannt werden. Denn "Aspies" wirken auf uns wie aus einer anderen Welt 'hereingeschneit', wie fremde Besucher auf unserer Erde, sie weichen den Blicken ihrer Gesprächspartner aus, wirken oftmals abwesend und ein wenig verloren, wenn sie sich in Gesellschaft befinden. Wenn sie sprechen, dann stets sehr sachlich, gefühlsmäßig eher unbeteiligt, "zielorientiert". Es wirkt mitunter, als würden Sie das Gesprächsthema gern bald 'erledigen', um sich wieder möglichst rasch ihren eigentlichen Interessen zuwenden zu können.

Psychologisch Interessierten wird dieses Verhaltensmuster ein wenig bekannt vorkommen: ähnliche Verhaltensweisen werden - allerdings in weit ausgeprägterer Form - auch Autisten zugeschrieben. Menschen mit dem Asperger-Syndrom finden sich im Alltag jedoch recht gut zurecht, ja viele von ihnen sind sogar äußerst angesehene Personen - vor allen Dingen deshalb, weil sie auf einem speziellen Gebiet beruflich sehr erfolgreich sind oder geradezu 'genial' zu sein scheinen. Sie wirken aufgrund ihres meist schüchtern wirkenden Verhaltens still und zurückgezogen, sind unempfindlich in Bezug auf Ironie, Gruppendynamik oder sportlichem Ehrgeiz. In Codes, Strukturen und 'step-by-step'-Anleitungen können sie besser lesen als in Menschen, neigen zu Exzentrik und 'Verschrobenheit', sind oft sehr intelligent - neigen jedoch auch zu Selbstüberschätzung. Sie wirken oft kühl - können aber auch sehr emotional sein, wenn ihnen etwas wichtig ist. Fallweise sind sie dann in ihren Gefühlen offener und ausdrucksvoller als andere Menschen. Veränderungen empfinden sie als tendentiell unangenehm oder sind zumindest nicht daran interessiert. Viele haben sehr starke Beziehungen zu Objekten, Orten oder Routinen und können sich sehr aufregen, wenn sie gezwungen sind, diese Dinge aufzugeben. Dies macht "Aspie's" auch zu 'loyalen' Kollegen, Mitarbeitern und vielleicht auch Freunden, denn sie sind damit zuverlässig, meist frei von Voreingenommenheiten und sagen, was sie denken - ungeachtet des sozialen Kontextes, mitunter auch ungeachtet, ob sie damit andere verletzen oder selbst anecken könnten. Ihre Fähigkeit, sich bis zur Exzentrik auf Details zu konzentrieren und dabei oft einzigartige Lösungen zu finden, macht es ihnen allerdings oft auch schwerer, Gesamtzusammenhänge, die kontextuelle Bedeutung von Situationen oder situative, emotionale Bilder zu erfassen. Ihre Beständigkeit und Loyalität wiederum erzeugt in Ihnen oft große Spannungen, wenn sie mit ihren Ansichten oder analytisch gewonnenen Erkenntnissen "gegen den Strom" schwimmen müssten: sie verhalten sich dann meist mehr adaptiv als konfrontativ, sind selten unter den Outlaws zu finden. Man könnte sagen, die Betroffenen sind mehr "Sklaven ihres Verstandes, während andere ihren Verstand benutzen". Anders gesagt: sie sind meist auf einem Gebiet (z.B. im Beruf) absolut perfekt - vergessen jedoch andererseits auf andere, teils ebenso wichtige Bereiche, weil die "Priorität" eben auf ihrem jeweiligen Interessensgebiet liegt, und der flexible Wechsel der Aufmerksamkeit Menschen mit dieser Kontaktstörung recht schwer fällt.

Zur weitergehenden Information über das Asperger-Syndrom können Sie auch auf die am Ende dieser Seite zusammengestellte, umfangreiche Link-Sammlung zurückgreifen (diese wurde jedoch nicht nach dem Gesichtspunkt wissenschaftlicher Qualitätsansprüche, sondern mehr zum Überblick über das, was es an Ressourcen dazu bereits gibt, zusammengetragen).

AB-Maßnahme für Psychologen und Therapeuten oder ernstzunehmende Krankheit?

Wie bei allen 'neu entdeckten' Verhaltensstörungen bestehen zunächst oft Zweifel, ob es die beschriebene Symptomatik tatsächlich gibt oder es sich nur um den Versuch von Forschern handelt, deren Namen in den Lehrbüchern zu verewigen. Obwohl das Asperger-Syndrom bereits um die 50er-Jahre ausführlich beschrieben wurde, mittlerweile in den ICD-10 (dem internationalen Klassifikationssystem der WHO), seit 1994 auch in den DSM-IV und DSM-5 (das Diagnostische Statistische Manual psychischer Störungen der American Psychiatric Association) Eingang gefunden hat und heute umfangreiche Literatur verfügbar ist, scheint es gerade während der von Technologieglauben geprägten Hochblüte des IT-Business schwer, die problematischen Facetten des Syndroms auch tatsächlich als psychopathologisch zu akzeptieren, sind viele davon doch gleichzeitig auch Fertigkeiten, die idealtypische Voraussetzungen für die entsprechenden Berufsbilder darstellen...

Die problematischen Verhaltensweisen bleiben auf diese Weise oft unerkannt - oder werden verdrängt: die Betroffenen unterdrücken die Symptome und schlängeln sich nicht selten lange Zeit hindurch mithilfe von Strategien wie geschicktem Ausweichverhalten und bewusster Konzentration auf berufliche und sachliche Lebensschwerpunkte durch das Leben. Insbesondere in Partnerschaften lässt sich die äußere Anpassung dann jedoch nicht mehr aufrechterhalten: Spannungen in der Beziehung sind vorprogrammiert, und meist leiden diejenigen, die mit den betreffenden Menschen zusammenleben, am meisten. Erst das Wissen um die 'Außergewöhnlichkeit' Ihres jeweiligen Gegenübers erlaubt beiden Partnern, konstruktiv mit den laufenden Schwierigkeiten umzugehen. Und das gemeinsame Erarbeiten einer für das Zusammenleben "passenden" Kommunikation, idealerweise unterstützt durch eine Paartherapie, macht es möglich, die gegenseitigen Bedürfnisse und Grenzen besser zu verstehen - somit Dialog dort zu ermöglichen, wo er zuvor noch nie stattfand oder aus gegenseitigem Unverständnis scheiterte. Scheitern musste...

Und was nun?

Während es bei so manchen psychischen Problemen gelingen kann, durch Selbsttraining gewisse Verbesserungen zu erzielen, ist dies bei den meisten Kontaktstörungen, speziell dem Asperger-Symptom, kaum möglich, da Menschen mit autistischen Verhaltenszügen dazu neigen, Beziehungen "technisch" zu verstehen - diesbezügliche Probleme also schematisch und strategisch anzugehen, was lebendige Beziehung nahezu ausschließt.

Aus therapeutischer Sicht halte ich daher das derzeit so beliebte Hochstilisieren des Asperger-Syndroms zu einer 'Macke von Genies' für fragwürdig. Ihre überdurchschnittliche Fähigkeit zur Fokussierung und Abschottung macht manche von ihnen zwar zu hervorragenden Spezialisten, dies kann jedoch nicht wirklich deren gleichzeitigen Mangel an sozialen Skills, Kreativität, Phantasie und "lebendiger" Lebensfreude und Lebenslust kompensieren. Aus der therapeutischen, dem ganzheitlichen Menschen verpflichteten Sicht, ginge es deshalb darum, die speziellen Fähigkeiten der Betroffenen auch weiterhin zu pflegen, aber gleichzeitig auch ein Fenster zur "anderen Seite" aufzustoßen: zu Licht und Farben, Emotion, einem Gefühl der Zugehörigkeit und womöglich Nähe in menschlicher Gesellschaft, wie auch innerer Lebendigkeit und strömender Lebensfreude - hinaus aus den engen, stickigen Gängen erlernter Kommunikations- und Verhaltenstechniken und innerer Eintönigkeit.

(Werbeeinschaltung)

Der hier angebotene Screening-Test wurde wurde vom US-Psychiater Dr. Simon Baron-Cohen zur Feststellung von Symptomen des sogenannten Asperger-Syndroms (auch: "geek syndrome"), einer leichten Variante des Autismus, entwickelt, und ich erhielt seine persönliche Genehmigung, ihn auf meiner Website - und zwar erstmalig auch in deutscher Sprache - zu veröffentlichen. Der Test kann Ihnen zu einer besseren Einschätzung Ihrer etwaig vorhandenen Kontaktschwächen verhelfen: finden sich darunter Symptome des Asperger-Syndroms?
Bitte beachten Sie jedoch, dass es sich um keinen diagnostischen Test handelt, er kann also nicht den Besuch bei einem Psychotherapeuten oder Psychologen ersetzen, sofern Sie an Kontaktstörungen, sozialen Ängsten oder ähnlichen Symptomen leiden.

Sollten Sie also Symptome des AS an sich feststellen, empfehle ich Ihnen, sich eine(n) mit Kontaktstörungen bewanderte(n) Psychotherapeuten(in) zu suchen. Da Sie vermutlich beruflich und privat keine akuten Probleme bewältigen müssen, wird in den meisten Fällen eine begleitende Psychotherapie mit mehrwöchigem Stundenabstand ausreichen, diese sollten Sie dann jedoch einen längeren Zeitraum hindurch "durchhalten". Dies ist speziell dann eine Herausforderung, wenn doch an der Oberfläche eigentlich alles zu laufen scheint... Das Durchhalten lohnt sich allerdings, denn Sie sollten schon bald bemerken, dass Ihr Kontakt zu anderen einfacher, zwangloser und flüssiger wird - und Sie Ihre Energien schon bald noch besser und intensiver fließen fühlen, als Sie das vorher für möglich gehalten hätten.

Weiterführende Links

Allgemeine Info-Seiten

Seiten von Betroffenen

Diagnosekriterien

Tests

Selbsthilfegruppen, Kontakte, Foren

Literatur ('best of')

Richard L. Fellner, MSc., 1010 Wien

Richard L. Fellner, MSc., DSP

R.L.Fellner ist Psychotherapeut, Hypnotherapeut, Sexualtherapeut und Paartherapeut in Wien.

Nachdruck gerne gesehen, aber nur mit korrekter Quellenangabe. Bei Volltext-Übernahme zusätzlich auch Genehmigung des Verfassers erforderlich.