Inhalt: Einführung • Ursachen von Paarkonflikten • Indikationen und Ziele für Paartherapie & Paarberatung • Vereinbarung und Ablauf • Dauer • Kosten • Formen • Nachwort
"In einer immer dichter und unpersönlicher werdenden Welt wird es zunehmend wichtiger, dass wir uns auf den Wert enger persönlicher Beziehungen besinnen, bevor wir zu der verzweifelten Frage gedrängt werden: «Was ist aus der Liebe geworden?» .." (Desmond Morris)
Paare sehen sich heute - womöglich mehr als je zuvor - schwierigen Herausforderungen gegenüber: die Bereiche Berufsleben <=> Privatleben, Sexualität, Fragen der Treue, Kinderwunsch, Erziehungsfragen, finanzielle Fragen und vieles mehr sind alle "unter einen Hut" zu bringen. Unter der hohen Belastung des Alltags entstehen dann oft Krisen, die bis zu einer Trennung/Scheidung führen können.
Viele Menschen fragen sich aber auch ganz ohne "heiße" Krisen manchmal: "wie kann ich wieder mehr Impulse, mehr Gefühl in unsere Partnerschaft bringen?" oder "ich würde gern eine Trennung vermeiden - weiß aber im Moment einfach nicht mehr weiter!"..
Ursachen chronischer und akuter Paarkonflikte
Es existiert eine große Menge an Fachliteratur zum Thema der Paarkonflikte, und abhängig von der Betrachtungsweise (soziologisch, psychologisch, etiologisch, gesellschaftspolitisch,..) existieren z.T. sehr unterschiedliche Erklärungsmodelle für ihre Entstehung und Ursachen. Auch die verschiedenen therapeutischen Ansätze selbst unterscheiden sich: psychoanalytisch orientierte Ansätze etwa gehen davon aus, dass chronischen Paarkonflikten neurotische Dispositionen eines oder beider Partner zugrunde liegen, systemische Ansätze konzentrieren sich eher auf Störungen in der Kommunikationsstruktur des Paares und berücksichtigen auch Aspekte wie von den jeweiligen (Herkunfts)-Familienstrukturen weitergegebene problematische Verhaltensstrategien und Grundüberzeugungen, die dem Gelingen einer eigenen, positiven Partnerschaft im Wege stehen könnten.
Das Modell der "Kollusion" besagt, dass sich Partner mit nicht verarbeiteten persönlichen Konflikten oder neurotischen Störungen unbewusst Partner suchen, die diese Defizite zumindest zeitweilig kompensieren. Das Risiko derartiger Konstellationen ist jedoch, dass dieser "deal" nicht immer für beide Partner gleichermaßen passt oder durch die persönliche Weiterentwicklung eines Partners, durch äußere Einflüsse, Krisen oder Veränderungen der Lebenssituation zu einem späteren Zeitpunkt seinen Wert oder seine Ausgewogenheit einbüßt. Unter bestimmten Bedingungen kann es dann zu sog. Eskalationsspiralen (Symmetrische Eskalation) kommen, bei der sich z.B. ein Partner ungünstig oder missverständlich verhält, worauf sich der andere ärgert, was wiederum den Rückzug des einen verstärkt, was den Ärger des Gegenübers noch weiter steigert etc. .. schließlich kann es zu verbaler oder sogar körperlicher Gewalt auf der einen Seite kommen, zum vollständigen Rückzug oder chronischem Kommunikationsverlust auf der anderen Seite. In der Beziehung entsteht dann nachhaltige Enttäuschung und Frustration auf beiden Seiten, häufig wird das Sexualleben immer unbefriedigender - und zu alldem kommt die empfundene Hilflosigkeit angesichts der unüberwindbar scheinenden Differenzen und der stattgefundenen Vorkommnisse und Verletzungen.
Mögliche Indikationen und Ziele für Paarberatung u. Paartherapie
"Jedes Ding hat drei Seiten.
Eine Seite, die ich sehe,
Eine Seite, die Du siehst
Und eine Seite, die wir beide nicht sehen."
(aus China, Quelle unbekannt)
Häufige konkrete Anlässe, eine Paarberatung oder Paartherapie in Anspruch zu nehmen, sind Fremdgehen, verbale Aggression oder körperliche Gewalt in der Beziehung, Liebesverlust, Eifersucht, sexuelle Schwierigkeiten, Sucht (Spielsucht, Drogenabhängigkeit, Alkoholismus, Pornosucht,..), Schwierigkeiten innerhalb einer gemeinsam geführten Firma oder im Umgang mit der Verwandtschaft. Eine Ehe- oder Paartherapie kann folgendes erleichtern oder ermöglichen:
- Ansprechen von Problemen und Schwierigkeiten in geschütztem Rahmen
- Platz, um bisher nicht ansprechbare Wünsche oder Sorgen auszusprechen
- Unterstützung beim Umgang mit alter Schuld (z.B. Fremdgehen) oder Vorwürfen
- Orientierungshilfen bei Konflikten mit der Verwandtschaft (z.B. der eigenen oder der Schwiegerfamilie)
- ein Gefühl von Leere, Liebesverlust oder Enttäuschung anzusprechen
- Umgang mit Aggressionen, Abhängigkeit/Sucht oder Krankheiten
- wenn das Paar hat, immer wieder in dieselben "Fallen" zu tappen, immer wieder dieselben Streitereien zu führen
- Bewältigung von Schwierigkeiten rund um Kinder aus früheren Beziehungen des Partners/der Partnerin
- Bewältigung von Schwierigkeiten rund um die Herkunftsfamilie des Partners/der Partnerin
Es muss (und sollte eigentlich) nicht bereits "Alarmstufe rot" herrschen, damit es "legitim" ist, sich professionelle Unterstützung zu suchen! Bereits bei wiederkehrenden "Reizthemen" oder unangenehmen Kommunikationsmustern kann dies sinnvoll sein und beide Partner dabei unterstützen, sich und den anderen besser zu verstehen. Gerade die Systemische Therapie bzw. Systemische Paartherapie bringt einen regelrechten Fundus an Möglichkeiten mit, mit denen Beziehungspartner ihre Kommunikation besser verstehen und befriedigender zu gestalten lernen können.
Online-Check: könnte bei Ihrem Problem eine Paartherapie hilfreich sein?
Auf meiner Website finden Sie einen kurzen Online-Check , der einen gewissen Überblick darüber geben kann, ob bei Ihrem Beziehungsproblem eine Paartherapie bzw. Paarberatung hilfreich bzw. klärend sein könnte.
Vereinbarung und Ablauf einer Paartherapie
Ich möchte an dieser Stelle den allgemeinen Rahmen dieses Artikels etwas verlassen und ein wenig meine persönlichen Beobachtungen einbringen, wie Paare erfahrungsgemäß möglichst viel aus der Möglichkeit von Paartherapie und Paarberatung machen können.
1. Trotz an sich schwierigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen betrachten nur die wenigsten Paare Paartherapie oder Paarberatung als etwas, das sie auch im "normalen" Alltag unterstützen könnte. Im Laufe meiner Tätigkeit als Systemischer Paartherapeut lernte ich aber doch auch fallweise Paare kennen, die sich sehr intensiv miteinander auseinandersetzen und im Interesse der Qualität ihrer Beziehung in größeren Abständen zu einer Art Paar-Coaching bzw. Beziehungs-Coaching in meine Praxis kommen. Aktuelle Lebensereignisse und sie beschäftigende Fragen werden dann reflektiert, gemeinsame Strategien z.B. in Bezug auf Job, Kinder, Herkunftsfamilien, sexuelle Fragen oder die Zukunft entwickelt oder mit mir in meiner neutralen, moderierenden Position als außenstehender Paartherapeut geklärt.
2. Der häufigste Fall ist meiner Erfahrung nach aber der, dass Paare erst verhältnismäßig spät, im akuten Krisensituationen eine Paartherapie aufsuchen. Und selbst dann sind in den meisten Fällen nicht beide Partner gleichermaßen von der Idee "begeistert", sich von jemandem Dritten unterstützen zu lassen: während ein Partner bereits seit langem leidet und kaum mehr eine andere Option sieht, als sich Hilfe von außen zu suchen, will der andere nichts davon wissen oder meint, dass es so schlimm doch nun auch wieder nicht sei und man es doch noch einige Zeit auch ohne Therapie versuchen solle. Diese Position ist meiner Ansicht nach auch durchaus legitim, sofern beide Partner dieser Ansicht sind. Ist jedoch bei einem davon die seelische Belastung bereits seit längerer Zeit unerträglich groß oder steht gar ein Trennungsgedanke im Raum, dann herrscht definitiv akuter Handlungsbedarf.
Weigert sich ein Partner aber nachhaltig, lade ich als Therapeut nach dem Anruf (z.B. der Frau) meist das gesamte Paar zu einer ersten Stunde ein - auf diese Weise ist der Gesprächstermin an sich fixiert und es besteht eine offene Einladung an beide, mitzukommen und die Zeit zu nutzen. Nimmt solch einen wichtigen Termin dann letztlich doch nur einer von beiden wahr, dann ist das nicht nur ein bestimmtes Signal hinsichtlich der Bereitschaft der nicht mitkommenden Person, an einer Lösung mitzuarbeiten, sondern glücklicherweise auch eine Möglichkeit, dass wenigstens der ursprünglich den Termin vereinbarende Partner erste Orientierung und Unterstützung bekommen kann. Selbst in jenen Fällen also, in denen letztlich einer der Partner nicht mitkam, erhielt ich positives Feedback, dass die dann stattgefundene ledigliche Einzelstunde als hilfreich bezüglich einer Entwicklung von eigenen Möglichkeiten, mit der schwierigen Situation umzugehen, erlebt wurde. Je nach Situation und der stattgefundenen Problembeschreibung können wir dann vereinbaren, ob weitere Stunden als sinnvoll erscheinen. Manchmal kommt es nach der ersten Einzelstunde in Folge dazu, dass beim nächsten Termin der Partner dann doch auch mitkommt, manchmal werden auch weitere Einzelgespräche gern in Anspruch genommen.
In den meisten Fällen also, in welchen das Paar erst inmitten einer Krisensituation die Paartherapie oder Paarberatung beginnt, werden die ersten Stunden manchmal zunächst als etwas unbefriedigend erlebt, da sich bis zum Entschluss, sich Unterstützung zu suchen, bereits monate- oder sogar jahrelang erheblicher Konfliktstoff angesammelt hat, der naturgemäß nicht gleich innerhalb einer einzelnen Stunde geklärt und "entsorgt" werden kann. Meist stellt es sogar bereits eine Schwierigkeit dar, die wichtigsten Anliegen in der zur Verfügung stehenden Zeit zu vermitteln - insofern ist es von Vorteil, sich bereits vorab zu überlegen, worin genau die persönlichen Hauptanliegen für die Paartherapie bestehen. Schon bei dieser ersten Problemanalyse aber zeigt sich i.d.R. der Vorteil professioneller Unterstützung: denn der Paartherapeut bzw. die Paartherapeutin wird das Gespräch moderierend begleiten und dabei auch auf die Zeit achten, wodurch sichergestellt ist, dass jeder Partner zu Wort kommt und seine Sichtweisen zumindest ansatzweise erläutern kann.
Im weiteren Verlauf der Paartherapie werden dann Bedürfnisse und persönliche Sichtweisen der aktuellen Probleme genauer thematisiert, etwaige Enttäuschungen und Hoffnungen können stets in geschütztem Rahmen angesprochen werden. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, ein neues Verständnis füreinander zu entwickeln. Da sich im vom Paartherapeuten angeleiteten und begleiteten Kontext beide Partner frei und ohne Sorgen vor Eskalationen oder einer weiteren Verschlechterung des Klimas in der Partnerschaft durch das Ausgesprochene äußern können, ist es häufig möglich, neue Lösungsideen und Strategien zu entwickeln. Nach und nach entsteht und wächst das Gefühl, dass es miteinander doch wieder zu schaffen sein könnte...
Die Entschärfung der Hauptschwierigkeiten gelingt - regelmäßiger Besuch der Paartherapie-Stunden und die Einhaltung mitunter verordneter "Hausübungen" vorausgesetzt - meist nach einigen Sitzungen. Die Entlastung selbst stellt noch keine Lösung dar, aber nach und nach lernen beide Partner, mit für ihre Beziehung typischen Konflikten anders umzugehen und neue Wege zu finden, sich den Herausforderungen in ihrer Beziehung, ihrer Ehe oder Lebensgemeinschaft zu stellen.
Wichtig ist es meiner Erfahrung nach, dass das Paar nicht gleich beim ersten Gefühl von Erleichterung die Therapie aussetzt, sondern gemeinsam mit dem Paartherapeuten ein neues Fundament entwickelt, auf dem langfristig und nachhaltig auch zukünftigen Konflikten besser begegnet werden kann. Das Risiko wäre sonst enorm, dass der erste Erfolg auf 'dünnen Beinen' gebaut war, und dann bei den nächsten Problemen entnervt das Handtuch geworfen wird ("es hat doch keinen Sinn mit Dir!"). Persönlich vereinbare ich mit Paaren häufig bei einer stabilen Verbesserung der Situation immer größer werdende Intervalle zwischen den Therapiestunden - so werden beide Partner sich zunehmend selbst überlassen, haben aber nach wie vor die Möglichkeit, das sich immer noch zwischen den Stunden aufbauende Konfliktpotential beim nächsten Gespräch genau und professionell begleitet zu reflektieren und zukünftige Anfälligkeiten noch besser zu vermeiden. Mein Ziel für eine erfolgreiche Paartherapie besteht darin, dass beide Partner wieder langfristig und dauerhaft glücklich in ihrer Beziehung werden können und neue Quellen für positive Energien in der Partnerschaft finden. In Bezug auf ihr Kommunikationsverhalten sollen sie sich selbst und ihr Gegenüber besser verstehen können und mit den eigenen Bedürfnissen sowie denen ihres Lebenspartners adäquat "jonglieren" können.
Humorvoller Lesetipp:
Leitfaden zum Scheitern einer Paartherapie
Rahmenbedingungen und Dauer einer Paartherapie
Sitzungsfrequenz: am Beginn einer Paartherapie ist es empfehlenswert, Sitzungen in einem Abstand 1-2 Wochen einzuplanen - jeder längere Abstand birgt das Risiko, dass Veränderung nicht nachhaltig genug gelingt oder zwischen den Stunden Krisen auftreten, die zum Zusammenbruch des bereits Erreichten führen könnten.
Kosten: je nach Rahmenbedingungen zwischen kostenlos (öffentliche Beratungsstellen mit Praktikanten) bis zu € 214,-/Sitzung. [Hier finden Sie Infos zu meiner Praxis]
Geschlecht des(r) Paartherapeuten(in): wie viele Paare überrascht feststellen, ist das Geschlecht des Therapeuten i.a. ohne besondere Bedeutung. Professionelle Paartherapeuten sind darin ausgebildet, auf Neutralität höchsten Wert zu legen. Sollten Sie dennoch das Gefühl haben, Ihr(e) Therapeut(in) verhielte sich nicht neutral, sprechen Sie dies unbedingt und rasch offen an (und wechseln Sie, sofern sich nichts daran ändert).
Dauer der Paartherapie: sie richtet sich in erster Linie nach der Schwere der Beziehungsprobleme und den Zielen beider Partner. In manchen Fällen (vor allem dann, wenn es vor allem um die Abklärung von verhältnismäßig überschaubaren Problemsituationen geht) reicht eine Paarberatung zur ersten Orientierung, üblicherweise benötigt der Klärungsprozess aber 5-10 Sitzungen, mitunter auch längere Zeit. Gerade bei Beziehungskonflikten, bei denen bereits eine Trennungsabsicht bestand oder das Problem bereits seit 5 oder mehr Jahren die Partnerschaft belastete, ist einer mehrmonatige Beratungszeit (mit mehr oder weniger großen Abständen zwischen den einzelnen Gesprächen) realistisch.
Formen von Paartherapie und Paarberatung
- Gemeinsame Paarsitzungen - Paargespräche, die gemeinsam absolviert werden
- Paarseminare - Seminare, die auch von anderen Paaren besucht werden (Seminare zu bestimmten Problemthemen oder Selbsterfahrungsseminare für Paare)
- laufende Paargruppen - eignen sich vorwiegend zur paarbezogenen Selbsterfahrung, aber nicht zur Lösung akuter Beziehungskrisen
- Workshops - meist einzelne Abende, an denen gemeinsam mit anderen Paaren zu bestimmten beziehungsrelevanten Themen gearbeitet wird
Abschließende Betrachtungen
Im gemeinsamen Gespräch (mit Ihnen oder gemeinsam mit Ihrem/r Partner/in) kann sich ein(e) Paartherapeut(in) mit Ihnen auf die Suche nach gemeinsamen Lösungen machen. Diese müssen nicht immer aus einem "glücklichen Happy-End" bestehen, sondern können auch einen vorher noch nicht absehbaren Neustart in eine Zukunft mit neuen Plänen und neuen Perspektiven bedeuten! Ebenso kann es durchaus auch ein legitimes Ziel von Paarberatungen sein, sich im gegenseitigen Einvernehmen und möglichst ohne unnötige Verletzungen oder das Gefühl, "in ein Loch zu fallen", zu trennen. Insbesondere dann, wenn Kinder Mit-Betroffene sind, oder alleine kein konfliktfreies Gespräch mehr möglich ist.
Wobei Sie die Paargespräche unterstützen sollen, das legen Sie als "Auftraggeber" fest - der Paartherapeut bringt seine Erfahrung und seine Fähigkeiten, aber auch den äußeren Rahmen ein, damit dies bestmöglich gelingen kann.
Anhang: weitere Literatur zum Thema, mit Leserrezensionen: