Bikulturelle Partnerschaft (Bild: Titelbild des Buches 'Bikulturelle Paarberatung'

Bikulturelle Paartherapie und Paarberatung

Interview zur Beratung für bikulturelle Paare

"Anhand Ihrer Homepage konnte ich sehen, dass Sie sich auch mit speziell kulturspezifischen Beziehungsschwierigkeiten auseinandersetzen, aber nicht, ob Sie darauf ausgerichtete Therapien auch konkret anbieten. Ist das der Fall und wenn ja, seit wann bieten Sie diese an?"

Ich betreibe in Asien, konkret Thailand, eine Psychotherapie- und Beratungsstelle, in der mich anteilsmäßig natürlich sehr häufig bikulturelle Paare aufsuchen.
Auch in Österreich aber ist für mich in dieser Hinsicht steigender Bedarf feststellbar - im Jahre 2007 war bereits jede fünfte geschlossene Ehe eine binationale.
Durch die spezifischen Herausforderungen in solchen Beziehungen steigt auch der Bedarf kultursensibler Beratung und Paartherapie.

"Was hat Sie dazu veranlasst, sich mit bi-kulturellen Paaren als Therapeut auseinander zu setzen? Welche Entwicklungen stehen dahinter?"

Ich hatte bereits in meinen Jugendjahren eine große Affinität zur asiatischen Kultur und mich intensiv mit den darin herrschenden Grundüberzeugungen und Realitätszugängen auseinandergesetzt. Während wiederholten Reisen nach Asien und in der Arbeit mit nicht-österreichischen KlientInnen, die ich im In- und Ausland betreute, empfand ich es als wichtig und im Sinne größerer Effizienz nützlich, meine Arbeit professionell an diese speziellen Bedürfnisse anzupassen. Meine diesbezüglichen Erfahrungen und den aktuellen Forschungsstand zu Fragen bikultureller Beratung und Therapie habe ich in ein umfangreiches eBook kompiliert, das ich auf meiner Website anbiete.

"Mit welchen kulturellen Schwierigkeiten haben die Paare umzugehen?
Können Sie einige Beispiele nennen?"

Bikulturelle PaartherapieJe mehr ein Partner auf seinen eigenen Gewohnheiten beharrt, umso geringer die Chancen für das Gelingen einer bikulturellen Beziehung.

Doch auch die Rahmenbedingungen für die Partnerschaft spielen eine wichtige Rolle: etwa, unter welchen Umständen sich ein Paar kennengelernt hat, aus welchen wirtschaftlichen Verhältnissen beide Partner kommen oder welche Erwartungen für eine Partnerschaft existieren. Verhältnismäßig häufig kommt es auch vor, dass das Gegenüber bereits am Beginn der Beziehung völlig falsch eingeschätzt wurde. Das Verhalten von potentiellen Partnern aus der eigenen Kultur ist mit ein wenig Einfühlungsvermögen ja noch korrekt interpretierbar, bei jemandem aus einer anderen Kultur allerdings - mit einer anderen Art, zu kommunizieren oder Bedürfnisse auszudrücken - fällt das viel schwieriger. Auch unterschiedliche Strategien der Konfliktlösung, ein unterschiedliches Rollenverständnis oder stark divergierende soziale Schichten, aus denen beide Partner stammen, können zu massiven Schwierigkeiten führen.

"Gibt es Ihrer Meinung nach Probleme, die einfacher zu handhaben sind als andere? Wenn ja, können Sie eventuell Beispiele dazu nennen?"

Relativ selten stellen eine unterschiedliche Religion oder eine größere Altersdifferenz der Partner ein Problem dar. Sprachliche Hürden wiederum können sogar konstruktives Potenzial haben, da man bedingt durch diese wesentlich intensiver kommunizieren und "verhandeln" muss.

"Welche Unterschiede sehen Sie im Vergleich zu nicht bi-kulturellen Paaren?"

Ich stehe dem Kulturalismus - also der Überbewertung kultureller Einflüsse - im Grunde eigentlich eher skeptisch gegenüber. Denn man könnte auch sagen: selbst jede Familie einer Kleinstadt hat ihre ganz eigene "Kultur", insofern existieren "nur monokulturelle" Paare genau genommen nirgends auf dieser Welt.

Allerdings können das Aufwachsen in stark unterschiedlichen Kulturen, mangelnde Möglichkeiten des sprachlichen Austausches und andere Faktoren die Komplexität innerhalb einer Partnerschaft enorm erhöhen - bis zu dem Punkt, dass völlige Verständnislosigkeit bezüglich bestimmter Eigenheiten des Partners existiert. Das soll gelegentlich zwar auch in rein österreichischen Partnerschaften vorkommen...- dort aber können meist wenigstens Freunde oder Verwandte beide Paare bei der Problemlösung unterstützen. In bikulturellen Beziehungen, wo die Familie und der engste Freundeskreis von zumindest einem Partner im Herkunftsland zurückgelassen werden musste, gibt es diese Ressource meistens nicht.

"Ist den Paaren, die zu Ihnen kommen, bewusst, dass sie mit Schwierigkeiten konfrontiert sind, die kulturelle Wurzeln haben oder weisen Sie die Paare erst darauf hin?"

Ich vermeide es mit dem Ziel eines möglichst weitgefächerten Blicks auf mögliche Lösungen gern, die Probleme von Menschen zu "etikettieren". In bestimmten Phasen einer Paartherapie kann es aber hilfreich sein, die Ursachen eines Problems kulturspezifisch zu betrachten und damit den Partner oder die Partnerin ein wichtiges Stück besser kennen und verstehen zu lernen.

"Wie ist es wenn Kinder involviert sind? Tauchen dann andere kulturell bedingte Schwierigkeiten auf, die bei kinderlosen Paaren eventuell nicht vorhanden sind?"

Kinder, die in einer bikulturellen Partnerschaft aufwachsen - ob sie aus dieser Partnerschaft stammen oder nicht - haben es häufig alles andere als leicht. Fast immer sind sie mit sehr widersprüchlichen Strategien und Botschaften ihrer Eltern konfrontiert, und haben es daher zumeist schwieriger als andere Kinder, im Dschungel der kulturellen Eigenheiten ihre eigene Identität zu entwickeln. Vielen Paaren ist gar nicht bewusst, wie sehr ihre Kinder "kämpfen", oder bemerken es erst, wenn diese verhaltensauffällig werden.

"Können Sie eventuell einige „Kulturkombinationen“ der Paare nennen. Gibt es Kombinationen die auffällig häufiger sind als andere oder solche, wo vielleicht kulturbedingt mehr „Konfliktpotential“ vorhanden ist, aufgrund einer größeren Verschiedenheit der Kulturen?"

Ich möchte mich da mit meinen eigenen Beobachtungen - die dann vielleicht für das eine oder andere Paar entmutigend klingen könnten - lieber zurückhalten und statt dessen die Bedeutung kulturellen Lernens unterstreichen. Die halte ich nämlich für das tägliche Miteinanderleben auch für weitaus wichtiger als die Frage nach der Nationalität der Partner. Paare sollten sich beispielsweise vor einer etwaigen Heirat zumindest einige Monate lang Zeit nehmen, einander ausreichend kennenzulernen, und frühzeitig Beratung einholen, wenn Probleme auftreten, in die beide immer wieder tappen. Leider besteht durch die EU-Gesetzgebung enormer Druck für binationale Paare, ihre Beziehung frühzeitig zu "legitimieren", zusätzlich zu dem Stress, den die damit verbundenen Bedingungen und bürokratischen Vorgänge darstellen.

Bikulturelle Paare, PaartherapieAber um doch zumindest ein wenig "hinter den Vorhang" blicken zu lassen: meiner Beobachtung nach klappt es zwischen Österreicher/innen und Angehörigen aus besonders "lebendigen" Kulturen am besten sowie solchen, in denen fixere (nicht unbedingt aber "altmodische") Rollenaufteilungen existieren. Vielleicht lässt sich das damit erklären, dass viele von uns ÖsterreicherInnen auch selbst auch lebenslustig sind, aber uns zunächst nicht allzuleicht öffnen - da kann es helfen, wenn uns das Gegenüber spontan und herzlich entgegenkommt. Und wo wir selbst - Männer und Frauen - seit Jahren erfolglos versuchen, politisch korrekte Rollenideale zu leben, erfrischt es, wenn der oder die Partnerin das gar nicht als so wichtig betrachtet, man sich also ein wenig entspannen und das bei uns so ausgeprägte "Über-Ich" zumindest zeitweise auf Urlaub schicken kann.

"Haben Sie sich auf bestimmte Kulturräume spezialisiert?"

Ich verfüge bedingt durch meinen Werdegang wohl über relativ große Erfahrung in der Arbeit mit asiatisch-westlichen Paaren, stelle aber immer häufiger fest, dass ich offenbar bereits eine "Kulturbrille" trage, die es mir ermöglicht, auch bei anderen bikulturellen Paaren relativ rasch einschlägige Probleme auszumachen und dann bei ihrer Lösung zu unterstützen. Dennoch wird aber Asien für die bikulturelle Arbeit wohl immer mein Schwerpunkt bleiben.

"Wie sieht Ihrer Meinung nach grundsätzlich die Entwicklung unter KollegInnen aus, kann man von einer größeren Sensibilisierung auf kulturspezifische Probleme in den letzten Jahren sprechen?"

Wir sind noch nicht so weit wie in den USA, wo einschlägige Forschung schon seit Jahrzehnten intensivst betrieben wird, aber auch bei uns wächst - wohl bedingt durch die immer bunter werdende Kultur- und Ethnienlandschaft - seit einigen Jahren definitiv das Bewusstsein für die wichtigen Potentiale, die kultursensible Beratung und Therapie bietet. Ich bin überzeugt, dass schon heute die meisten erfolgreichen PsychotherapeutInnen, BeraterInnen, PsychologInnen etc. kulturelle Überlegungen in ihre Arbeit einfließen lassen und diese Aspekte in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen werden.

Weiterführende Literatur

Paargeschichten (Belletristik)

Ratgeber-Literatur für die gelebte Praxis:

Fachliteratur