US-Amerikaner stehen auf Antidepressiva

Antidepressiva sind heute bereits die in den USA am meisten verkauften Medikamente – ihr Konsum hat sich in 10 Jahren verdoppelt.

Dies wurde mittels einer Metastudie von Untersuchungen aus dem Jahr 1996 und 2005 an 50.000 Kindern und Erwachsenen festgestellt, welche in den Archives of General Psychiatry veröffentlicht wurde. Demnach nehmen heute 10 Prozent der Amerikaner – etwa 27 Millionen Menschen – Antidepressiva ein, etwa doppelt so viele wie 1996.

Nur die Hälfte dieser Menschen wird allerdings tatsächlich ausschließlich wegen Depression behandelt, der Rest nimmt die Arzneimittel wegen Rückenschmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen und anderen Problemen zu sich. Der gestiegene Konsum muss also nicht bedeuten, dass mehr Menschen depressiv sind, sondern dass die Medikamente zur Bewältigung oder Erleichterung des Alltagslebens, eventuell auch als Stimmungsaufheller verwendet werden.

Dazu passt auch der andere Befund, nämlich dass der Anteil der Personen, die Antidepressiva nehmen und sich einer Psychotherapie unterziehen, von 31 auf 20 Prozent gesunken ist. Vermutlich will man einfach nicht psychische Arbeit leisten oder verunsichert werden, und es bestehen daneben wohl mitunter auch Unsicherheiten darüber, ob eine Psychotherapie wirklich helfen kann – der Glaube an die Effizienz der Medikamente dagegen steigt (wohl mitbedingt durch die enormen Werbemaßnahmen der Pharmaindustrie; siehe folg. Absatz), zumal deren Konsum auch weniger Arbeit bereitet und Zeit sowie vor allem auch Geld kostet. Die US-Krankenversicherungen zahlen häufig keine Psychotherapie, die Ärzte wiederum verschreiben lieber schnell mal ein Medikament und sparen damit wertvolle Ordinationszeit.

Die Autoren der Studie führen an, daß ein wesentlicher Faktor für diese Änderungen auch der enorme Einsatz von Mitteln für Werbung darstellen dürfte: allein für Werbung, die sich an den Endkunden (Patienten) richtet, wurden 1996 noch 32 Millionen, 2005 aber schon 122 Millionen US-Dollar ausgegeben. Lediglich 14% der Einnahmen aus dem Arzneimittelverkauf werden von der Industrie in Forschung und Produktion reinvestiert – der Rest geht in Marketing und Profitausschüttungen 1.

 

Quellen: 1 Dr. Marcia Angell, frühere Herausgeberin des New England Jornal of Medicine in einem Interview von The Nation, 20090809; “National Patterns in Antidepressant Medication Treatment” by Mark Olfson & Steven C. Marcus in: Arch Gen Psychiatry 2009;66(8):848-85. Cartoon: Andy Marlette.

Richard L. Fellner, DSP, MSc.

Psychotherapeut, Hypnotherapeut, Sexualtherapeut, Paartherapeut



1 Antwort

Amerikaner schlucken lieber Antidepressiva | Doc Ramadani's Energiebrief Reply

[…] bin ich über einen Blog-Beitrag von Richard L. Fellner aus Wien gestolpert: Antidepressiva sind heute bereits die in den USA am meisten verkauften […]

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11.11.22