Verschwiegenheitspflicht

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Einer der weniger bekannten Aspekte von Psychotherapie ist die Verschwiegenheitspflicht. Diese Regelung (die übrigens keinen absolut bindenden Part im den meisten Ländern Asiens darstellt, in westlichen Ländern jedoch i.d.R. sehr strikt gehandhabt wird) sagt grundsätzlich aus, dass alles, was ein Klient im Kontext einer Psychotherapie von sich gibt, zwischen dem Therapeuten und dem Klienten zu bleiben hat. In Österreich ist es Psychotherapeuten nicht einmal erlaubt, Ehepartner über eine Diagnose zu informieren oder darüber, ob der Partner eine Sitzung wahrnahm oder nicht. Klienten können ihre Therapeuten zwar von der Verschwiegenheitspflicht befreien, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Vor Gericht dürfen Psychotherapeuten ebenfalls keine Details über Therapiesitzungen offenbaren. Ausnahmen existieren lediglich bei Gefahr im Verzug. Bei Psychotherapie-Finanzierung über Krankenkassen verlangen diese in Österreich und auch den meisten anderen europäischen Ländern die Angabe einer Diagnose gemäß ICD-10, viele TherapeutInnen jedoch wählen zur Vermeidung von Stigmatisierung und aus datenschutzrechtlichen Bedenken beim Vorliegen mehrerer psychischer Belastungen meist “unverfänglichere” Diagnosen.

Wenn diese Regelung auch merkwürdig klingen mag, so macht sie doch Sinn: sie garantiert einen sicheren Ort für Menschen, an dem sie vertrauensvoll ihre tiefsten Gefühle und heikelsten Gedanken ausdrücken können, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass jemand je davon erfahren wird. In Zeiten, in denen unsere Privatheit scheibchenweise von Regierungen und auf elektronischem Wege genommen wird und die Gesellschaft sehr strikte Regeln über “korrektes” Verhalten und Denken definiert hat, ist es wichtig, wenigstens einen Ort zu haben, an dem man seine intimsten Gedanken, Sorgen oder heiklen Schwierigkeiten aussprechen und sich sicher sein kann, dass sie die 4 Wände der Praxis nicht verlassen werden. Es kommt naturgemäß häufiger vor, dass mir Männer über pädophile oder gewalttätige Fantasien erzählt haben oder Frauen über Sex-Probleme oder Schwierigkeiten bei der Partnersuche – aber nur, wenn über diese Gedanken offen gesprochen werden kann, ist ein sachlicher Zugang möglich und eine Entwicklung von Strategien, wie mit ihnen am besten umzugehen ist.

Die Verschwiegenheitspflicht allein ist ein guter Grund, warum jemand, der einen Psychotherapeuten aufsucht, nicht als “schwach” oder “verrückt” zu gelten hat. Allein, um die Möglichkeit zu nutzen, einmal alle Aspekte eines Problems offen auszusprechen, sich neutrales Feedback zu holen und vielleicht auch an einer Verbesserung der Situation zu arbeiten, kann Grund genug sein. Wenn Sie nicht sicher sind, wie Ihr Psychotherapeut oder Berater es mit der Verschwiegenheitsregel hält, fragen Sie einfach. Es ist ein Zeichen der Seriosität, wenn Sie darauf eine geradlinige Antwort erhalten.

(Dieser Kurzartikel ist Teil einer wöchentlichen Serie, die sich mit psychischen Problemen von Expats und generellen Themen psychischer Gesundheit befaßt und in verschiedenen Medien Thailands veröffentlicht wird, 2011; Bild-Quelle: martinspi.com)

Richard L. Fellner, DSP, MSc.

Psychotherapeut, Hypnotherapeut, Sexualtherapeut, Paartherapeut



1 Antwort

Ferdinand Reply

Ich finde es sehr gut, dass es eine Verschwiegenheitspflicht gibt. Meine Tante ist Psychotherapeutin und will nie etwas über die Gespräche mit ihren Klienten sagen. Ich finde es sehr gut, dass sie sich daran hält! Interessant, dass vor dem Gericht auch diese Pflicht gilt.

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11.11.22