Mark Zuckerberg: Asperger-Syndrom? (Film-Review ‘The Social Network’)

Jesse Eisenberg als Mark Zuckerberg

Jesse Eisenberg als ‘Mark Zuckerberg’

Wie immer einigermaßen verspätet, was die aktuellen “hast-du-schon/warst-du-schon?”-Trends betrifft, kam ich kürzlich dann doch endlich dazu, mir den Film “The Social Network” anzusehen, der bekanntlich die Entstehungsgeschichte von “Facebook” rund um seinen Entwickler Mark Zuckerberg darstellt. Zuckerberg wird im Film von Jesse Eisenberg als brillanter Harvard-Student dargestellt, der jedoch sozial ungeschickt und rücksichtslos agiert und schließlich, als Facebook rasant zu wachsen beginnt, von ehemaligen Freunden und Mitstudenten mit dem Vorwurf verklagt wird, er habe ihre Ideen gestohlen und sie um ihre rechtmäßigen Anteile betrogen. Später werden auf Anraten der Anwälte Vergleiche geschlossen und dutzende Millionen Dollar an Abfindungen gezahlt – dennoch ist Zuckerberg heute der weltweit jüngste Milliardär.

Auch wenn natürlich keinerlei Sicherheit darüber besteht, ob die dargestellten Persönlichkeitscharakteristika Zuckerbergs und Situationen authentisch dargestellt wurden, beklemmt am Film doch die kühle Atmosphere und scheinbare Emotionslosigkeit, die einige der Hauptdarsteller ausstrahlen. Wie in den meisten Hollywood-Filmen geht es auch in “The Social Network” um Freundschaft und Liebe – doch bereits während der ersten Minuten sagt Zuckerberg’s Freundin Erica ihm im Zuge ihrer Trennung, dass er mit Mädchen wohl immer Probleme haben werde … und zwar nicht, weil er ein “Sonderling” (was auch immer das bedeuten mag, es ist allerdings ein Begriff, der für “Aspies” häufig verwendet wird), sondern weil er ein “Arschloch” sei. Sie bezieht sich dabei auf seine völlige Außerachtlassung ihrer Gefühle, als er Details aus ihrer Beziehung in seinem Blog veröffentlicht und andere Vorfälle.

Im Verlauf des Filmes kann man sich eines Gefühls von Absurdität nicht erwehren, wie komplex und dysfunktional die realen sozialen Netzwerke einiger der Akteure doch sind, und wie diese mit dem Anspruch der Software, Freundschaftsbeziehungen abzubilden und ultimativ zu verstärken, kontrastieren. Enge Bezugspersonen werden durch schroffe, kalte “Sager” verletzt und verstört, Freundschaften zerbrechen am Außerachtlassen jeglicher emotionaler Konsequenzen, wenn abstrakte Ideen oder geschäftliche Ziele verfolgt werden. Der Hauptakteur Zuckerberg wird als hochintelligenter Computer-“Nerd” mit 1600 SAT-Scores dargestellt, welcher am laufenden Band selbst den ihm nahestehendsten Personen verbale und emotionale Ohrfeigen verabreicht.

Mark Zuckerberg

Mark Zuckerberg

Der Film bietet viele Indizien darauf, dass die Hauptperson an einer Störung aus dem Autismus-Spektrum (am ehesten wohl dem sog. Asperger-Syndrom) leidet. Dieser Eindruck wurde, wie man einschlägigen Websites entnehmen kann, übrigens auch den überwiegend meisten “Aspies” (Asperger-Syndrom-Betroffenen) geteilt. Aspies zeichnen sich häufig durch hohes Talent, was spezifische Fähigkeiten betrifft, aus (meist sind sie in technischen oder künstlerischen Berufen tätig und dort auch sehr erfolgreich), jedoch auch durch Unbeholfenheit, ja an “Tollpatschigkeit” erinnernde fehlende soziale und emotionale Fertigkeiten.

Die Frage, die ich mir bereits beim Verfassen meines ersten Artikels zum Asperger-Syndrom (siehe Link) stellte, ist, inwieweit sich unsere moderne westliche Gesellschaft – entweder versacht durch die sog. “Neuen Medien” oder diese unsere sich verändernde Gesellschaft reflektierend und darstellend – nicht graduell dem autistischen Spektrum annähert. Eine zunehmende Zahl von Menschen verfügt über hunderte, ja tausende Freunde auf “Facebook” oder “StudiVZ”, aber wie viele authentische Freundschaftsbeziehungen existieren im realen Leben? Auch wenn man sich virtuell manchen Menschen (oder besser: dem, was man hinter ihren “Nicks” vermutet) “nahe” fühlen kann – wie würde es einem ergehen, wenn man diese im wirklichen Leben träfe … und würde man dies überhaupt anstreben? Unsere “Smartphones”, iPads und Blackberrys versprechen, die Distanz zu anderen Menschen abzubauen und Kommunikation “einfacher” zu gestalten – aber erhöhen sie in elementaren Bereichen menschlicher Beziehungen nicht die reale Distanz und machen hinsichtlich unserer realen sozialen Beziehungen bei zu häufiger Nutzung “unbeholfener”? Wie wirkt sich unser modernes Kommunikationsverhalten unter Berücksichtigung der Erkenntnisse über Neuroplastizität auf unser Gehirn aus? Trainieren wir unseren präfrontalen Kortex auf Kosten jener Gehirnregionen, die unsere sozialen Beziehungen und emotionalen Fähigkeit steuern? Vielleicht ist es ja (auch) damit zu erklären, dass wir immer häufiger von Kindern und Jugendlichen lesen, die scheinbar emotionslos anderen Mitschülern Gewalt antun oder diese mobben, oder dass Kontaktstörungen neben Depressionen zur Gruppe zur am stärksten zunehmenden Gruppe psychischer Störungen dieses Jahrhunderts gehört.

Lesetipps:

(Hinweis: einige Gedanken dieses Artikels wurden aus dem gleichnamigen Film-Review von Norman Holland aufgegriffen; Image src:psychologytoday.com)

Richard L. Fellner, DSP, MSc.

Psychotherapeut, Hypnotherapeut, Sexualtherapeut, Paartherapeut



4 Antworten

Autismus Reply

Habt ihr den Film gesehen?

“Autismus – Made in USA / Heilung ist möglich!”
Das ist mal was ganz Neues über den Autismus

Fraktal Reply

Ich glaube von solchen Behauptungen, dass Autismus heilbar sei, kein einziges Wort, denn es handelt sich um eine neurologische Störung mit starker genetischer Komponente.
Selbst wenn es gelänge, die genetischen Codes zu korrigieren, was äusserst unwahrscheinlich ist, da diese noch nicht einmal identifiziert sind, würden die gewachsenen Strukturen doch fortbestehen.

Tobias Reply

Das ist eine ganz spannende Idee. Den Film habe ich selbst auch erst vor ein paar Wochen gesehen, weil solche Modedinge für mich auch keine große Priorität haben.

Mein Eindruck des Filmes ist der, dass Zuckerberg darin manchmal überrascht und bedauernd wirkt, wenn ihm auffällt, dass sein emotionskaltes Verhalten eine negative Reaktion zur Folge hat. Das passt sehr gut zum Asperger-Syndrom, denn etwas, das rein sachlich völlig richtig ist, ist zwischenmenschlich häufig eben doch falsch. Ein Asperger-Autist kann das leicht vergessen, noch dazu, wenn er sich in seinem Spezialthema bewegt, das ja für ihn die höchste Priorität hat.

Wenn man mal vom Film weggeht – er ist nur eine Hollywood-Fantasie – und direkt auf Facebook schaut, wird Ihre Theorie noch plausibler. Denn wer könnte besser eine pseudosoziale Community abbilden, als jemand, der ständig versucht, die reelle soziale Community “da draußen” zu verstehen und als Vorbild dazu noch das unglaublich aktive, aber auch oberflächliche, studentische soziale Zusammenspiel vor sich sieht.

André Reply

Man sollte mit Diagnosen vorsichtig sein und wenn dann schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Ziel von Psychotherapie soll ja sein, Menschen zu heilen und eher nicht zu diagnostizieren. Eine Diagnose erweist sich dabei oft sogar als hinderlich. Falls Herr Zuckerberg wirklich unter Problemen die mit einem Asperger Syndrom zusammenhängen leiden sollte, dann nutzt er vielleicht sogar eine Therapie, aber bestimmt nicht bei jemanden der seine Diagnosen im Web veröffentlicht. Wenn man sowas hier liest, dann kann man nur froh sein, nicht berühmt zu sein, und gegen so eine Art zur Schau Stellung gerichtlich vorgehen zu können.

Wenn man wirklich mal mit Menschen mit Asperger Syndrom gearbeitet hat, dann weiß man zudem dass diese Menschen aufgrund ihrer komplexen Denke und fehlenden emotionalen Mitschwingungsfähigkeit noch sehr viel weniger mit ihrer Umwelt zurechtkommen als ein Herr Zuckerberg. Vielleicht hat er eine Tendenz hin zum Asperger aber keinstenfalls ein Syndrom.

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11.11.22