Geschichte der Gewalt: Gewalt nimmt ab

Welchen Eindruck die Medien und zahlreiche Politiker uns auch immer vermitteln wollen: ausgeübte Gewalt – sei es Völkermord, Kriegsverbrechen, Menschenopfer, Folter, Sklaverei oder Mord – hat in der Geschichte in allen beobachteten Dimensionen und sowohl in Richtung ethnischer Minderheiten, Frauen, Kindern und Tieren deutlich abgenommen. Das zeigte eine auf der EDGE Master Class 2011 vorgestellte Studie von Harvard-Professor Steven Pinker.

Doch was sind die Gründe, die hinter dieser in Teilbereichen sogar äußerst starken Abnahme von Gewalt stehen? Pinker führt dafür eine sukzessive Zunahme von Vernunft (‘escalator of reason‘) im Verlauf der Menschheitsgeschichte an. Die Zunahme von Alphabetisierung, Bildung, und die Intensivierung des öffentlichen Diskurses ermutigt Menschen, abstrakter und universeller zu denken, was unweigerlich eine Verringerung der Gewalt zur Folge hat. Wenn sich die Engstirnigkeit und Kurzsichtigkeit von Menschen reduziert, wird es schwieriger, ständig die eigenen Interessen anderen gegenüber durchzusetzen. Eine Zunahme von Vernunft führt dazu, dass eine auf Tribalismus, Autorität und Puritanismus beruhende Moral zunehmend durch eine auf Fairness und universellen Regeln basierende Moral ersetzt wird. Außerdem werden Menschen ermutigt, den hohen Preis und die letztendliche Nutzlosigkeit der Kreisläufe von Gewalt zu erkennen – und Gewalt eher als eigenständiges Problem denn als einen zu gewinnenden Wettbewerb zu sehen.

Diverse intellektuelle Fähigkeiten, abzulesen über Meßinstrumente wie etwa IQ-Tests, haben seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts messbar und regelmäßig (ca. 3 IQ-Punkte pro Dekade, “Flynn-Effekt”) zugenommen. Ein steigender IQ ist jedoch auch ein Indikator für ansteigende Abstrahierungsfähigkeiten. Menschen (und zwar sowohl auf individueller als auch gesellschaftlicher Ebene), die über eine höhere Bildung und gemessene Intelligenz verfügen, begehen weniger gewalttätige Verbrechen, kooperieren mehr, denken liberaler, und sind weniger anfällig für rassistische, sexistische, fremdenfeindliche, homophobe Einstellungen und sie sind empfänglicher für demokratische Grundprinzipien.

Doch wir können nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass diese Entwicklung anhält. Eine Reduktion der Investitionen in Bildung und ein Abbau bzw. eine Aushöhlung demokratischer Institutionen und Grundprinzipien gefährden die Grundpfeiler, auf denen die Abnahme gesellschaftlicher und individueller Gewalt ruht.

(Quelle: A History of Violence, Edge Master Class 2011, Steven Pinker [9.27.11]

Vortragsvideo (engl.; 1:26h – lädt vor Anzeige etwas länger):

Richard L. Fellner, DSP, MSc.

Psychotherapeut, Hypnotherapeut, Sexualtherapeut, Paartherapeut



Kommentieren:

Erforderliche Felder sind mit "*" markiert.
Der Blog nützt Akismet, um Spam zu reduzieren. Wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden.

Bitte geben Sie einen Namen oder ein Pseudonym ein.
Bitte geben Sie Ihre Mailadresse ein.
Ein Kommentar ist erforderlich… ;-)

 

« « | » »

 

11.11.22