TV-Shows ‘werben’ nicht gerade für Psychotherapie

Psychotherapie TV Serien FilmeFrasier Crane und sein Bruder Niles sind beide Psychiater in der populären NBC-Sitcom “Frasier“. Mafia-Boss Tony Soprano hatte seine Therapeutin in der Hit-Show “The Sopranos” auf HBO – einem Sender, der Psychotherapie mit “Tell Me You Love Me” und “In Treatment” vorübergehend sogar zu einem Schwerpunkt seiner Neuproduktionen machte.

Doch all diese Darstellungen im TV führen Zuseher im Endeffekt weit seltener in die therapeutische Praxis, wie eine Studie an der Iowa State University (p=369) gezeigt hat. In ihr wurde untersucht, wie Exposition gegenüber Fernsehshows zu negativen Wahrnehmungen über psychologische Dienstleistungen führen kann, die letztlich die Absicht verringert, solche Dienstleistungen auch selbst in Anspruch zu nehmen. Das Papier mit Titel “The Influenct of Television on Willingness to Seek Therapy” wurde 2008 in der Fachzeitschrift “Journal of Clinical Psychology” veröffentlicht.

Begleitend wurden die Indikatoren für die psychische Gesundheit und das professionelle Agieren der gezeigten “Profis” analysiert. Das Ergebnis war alles andere als günstig: “Die agierenden Therapeuten werden tendentiell unethisch dargestellt – sie schlafen mit ihren Klienten, induzieren falsche Erinnerungen oder sprechen mit Dritten über ihre Klienten,” so D. Vogel, einer der Studienleiter. “Das sind Dinge, die bei echten Therapeuten fast nie geschehen, in einer TV-Show aber passieren sie viel häufiger – vermutlich, weil sie die Spannung erhöhen.”

“Therapeuten werden häufig auch als Possenreißer dargestellt, entweder als Spaßvogel, so wie Frasier, oder als Zielscheibe des Spotts. In jedem Fall sind dies keine positiven Darstellungen, und zeigen nicht die Fähigkeit, das Fachwissen und die Ethik professioneller Therapeuten.”

Aber es ist nicht nur die Darstellung der Therapeuten, die Menschen von einer Therapie abhalten kann. Es ist auch die Darstellung derer, die in den betreffenden TV-Shows Unterstützung suchen: “Sieht man sich die Darstellung der Klienten an, wird es noch schlimmer… Würden Sie eine Therapie beginnen wollen, wenn Sie mit einer derart negativen Wahrnehmung rechnen müßten oder jemandem Inkompetenten anvertraut würden, der nicht in der Lage ist, Ihnen zu helfen oder Sie zu verstehen?” (R. L. Fellner: überraschenderweise blieb der überstarke Fokus auf Sexualität in vielen dieser Serien in der Studie unerwähnt – einen Raum, den dieses Thema in regulären Psychotherapien nur selten in dieser Intensität einnimmt)

Weitere Analysen ergaben eine positive Korrelation zwischen der Exposition der Zuseher gegenüber Komödie und Drama und deren Wahrnehmung einer Stigmatisierung bei der Suche nach professioneller Hilfe. Dieses Stigma wurde als Indiz für eine niedrigere Bereitschaft, professionelle psychosoziale Angebote in Anspruch zu nehmen, interpretiert. “Letztlich bestärken diese Sendungen das Vorurteil, dass man als ‘verrückt’ gilt, wenn man sich in Therapie begibt.”

Das ist ein Problem für diejenigen, die wirklich von professionellen psychosozialen Angeboten profitieren können. Laut Vogel hat aktuellen Studien zufolge etwa die Hälfte der Bevölkerung zumindest eine Situation in ihrem Leben erlebt, nach der psychologische Therapie hilfreich sein und die Lebensqualität wieder erhöhen könnte – etwa 20% davon allein in einem einzigen Jahr. Aber in einem bestimmten Jahr werden nur von etwa 10% der Menschen, die von Therapie profitieren könnten, professionelle Hilfe gesucht

“Psychische Gesundheits-Dienstleistungen werden deutlich zu wenig genutzt, und das damit verbundene kulturelle Stigma ist dafür ein Mitgrund”, so Vogel. “Und diese Studie legt nahe, dass diese kulturelle Stigmatisierung teils wegen der Art und Weise besteht, in der Therapeuten und ihre Patienten im Fernsehen dargestellt werden.”

(frei übersetzt vom Originalartikel “TV Portrayals Of Mental Health Professionals Make Audiences Less Likely To Seek Psychological Services Themselves” auf Science Daily, issue 2008-05-01)

Hinweis: auf dieser Seite hier auf der Website finden Sie eine regelmäßig ergänzte Sammlung von Filmen (basierend aus dem Empfehlungen im Psychotherapie-Forum) zum Thema Psychologie, Psychotherapie und Spiritualität.

Richard L. Fellner, DSP, MSc.

Psychotherapeut, Hypnotherapeut, Sexualtherapeut, Paartherapeut



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11.11.22