Hirndoping im do-it-yourself-Verfahren

Arzneimittel über das Internet zu bestellen, ist heute einfach, und selbst die meisten Apotheken verkaufen in Asien ohne jegliche Rückfrage Medikamente, die im Westen verschreibungspflichtig wären. Besonders beliebt in den Online-Katalogen: Amphetamine, Potenzmittel und Antidepressiva. Doch die “Selbstmedikation” ist gefährlich: speziell von Amphetaminen wie Ritalin (Methylphenidat), die leistungssteigernd und konzentrationsfördernd wirken, werden unter dem steigenden Druck der Leistungsgesellschaft immer mehr Menschen abhängig und müssen sich Monate oder Jahre später an spezialisierte Kliniken oder Psychotherapeuten wenden. Einer Studie amerikanischer Kinderärzte zufolge stieg in den letzten acht Jahren die Anzahl der “dopenden” Studierenden um 75 Prozent an. Häufig werden die Medikamente zudem falsch eingesetzt, da die Ursache etwa der Konzentrationsstörungen oder Erektionsprobleme ganz woanders liegen als dort, wo das Medikament ansetzt. Erektile Dysfunktion etwa hat bei Männern unter 55 Jahren zumeist rein psychische Ursachen. Durch Gewöhnungseffekte kommt es dann bei der gewohnheitsmäßigen Einnahme schließlich häufig zu Überdosierungen und einer erhöhten Anfälligkeit für krankmachende Nebeneffekte. Irgendwann behandeln die Nutzer nur noch das Entzugssyndrom (bei Potenzmitteln ist das häufig die Unsicherheit, Sex ohne das Medikament auszuüben) – sie verspüren keine deutliche Wirkung mehr, können das Medikament aber auch nicht absetzen und geraten damit in einen Teufelskreis. Erschwerend kommt die oftmalige Mehrfachabhängigkeit dazu: etwa die Einnahme von Amphetaminen während des Tags, und dann am Abend die Einnahme von Alkohol und/oder Tranquilizern bzw. Schlafmitteln.

Zeichen beginnender psychischer Abhängigkeit von Arzneimitteln können Gefühle von Unsicherheit oder Angst sein, wenn auf die Einnahme verzichtet wird, oder wenn im Laufe der Zeit die Dosis gesteigert wird, die Wirkung des Medikaments jedoch gleich bleibt oder sogar geringer wird oder ganz ausbleibt. Ebenso ein Alarmsignal ist, wenn dem Organismus ohne ärztliche Diagnose und Verschreibung im Laufe der Jahre immer mehr Substanzen zugeführt werden (hierzu gehören auch Nahrungssubstitutionsmittel, Injektionen mit Hormonen, Beruhigungsmittel, Schlafmittel, Nasentropfen usw.). Zumeist wird Medikamentenabhängigkeit erst sehr spät eingestanden, wenn bereits Erkrankungen der Organe vorliegen oder Unfälle (z.B. durch Konzentrationsmangel) auftreten. Für den psychischen Entzug ist eine Kombination von Psychotherapie und Selbsthilfegruppen sehr effektiv, immer ist aber eine ärztliche Abklärung auf etwaige körperliche Schäden dringend anzuraten.

In Österreich sind nach Angaben des API-Instituts ca. 350.000 Menschen alkoholkrank, ca. 130.000 sind von Medikamenten, knapp 30.000 von illegalen Drogen abhängig.
In den USA wird einer Untersuchung der University Michigan von 2010 zufolge bei fast einer Million Kindern fälschlicherweise das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsyndroms (ADHS) diagnostiziert. Davon betroffen sind vor allem die jüngeren Kinder einer Jahrgangsstufe in Kindergarten oder Schule.

(Dieser Kurzartikel ist Teil einer wöchentlichen Serie, die sich mit psychischen Problemen von Expats und generellen Themen psychischer Gesundheit befaßt und in verschiedenen Medien Thailands veröffentlicht wird, 2011; Image src:vth.biz)

Richard L. Fellner, DSP, MSc.

Psychotherapeut, Hypnotherapeut, Sexualtherapeut, Paartherapeut



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11.11.22